Mannheim. Sie hatte „nicht den Hauch einer Ahnung, was auf mich zukommt", wie sie völlig verblüfft bekennt: Barbara Waldkirch ist vom Feudenheimer „Lallehaag“ mit dem 40. „Hungerleiderorden“ ausgezeichnet worden. Aber kaum hat sich die Verlegerin, Buchhändlerin und Vorsitzende vom Verein für Ortsgeschichte Feudenheim von der Überraschung erholt, versichert sie gerne, weiter das zu machen, wofür sie ausgezeichnet wurde: „Ich will alles tun, damit mein Dorf, unser Dorf seinen besonderen Spirit behält, dass es lebendig bleibt“, sagt sie.
Der Hungerleiderorden feiert 40 Jahre Tradition im Feudenheimer Karneval
„Hungerleider“ – das klingt rätselhaft bis missverständlich. Aber schon seit 40 Jahren vergibt der Feudenheimer Karnevalsverein, wie die Vorsitzende Regine Köhnlein-Koch in ihrer Begrüßung berichtet, die vergoldete Erstprägung des „Lallehaag“-Ordens der vergangenen Kampagne am grünen Band. Sie wird beim „Hungerleideressen“ im Kulturhaus im Kreis der Vertreter von Vereinen des Stadtteils, der Politik und der Fasnacht überreicht. Der Abend ist gedacht als letzte Stärkung nach der Kerwe und ehe dann am 11. November die Kampagne beginnt.
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Es ist „ein Abend im Zeichen der Anerkennung“, wie „Lallehaag“-Senatspräsident Markus Proßwitz sagt. Er ruft all die bisherigen verdienten Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Fasnacht in Erinnerung, die bislang jährlich ausgezeichnet wurden. Künftig wird der Verein das nur noch alle zwei Jahre tun – auch zur Entlastung der Ehrenamtlichen, die Suppe kochen, Salate zubereiten, den Saal dekorieren. Aber der „Lallehaag“ stehe weiter dafür, so Proßwitz, „Tradition und Gemeinschaft hochzuhalten“ und „hervorragende Persönlichkeiten zu ehren, die das über Generationen hinweg ermöglicht haben.
Mit dem „Hungerleiderorden“ ausgezeichnet würden „Personen, die sich voller Freude und Leidenschaft aufopfernd engagiert und für andere eingesetzt und den eigenen Hunger nach Anerkennung in den Hintergrund gestellt haben“, so der Senatspräsident.
Eine weitere Definition für „Hungerleider“ hat Peter Hofmann parat. Der Altstadtrat, Träger des Bloomaulordens und Präsident des Reitervereins Mannheim war im vergangenen Jahr ausgezeichnet worden, nun darf er die Laudatio halten. „Hungerleider“ sei „nicht im landläufigen, sondern eher im übertragenen Sinne“ gemeint.
Der Orden gebühre einem Menschen, „der sich für andere einsetzt, bis er selbst Hunger leidet, der sich für die Feudenheimer, für die Mannheimer Stadtgesellschaft und die Fasnacht einsetzt, bis er selbst nichts mehr hat“, so Hofmann. Das passe für Menschen wie Waldkirch, „die Gutes für die Nächsten tun“, in besonderer Weise. Als Buchhändlerin habe sie schließlich einen „systemrelevanten Beruf“, berief er sich auf Aussagen aus der Politik anlässlich der kürzlich in Frankfurt stattgefundenen Buchmesse.
Vielfältiger Einsatz für Wirtschaft, Frauen und Geschichte
Gerade der Buchhandel bringe „wichtigen Einsatz für die Stärkung der Demokratie“, so Hofmann. Bei Barbara Waldkirch reiche das sogar besonders lange zurück, geht doch der von ihr geleitete Verlag Waldkirch auf eine seit 1542 bestehende Druckerei zurück. „Damit ist sie älter als der Lallehaag, ja sogar älter als Mannheim“, so Peter Hofmann. Der Verlag hat sich auf Bücher zur Regional-, Stadt- und auch Feudenheimer Ortsgeschichte spezialisiert.
Barbara Waldkirch, die aus Überzeugung und trotz des damit stets verbundenen Risikos immer selbstständig gewesen sei, habe sich aber parallel zum Beruf stets ehrenamtlich engagiert, verwies der Laudator etwa auf ihre Arbeit in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, wo Barabara Waldkirch schon bei den Wirtschaftsjunioren aktiv war, von 2001 bis 2015 Vizepräsidentin und nun Ehrenmitglied des Präsidiums ist. Die 1957 geborene Diplom-Übersetzerin, die mit ihrem – ebenso mit einem Yoga-Studio selbstständigen – Mann drei Söhne hat, führt seit 1992 die Waldkirch KG.
2007 gründete Barbara Waldkirch die Verlagsbuchhandlung Waldkirch in Feudenheim, die seit November 2012 in größere Räume expandierte und die bei vielen Veranstaltungen ein kulturelles Zentrum des Stadtteils darstellen. Nach langjährigem ehrenamtlichem Engagement als Handelsrichterin, in mehreren Gremien der IHK, im Lenkungskreis der Zukunftsinitiative Rhein-Neckar-Dreieck, im Mannheimer Netzwerk „Frau und Beruf“, bei der Deutschen Familiengenossenschaft, als Beiratsmitglied im Gründerinnenzentrum oder der Frank-Herrmann-Stiftung sowie im Vorstand vom Verein Stadtbild Mannheim und bei den Freunden und Förderern der Kulturkirche Epiphanias übernahm Barbara Waldkirch in diesem Jahr den Vorsitz im Verein für Ortsgeschichte.
Zum „Hungerleideressen“ kam sie nur in Begleitung ihres Mannes – der war eingeweiht, sie nicht. Regine Köhnlein-Koch, „Lallehaag“-Präsidentin Daniela Gruber und die „Lallehaag“-Prinzessin Maren-Michelle I. überreichten ihr die Urkunde, die ihr Verdiente um das Brauchtum bescheinigen. „Ich werde versuchen, die in mich gesetzten Hoffnungen zu erfüllen“, sagte sie. Es müsse gelingen, die Tradition an die Jugend weiterzugeben und „unsere lebenswerte, schützenswerte Kultur zu erhalten“, so Barbara Waldkirch.
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