Mahnwache

150 Jahre alter Kastanienbaum in Mannheim-Feudenheim gefällt - Bürger protestieren

Nachdem im Mannheimer Stadtteil Feudenheim eine 150 Jahre alte Rosskastanie gefällt wurde, haben zwei Bürgerinitiativen zu einer Mahnwache vor der Kulturhalle aufgerufen. Dort stellt der Bezirksbeirat viele unbequeme Fragen

Von 
Peter W. Ragge
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„Mein Freund der Baum ist tot“, singen einige Mitglieder vom Gemischten Chor des Gesangvereins Teutonia bei der Mahnwache vor der Kulturhalle. © Michael Ruffler

Mannheim. „Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot“ – das Lied von Sängerin Alexandra stammt zwar schon von 1968, aber als es jetzt der Chor „CanTonia“ des Gesangsvereins Teutonia vor der Feudenheimer Kulturhalle anstimmt, ist es hoch aktuell. Nur wenige Tage zuvor hat ein privater Bauherr in der Talstraße eine 150 Jahre alte Rosskastanie fällen lassen – mit Genehmigung, wie Bürgermeister Volker Grunert in der anschließenden Bezirksbeiratssitzung betont. Das empört die über 100 Teilnehmer der Mahnwache.

Scharfes Auge aufs Ortsbild

Die Bürgerinitiativen „Lebenswertes Feudenheim“ und „SOS Stadtbaum Mannheim“ haben dazu aufgerufen, und der Gesangsverein Teutonia hat sich sofort angeschlossen. „Wir sind ein Traditionsverein, der ein scharfes Auge auf das Ortsbild hat“, so Vorsitzender Dieter Kern. „Und man darf sich nicht alles gefallen lassen“, betont er, ehe der Chor noch das Revolutionslied „Die Gedanken sind frei“ anstimmt.

Der Baum hat zwei Kriege überstanden, jetzt wurde er umgebracht.
Aufschrift eines Protest-Plakats

Ein Grab mit Sarg, Kreuz und Grablichtern haben die Demonstranten aufgebaut, an Fassade und Pfeiler Bilder und Zettel geklebt. Darauf steht, dass eine hundertjährige Buche jährlich sechs Tonnen Kohlendioxid bindet. Die prachtvolle Rosskastanie fehle daher nun nicht nur im Ortsbild, sondern dass sie gefällt werden durfte, verschlechtere zudem die Luft. Viele Besucher der Mahnwache haben Pappschilder mitgebracht. Ilona Kourschil fordert eine Fortbildung in Klimaschutz für die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, welche die Fällung genehmigten. „Warum braucht Mannheim eine Umweltbürgermeisterin, wenn das Regierungspräsidium Karlsruhe über Baumfällungen entscheidet“, hat Bernhard Welker auf seine Pappe geschrieben. „Alle Bäume über 100 Jahre müssen unter Denkmalschutz“, heißt es auf einem Schild „Der Baum hat zwei Kriege überstanden, jetzt wurde er umgebracht“ auf einem anderen Plakat.

Mit Grablichtern, Sarg und Plakaten protestierten die Feudenheimer. © Lukas Adler

Zwar wisse man, dass die Rosskastanie jetzt gefällt und nicht mehr zu retten sei. „Aber es ist wichtig für künftige Bauherren, dass sie überlegen, ob sie wirklich so schlechte Werbung haben wollen“, begründet Gabriele R. Sommer, warum sie zur Mahnwache gekommen ist. „Wenn man als privater Hausbesitzer Zweige zurückschneiden will, damit sie die Nachbarn nicht belästigen, wird es wegen der Baumschutzsatzung verboten – aber da geht es plötzlich“, wundert sich Esther Frank.

„Liebe Trauergemeinde“, spricht Altstadträtin Christine Schaefer im Namen der Bürgerinitiativen ins Mikrofon. Die Menschen seien „traurig, weil wieder einmal in Mannheim ein Baum einem Bauwerk zum Opfer gefallen ist“. Die Bürger seien auch „fassungslos, dass das Regierungspräsidium in einem grün regierten Land eine solche Tat einfach absegnet“, sagt sie verärgert. Zudem seien die Bürger, so Schaefer, „wütend“, weil Mannheim als Modellstadt für Klimaschutz und mit einer satten grünen Mehrheit im Gemeinderat es nicht geschafft hat, diesem Vorhaben Einhalt zu gebieten“. Sie frage sich, weshalb Mannheim eine Klimaschutzagentur habe und ob das „er berühmte Local Green Deal ist, mit dem sich unser Oberbürgermeister so gerne schmückt“.

Auch wenn das Thema nicht auf der Tagesordnung der anschließenden Bezirksbeiratssitzung in der Kulturhalle steht – zum Thema wird sie dennoch. „Das hat sehr viele Menschen betroffen gemacht“, erklärt FDP-Bezirksbeirätin Birgit Sandner-Schmitt. Sie wolle deshalb wissen, wie viele Ersatzpflanzungen die Behörde verlangt habe, wo diese seien und ob die Stadt das kontrolliere. „Der Bezirksbeirat nimmt sich das auf jährliche Wiedervorlage“, kündigt sie an. Zudem frage sie die Verwaltung, ob sie die Baumschutzsatzung nicht „optimieren“ müsse.

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„Die Fragen nehmen wir gerne mit“, erklärt Bildungsbürgermeister Volker Grunert (Grüne) als Sitzungsleiter. Ihm sei aber die Feststellung wichtig, dass die Stadt das Bauvorhaben in der Talstraße zunächst nicht habe genehmigen wollen. „Wir wurden von der übergeordneten Behörde verpflichtend angewiesen“, verwies Grunert auf das Regierungspräsidium, und das Baurecht als Gesetz stehe nun einmal über kommunalen Satzungen wie der Baumschutzverordnung.

Rene Leicht (Grüne) und Christopher Kern (CDU) verlangen daher von der Stadt Auskunft, ob und wie sie die Verordnung verschärfen wolle und wie sich Fällungen in Zukunft vermeiden lassen. „Wir müssen solch vollkommen hässliche Gebäude in Feudenheim künftig verhindern“, fordert Rene Leicht, und Rolf Götz (CDU) erinnert daran, dass die Stadt früher über größere Bauvorhaben den Bezirksbeirat stets zuvor informiert habe. „Leider hat man diese gute Übung fallen lassen, und dann passieren eben solche Monsterdinge mit einem toten Baum“, schimpfte er. Stephan Bordt (Linke) fragt, ob bei dem Bauvorhaben anstelle des Gemeindehauses der Epiphaniasgemeinde, das ja bald aufgegeben werde, wenigstens der Erhalt der dortigen Bäume festgeschrieben sei. Auch das will Grunert klären.

Redaktion Chefreporter

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