Feudenheim. Am 1. August 1899 haben sie den Vertrag unterzeichnet: Gastwirt Johann Pahl vom „Goldenen Hirschen“ macht etwas Platz und räumt Postverwalter Adam Hillenbrand das Recht ein, hier tätig zu werden. Ab da, also seit 125 Jahren, hat Feudenheim ein eigenes Postamt. Bis 1907 ist es in dem 1737 erbauten, längst denkmalgeschützten Gebäude, das zu den ältesten Gasthäusern Feudenheims zählt und zu den wenigen Gebäuden des 18. Jahrhunderts, die sich bis heute erhalten haben. Allerdings steht es bereits seit vielen Jahren leer.
Post wird in Feudenheim länger als 125 Jahre zugestellt. Als der Großherzog 1837 in Ladenburg eine „Briefpostexpedition“ einrichtet, wird ein Rundkurs mit einem berittenen Boten eingeführt. Täglich reitet er in Mannheim um 8.30 Uhr los, steuert außer Feudenheim auch Ilvesheim, Heddesheim und Edingen sowie Ladenburg an und kehrt gegen 12 Uhr nach Mannheim zurück. Nur wo er die für Feudenheimer bestimmten Briefe ablegt, das weiß man nicht. Selbst Heimatforscher Günther Löhr, der die Geschichte der Post 1987 intensiv aufgearbeitet hat, konnte das nicht herausfinden.
Mit der Eisenbahn werden die Briefe schneller befördert
Mit dem Bau der Eisenbahn, deren erste Strecke in der Region 1840 eröffnet wird, geht die Beförderung von Briefen schneller. Baden gehört ab 1851 zum Deutsch-Österreichischen Postverein, dem auch der aus Baden schon ab 1811 verdrängte langjährige Monopolist Thurn-und-Taxis-Post beigetreten ist. Ab 1859 bewilligt der nun zuständige Großherzog einen Landbriefbotendienst, der auch Feudenheim umfasst. Dafür werden Briefladen aufgestellt – verschließbare Kästen mit Schlitz zum Einwurf frankierter Briefe. Darin befindet sich ein Stempel, und der Abholer, der die Kästen leert und den Inhalt zum nächsten Postamt bringt, stempelt gleich vor Ort ab.
Die Feudenheimer Brieflade wird von Johann Keßler betreut, der 1868 das Gasthaus „Zur goldenen Krone“ in der heutigen Kronenstraße erbaut hat. Schon im Jahr zuvor ist von Käfertal der Betrieb einer Postagentur in der Oberen Riedstraße 7 überliefert, die ihre Lieferungen erst mit dem Lampertheimer Postfuhrwerk erhält, ab 1887 mit der Nebenbahn Mannheim-Weinheim (später OEG) und dann Sandhofen, Wallstadt und Feudenheim mitversorgt.
1900 gibt es die ersten zwei Telefonanschlüsse in Feudenheim
Ab 1. Oktober 1871 erhält Feudenheim eine eigene Postablage. Eingerichtet wird sie im Gasthaus „Zum Ochsen“ in der Hauptstraße, und Ochsenwirt Albert Brecht darf einen eigenen, ovalen Stempel mit der Bezeichnung „Mannheim Postabl. Feudenheim“ verwenden. Ab Januar 1872 übernimmt, als Folge der ein Jahr zuvor erfolgten Reichsgründung, die Reichspost des Kaiserreichs die Zuständigkeit für die Post. In diesem Jahr wird Feudenheim für die Postablage Wallstadt mit zuständig. 1876 wird eine Telegraphenstation ergänzt. Noch müssen aber Boten oder Pferdefuhrwerke die Briefe nach Feudenheim bringen.
Schneller geht es ab 1. Januar 1893, denn nun kommen die Säcke mit den Briefen aus Mannheim mit der Feudenheimer Dampfbahn in den Ort. Für die Strecke vom Bahnpostamt zur Abfahrt vom „Bähnl“ an der heutigen Alten Feuerwache braucht man aber weiter das Pferdefuhrwerk. Nach Ankunft der Dampfbahn reicht für die paar Meter zum „Ochsen“ der Handkarren.
Dann kommt der große Tag – der 1. August 1899 und die Aufwertung zum Postamt, das nun einen eigenen Rundstempel führen darf. Ab 1900 gibt es zudem Telefon: Apotheker Heinrich Hölzlin und die Gemeindeverwaltung – bis 1910 ist Feudenheim ja selbstständig – sind die ersten Teilnehmer am neuartigen Fernsprechdienst, wie das offiziell heißt. Aber so viel wird noch nicht telefoniert, dafür steigt das Aufkommen an Briefen. Die Dampfbahn muss morgens und abends eigene Abteile abtrennen, um die Säcke aufzunehmen, und ab 1913 fährt sogar ein Postbeamter mit – als Aufsicht. Zudem wird der „Goldene Hirsch“ für die Post zu klein. Ab 1907 folgt daher der Umzug in das Haus Pahl in der Hauptstraße 27.
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Mit der Eingemeindung ab 1910 wird alles anders: Der Stempel trägt nun die Inschrift „Mannheim-Feudenheim“, der Vorort wird ins Mannheimer Adressbuch aufgenommen und statt der Dampfbahn steuert ab 1914 die Mannheimer Straßenbahn Feudenheim an. Auf der Plattform des Beiwagens, in einem verschließbaren Raum, transportiert sie die Post – dreimal an Wochentagen, zweimal an Sonntagen. Ab 1923 verkehren dann Lastwagen.
Je größer das Aufkommen an Sendungen, umso öfter muss die Post in andere Räume umziehen. Ab 1915 ist sie im Haus Schwanenstraße 31 ansässig, das die Post 1924 erwirbt und wo sie bis 1937 bleibt. Dann geht es in die Hauptstraße 67, wo die ersten Schließfächer entstehen.
Ärger über kastenförmigen Bau des Fernmeldeamtes
1975 entsteht ein neues Postamt, im Haus Bohrmann in der Neckarstraße 9. 13 fest angestellte Mitarbeiter gibt es hier Mitte der 1970er Jahre, plus 14 Zusteller, die pro Tag rund 900 Briefe einwerfen. Dazu kommen 150 Pakete und Päckchen. Weil aber auch immer mehr telefoniert wird, kauft die Post das alte Haus des Feudenheimer Heimatforschers Wilhelm Schaaf neben dem Rathaus, reißt es ab und baut dort ein „Fernmeldeteilamt“, ausgelegt für 6000 Telefonanschlüsse und erweiterbar auf 12 000. Der nicht ins Ortsbild passende, kastenförmige Bau sorgt indes für sehr viel Ärger im Stadtteil.
Noch mehr Ärger gibt es, als die Post ganz aufgibt. Erst bezieht sie in den 1990er Jahren verkleinerte Räume in der Hauptstraße 90 im Rückgebäude des Eiscafés, 2007 kommt das Aus und die Privatisierung, sprich die Übertragung der Aufgabe an eine private Postagentur – trotz Unterschriftensammlung und heftiger Proteste von Bezirksbeirat, Parteien und Geschäftsleuten.
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