Mannheim. Es war der erste Ball des Gesangvereins „Eintracht“ in der Gaststätte „Löwen“ nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1948. Da ist es passiert. Sie haben sich gesehen, kennengelernt, getanzt, sind sich näher gekommen, haben sich „sich schwer verliebt“, wie sie heute noch sagen, dann verlobt und schließlich am 7. April 1951 geheiratet. Daher feiern die beiden Käfertaler Erna und Artur Pfützer, die ältesten Landwirte des Orts, 70 Jahre später das sehr seltene Jubiläum der Gnadenhochzeit.
Neben Tochter Elfriede und Sohn Bernhard würden gerne sechs Enkel sowie drei Urenkel mitfeiern – doch wegen der Corona-Pandemie musste das geplante Familienfest verschoben werden.
An das Fest vor 70 Jahren, die Trauung durch Pfarrer Mönch und den Gottesdienst unter Mitwirkung des Kirchenchors, erinnern sich beide Jubilare noch gut. Gefeiert wurde in der Ladenburger Straße, dem Elternhaus von Erna. Es gab ein Menü mit Markklößchensuppe, Rindfleisch mit Meerrettich, Rinder- und- Kalbsnierenbraten mit selbst gemachten Nudeln, dann Götterspeise sowie Kaffee und Kuchen. Da die vielen Bauern unter den Gästen zur Fütterung der Tiere auf ihre Höfe mussten, ging es nach einer Unterbrechung erst abends wieder mit Schnitzel, Bratwurst und Kartoffelsalat sowie einem Auftritt vom Gesangverein „Eintracht“ im elterlichen Hof weiter.
Pferdegeschirr muss glänzen
Artur Pfützer war am 22. September 1926 geboren worden. Er wuchs im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern in Käfertal auf, musste schon als Kind mithelfen, die Pferde zu putzen, das Pferdegeschirr aus Messing zu reinigen, bis es glänzte, die Hufe zu putzen und Botengänge zum Sattler zu machen. Sonntags war neben dem Kirchgang gelegentlich ein Ausflug in den Käfertaler Wald zum Tiergehege mit Onkel Adolf und Familie angesagt – mehr Freizeit gab es damals nicht.
Nach der Schulzeit wurde er 1943 mit 17 Jahren zum Militär eingezogen, in Ungarn durch Bombensplitter schwer verletzt und kam als 19-jähriger in französische Kriegsgefangenschaft. In Annecy in Hochsavoyen musste er erst im Straßenbau Kriegsschäden beseitigen, bevor er ins Sägewerk zu einer französischen Familie Dagand kam. Über drei Jahre wussten seine Eltern nicht, ob er noch lebt. Nach drei Jahren Kriegsgefangenschaft kam er 1948 wieder nach Mannheim zu seinen Eltern zurück. Und beim ersten geselligen Abend bei der „Eintracht“ stieß er dann gleich auf Erna.
Am 21. März 1930 geboren und ebenfalls im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Käfertal mit zwei jüngeren Geschwistern aufgewachsen, hatte sie 1943 im Krieg ihren Vater verloren. Wegen intensiver Bombenangriffe auf Mannheim verbrachte sie ihr letztes Schuljahr in Oberbayern (Stadt Trostberg) bei der Großmutter. Sie kannte die Familie ihrer Mutter zwar vorher nicht persönlich und verstand wegen des dortigen Dialektes am Anfang niemanden mehr, sei aber doch sehr freundlich aufgenommen worden, sagt sie. Wieder in Mannheim, arbeitete sie im elterlichen Betrieb mit.
Auch weil es wegen des Krieges bei ihnen selbst sehr schwierig war, eine Berufsausbildung zu absolvieren, legten sie bei ihren Kindern sehr großen Wert darauf – die Tochter wurde Lehrerin, der Sohn studierte Betriebswirtschaftslehre. Aber stets mussten sie zu Hause mithelfen, denn da stand immer der Hof an erster Stelle. Artur und Erna bezeichnen sich als „Bauern von Geburt und aus Leidenschaft“ – und sie sind dies auch heute noch. Die Arbeit im eigenen großen Garten ist, nachdem die Felder aufgegeben wurden, ein großes Hobby für beide geblieben und stellt, obwohl alles mittlerweile sehr langsam geht, immer noch ihr – wie sie sagen – „Lebenselixier“ dar.
Landfrauen mitgegründet
Daneben prägten stets Käfertaler Vereine ihr Leben. Erna war lange im katholische Kirchenchor St. Laurentius, in dem sie bis zur Geburt der Tochter aktiv sang. Außerdem ist sie Gründungsmitglied und lange Aktive der Landfrauen.
Artur stieß gleich nach der Kriegsgefangenschaft 1948 als Sänger zur „Eintracht“ (später Chorvereinigung „Eintracht/Sängerbund“) und ist heute der letzte noch lebende Sänger der Nachkriegszeit, wie er sich mit Wehmut zurückerinnert. Die bäuerlichen Familien in Käfertal seien alle in der „Eintracht“ aktiv und zugleich ein großer Freundeskreis gewesen. Beim Verein traf man sich zur Kerwe oder zu Tanzveranstaltungen. „Nach den Festen, das heißt dann spät in der Nacht, gab es noch jeweils bei einem Paar zu Hause Kaffee und Kuchen“, weiß Artur Pfützer noch: „Mit Schlaf war dann nicht mehr viel, denn am Morgen mussten ja die Tiere im Stall wieder gefüttert werden.“
Urlaub gab es lange nicht – erstmals 1965 mit dem ersten Auto, ein Opel Rekord, zu den Verwandten nach Oberbayern auf den Bauernhof der Tante, später auch mal in die Alpen. Erst nach der Pensionierung gönnte sich das Paar Reisen ans Mittelmeer, nach Ägypten und in die USA. Aber für Käfertal schlägt weiter ihr Herz.
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