Ludwigshafen. „Stress gibt es hier nicht. Eine Schlange gibt es hier nicht“, fasst Beisitzer Christian Gregori die Situation in der Erich Kästner-Schule zusammen. Das lässt sich auch auf andere Wahllokale übertragen. Denn viel los ist nicht – obwohl an diesem Sonntag die Stichwahl stattfindet. Es entscheidet sich, wer in Ludwigshafen die Nachfolge von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck antritt.
Das Duell lautet: Klaus Blettner gegen Jens Peter Gotter. Blettner tritt für die CDU und die Freien Wähler an, Gotter für die SPD. Wer es wird, entscheidet sich nach 18 Uhr. Doch was wünschen sich die Wählerinnen und Wähler vom neuen Oberbürgermeister? Was denken Sie, wer das Rennen machen wird? Und was sagen die, die kein Kreuz setzen?
Es gibt mehrere große Themen, die die Wählerinnen und Wähler umtreiben. Eins davon ist die Sauberkeit – vor allem im Stadtteil Mitte. Die Geschwister Eva Wurtz und Veronika Landfriet haben ihr Kreuz in der Turnhalle der Erich Kästner-Schule gesetzt. Sie hoffen, dass in Zukunft mehr gegen den „Sperrmüll und Schmutz“ getan wird. Die Bahnhofstraße in Mitte würden die 67-Jährige und die 80-Jährige aufgrund dessen sogar meiden.
Auch der 70-jährige Reinhard Winstel erhofft sich vom neuen Oberbürgermeister, dass dieser für mehr Ordnung sorgt – auch bezogen auf Lärm, den er nachts im Stadtteil höre. Er würde von Menschengruppen ausgehen. Außerdem wünsche er sich weniger Baustellen und eine bessere Verkehrsführung: „Wenn etwas gesperrt ist, muss man es besser koordinieren.“ Er glaubt, dass Blettner gewinnen wird. Vor etwa 50 Jahren habe das noch anders ausgesehen: „Da musste man nicht wählen gehen, da wusste man, es wird die SPD“, sagt Winstel vor der Erich Kästner-Schule.
Viele Wählerinnen und Wähler wünschen sich ein Ludwigshafen, das sicherer ist
Dass Blettner der neue Oberbürgermeister wird, vermutet auch Resul Altuntas. Der Grund: Beim ersten Wahlgang lag er auch vor Gotter. Altuntas würde sich in einer sauberen Stadt wohler fühlen, berichtet der 36-Jährige. Er wünsche sich eine beliebte und belebte Innenstadt, sodass die Leute in Ludwigshafen bummeln, statt nach Mannheim zu fahren.
Einem 30-jährigen Mann, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will, ist die Bildung besonders wichtig. Er hofft, dass in dem Bereich mehr investiert wird. Auch mehr Spielplätze würde er sich wünschen. Für die 71-jährige Roswitha Veil hat das Wohl der Kinder in Ludwigshafen oberste Priorität. Sie würde sich freuen, wenn die Kinder gefördert werden, beispielsweise durch gute Schulen und mehr Hausaufgabenhilfen. Und auch die Verkehrssituation soll sich ändern: „Ich wünsche mir bessere Straßen für Fahrradfahrer.“ Veil glaubt, dass Gotter das Rennen machen wird, da er die sozialen Brennpunkte in Ludwigshafen kenne.
Auch ein weiteres Thema wird oft genannt: „Priorität hat für mich auf jeden Fall die Sicherheit in Ludwigshafen“, sagt Birgül C., die ihren vollständigen Namen nicht nennen will. Die 34-Jährige hat ihr Kreuz in der VTV Halle bei der Schillerschule in Mundenheim gesetzt. Sie wünscht sich strengere Polizeikontrollen und Kameraüberwachung an öffentlichen Plätzen.
Es gebe viele Orte, die sie meide, vor allem wenn sie ihre neunjährige Tochter dabei hat: „Ich war ewig nicht mehr in der Stadtmitte.“ Und auch den Rhein und manche Spielplätze besuche sie nicht mehr. Denn da fühle sie sich als Frau nicht wohl. Ein sicherer Schulweg ist C. auch sehr wichtig. In Mundenheim gebe es zu wenig Ampeln und Zebrastreifen und die Autos seien zu schnell unterwegs. Sie vermutet, dass Blettner die Nachfolge von Steinruck antreten wird – weil er mehr Erfahrung habe.
Auch beim 37-jährigen Christopher, der seinen Nachnamen nicht verraten will, ist die Unsicherheit präsent, berichtet er nach seiner Wahl in Mundenheim. Der Grund hierfür seien Erlebnisse mit unfreundlichen Menschengruppen. Außerdem sehe er fast täglich, wie Personen auf E-Scootern auf Gehwegen rasen. Das sei ihm negativ aufgefallen.
Warum gehen viele Bürgerinnen und Bürger von Ludwigshafen nicht wählen?
Am Wahllokal in der VTV Halle kommen auch zwei junge Männer vorbei, die jedoch am Eingang vorbeilaufen. Sie gehen nicht wählen, sagen sie. Sie hätten daran kein Interesse und auch keine Zeit. Ein anderer Mann läuft durch den Stadtteil Mitte. Auch er habe kein Interesse: „Wieso soll ich wählen gehen?“ Yvonne Kurtulus hat gar nicht mitbekommen, dass es einen neuen Oberbürgermeister geben wird. Sie hätte jedoch sowieso nicht gewählt, da der AfD-Bewerber Joachim Paul nicht zur Oberbürgermeisterwahl zugelassen wurde – wegen Zweifeln an dessen Verfassungstreue.
Ein weiterer junger Mann steht vor seiner Haustür und raucht eine Zigarette. Er kenne die Kandidaten nicht und habe ohnehin seine Wahlbescheinigung verloren. Ein Wähler erzählt von einer Nachbarin, die nicht wählen gehe, da sich sowieso nichts ändere. Sie wisse auch nicht, wem sie ihre Stimme schenken sollte.
Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung beim ersten Wahlgang am 21. September bei nur 29,3 Prozent. Auch dieses Mal zeichnet sich ab, dass nur wenige ihr Kreuz gesetzt haben. In der Erich Kästner-Schule hätten am Sonntagmittag von etwa 3.500 Wahlberechtigten nur circa 350 per Brief gewählt und etwa 60 an der Urne. Es bleibt spannend, wie hoch die Wahlbeteiligung diesmal sein wird. Und natürlich, ob Blettner oder Gotter der neue Oberbürgermeister von Ludwigshafen sein wird.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Bei der OB-Wahl in Ludwigshafen hat die Demokratie Schaden genommen