Um einen bereits länger geplanten und öffentlich angekündigten Auftritt des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess (Ludwigsburg) im Nachbarschaftshaus Rheinau gibt es im Stadtteil jetzt einige Aufregung. Mitarbeitende der im selben Gebäudekomplex untergebrachten städtische Jugendeinrichtungen distanzieren sich privat von der AfD-Veranstaltung, wie Anfang der Woche im Stadtteil zu hören war.
Am Mittwochnachmittag stellte das Jugendamt (Rathaus Fachbereich 58) seinen Beschäftigten ein offizielles „Statement zur weiteren Kommunikation“ zur Verfügung, wie Sprecherin Stefanie Zuelsdorff-Hottel von der Stadtverwaltung mitteilte. Darin heißt es in Bezug auf die Veranstaltung der AfD, sie stehe „in keiner Verbindung zum städtischen Jugendhaus“. Und weiter: „Wir stehen für Vielfalt und Diversität. In der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gelten die Werte einer demokratischen Gesellschaft. Als Mitglied des Mannheimer Bündnisses für ein Zusammenleben in Vielfalt können und wollen wir nicht mit ausgrenzenden Inhalten in Verbindung gebracht werden.“
Antifa gegen Auftritt im Rheinauer Nachbarschaftshaus
Unter dem Motto „Keine Räume der AfD“ trommelt die Antifa gegen den Auftritt des AfD-Manns und generell gegen die Nutzung der Räume im Nachbarschaftshaus durch die Rechts-Partei. Vor dem Hess-Auftritt am Freitag, 12. Januar, ruft das Offene Antifaschistische Treffen daher ab 18 Uhr zur Gegenkundgebung vor dem städtischen Saalbau am Rheinauer Ring auf.
Aufgrund anhaltender Proteste und öffentlichen Drucks, so die Antifa, habe die AfD in den letzten Jahren nur noch im Schützenhaus Feudenheim die Möglichkeit gehabt, regelmäßig Veranstaltungen auszurichten. Wegen eines Pächterwechsels im Schützenhaus sei der Hess-Auftritt bereits einmal verschoben und nun auf die Rheinau verlegt worden, so der Aufruf weiter.
AfD-Kreisvorsitzender Rüdiger Ernst widerspricht dieser Darstellung. „Das Schützenhaus ist seit dem Pächterwechsel im Spätherbst wegen umfangreicher Sanierungsmaßnahmen geschlossen und kann deshalb nicht genutzt werden“, teilt er auf Anfrage mit. Heinrich Koch, Bezirksbeirat und Vorsitzender des AfD-Ortsvereins Mannheim-Süd, erklärte auf Anfrage, die AfD sei „als demokratisch legitimierte Partei berechtigt, Veranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen wie dem Nachbarschaftshaus durchzuführen“. Zudem wolle man den Bürgern und Wählern im Mannheimer Süden ein Angebot machen.
Im Rheinauer Nachbarschaftshaus halten alle Parteien Veranstaltungen ab
Elvira Winterkorn, nach Heike Carlucci zweite Vorsitzende des Trägervereins der städtischen Einrichtung, verteidigt ihre Entscheidung, auch an die AfD zu vermieten. Der Mannheimer Kreisverband der Partei habe für die Vortragsveranstaltung bereits vor einem Jahr angefragt und vier Terminvorschläge gemacht. „Zu dem Zeitpunkt hatten wir keine Belegungen für die Räume und ein dickes Minus auf dem Konto.“ Außerdem sei man bereits seit vielen Jahren gegenüber dem Eigentümer des Nachbarschaftshauses, also der Stadt Mannheim, vertraglich verpflichtet, bei der Vermietung „alle Parteien gleichermaßen zum Zuge kommen zu lassen“, wie sie sich ausdrückt.
Und das tue man auch, verweist sie auf Veranstaltungen anderer Parteien im Nachbarschaftshaus: Anfang 2023 hatte die SPD die Räume für einen Kreisparteitag angemietet, bei dem der Rheinauer Thorsten Riehle zum Oberbürgermeisterkandidaten nominiert wurde. Und Ende des vergangenen Jahres hatten die Grünen ihre Gemeinderatskandidaten für die Kommunalwahl im Nachbarschaftshaus nominiert.
Viel persönliche Kritik an Elvira Winterkorn
Dass nun auch die AfD zu den Mietern der städtischen Einrichtung gehört, hält Winterkorn deswegen für „normal“. Dass sie sich in den letzten Tagen dennoch viel persönliche Kritik an ihrer Vermietungspraxis aus dem privaten Umfeld und aus dem Rheinauer Vereinsleben anhören musste, hat die vielfach engagierte und gut vernetzte Rheinauerin „ziemlich mitgenommen“, wie sie sagt. Ob sie und der Vorstand des Nachbarschaftshaus-Trägervereins sich angesichts der Kritik anders entschieden hätten, lässt sie aber offen.
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Stadt-Sprecherin Stefanie Zuelsdorff-Hottel wies darauf hin, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz für alle städtischen Einrichtungen gilt. Die Stadt überlasse ihre Bürgerhäuser den betreibenden Vereinen zur freien Verfügung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen: „Grundsätzlich müssen die Räumlichkeiten also aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes allen politischen Parteien für Veranstaltungen zur Verfügung stehen.“ Eine ähnliche Debatte hatte es bereits im Februar 2019 gegeben, als die AfD erstmals eine öffentliche Veranstaltung in der Feudenheimer Kulturhalle abhielt.
Das ausführliche Statement des Jugendamts bezieht sich ebenfalls auf demokratische Grundwerte: „Mitgestaltung, Respekt und Mitbestimmung sind Handlungsmaxime unserer Arbeit. Wir bieten einen Ort der Begegnung für Kinder und Jugendliche aus verschiedenen sozialen und kulturellen Milieus und setzen hierbei auf die Gemeinsamkeiten. Unsere Arbeit gründet auf Akzeptanz und Anerkennung von unterschiedlichen Lebensrealitäten und setzt sich diversitätsbewusst mit Privilegien und Diskriminierung auseinander. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit lehnen wir ab.“
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