Kommentar Bei der OB-Wahl in Ludwigshafen hat die Demokratie Schaden genommen

Zoff um AfD-Kandidat und miserable Wahlbeteiligung: Die OB-Wahl in Ludwigshafen war eine unwürdige Veranstaltung. Das wird bis zu den Landtagswahlen 2026 nachhallen, glaubt Julian Eistetter.

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Julian Eistetter
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Ludwigshafen. Klaus Blettner (CDU) hat die Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen gewonnen. Ab Januar wird er die Geschicke der Chemiestadt als Rathauschef und Nachfolger von Amtsinhaberin Jutta Steinruck maßgeblich lenken. Dafür kann man ihm nur viel Erfolg und viel Glück wünschen. Er wird es brauchen.

Denn der neue Oberbürgermeister – und das hätte genauso auch bei einem Wahlsieg von Jens Peter Gotter (SPD) gegolten – startet mit einer erheblichen Hypothek in sein Amt: Er hat kein nennenswertes Wahlvolk hinter sich. So traurig das klingen mag, aber wer diese Wahl an diesem Sonntagabend gewinnt, war in der Gesamtschau der vergangenen Wochen für viele nur noch eine Fußnote.

Nicht nur auf dem neuen OB lastet eine schwere Hypothek, auch die Demokratie hat Schaden genommen

Noch weniger Ludwigshafenerinnen und Ludwigshafener als beim ersten Wahlgang haben am Sonntag ihre Stimme abgegeben. Nur annähernd 25 Prozent! Gerade mal jeder vierte Wahlberechtigte hat sich an der für diese Stadt so bedeutenden Wahl beteiligt. Sei es aus kommunalpolitischer Apathie oder im Falle der in Ludwigshafen reichlich vertretenen AfD-Anhänger aus Protest gegen den Ausschluss ihres Kandidaten Joachim Paul.

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So wie die vergangenen Wochen und letztlich auch die Wahl selbst gelaufen sind, lastet nicht nur auf dem neuen OB eine schwere Hypothek, auch die Demokratie selbst hat erheblichen Schaden genommen.

Die Geschehnisse von Ludwigshafen hallen weit über die Stadtgrenzen hinaus und liefern auch Fingerzeige für die richtungsweisenden Landtagswahlen.

Der Ausschluss Pauls wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue – eine Entscheidung, die von drei Gerichten bestätigt wurde – hat die Stimmung in der Stadt (weiter) vergiftet. Es mag juristisch korrekt und im Sinne des Schutzes der Verfassung notwendig gewesen sein, das passive Wahlrecht hier einzuschränken, dennoch hat es massive Verwerfungen ausgelöst. Die AfD-Anhänger werfen der politischen Konkurrenz vor, sie von der demokratischen Willensbildung ausgeschlossen zu haben – deshalb entzogen sie ihrerseits der Wahl als solcher die Legitimität.

Die AfD hat sich in Ludwigshafen in der Rolle der Märtyrerin eingenistet – ein narratives Geschenk, das die Partei nicht nur dort dankend annimmt und für ihre Fundamentalkritik am „System“ nutzt.

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Doch die Geschehnisse von Ludwigshafen hallen weit über die Stadtgrenzen hinaus und liefern auch Fingerzeige für die richtungsweisenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg im kommenden Jahr. Zum einen zeigt die OB-Wahl, dass die etablierten Parteien, trotz eines intensiven Wahlkampfs, die Bürger nur schwer mobilisieren können. Das Aufeinandertreffen von CDU und SPD in der Stichwahl verschleiert das grundsätzliche Problem: Eine Stadt, die historisch eine Hochburg der Sozialdemokratie war, demonstriert nun eine bemerkenswerte Ermüdung gegenüber den „Volksparteien“. Das ist deutschlandweit zu beobachten.

Für die Stimmung in der Stadt war der Ausschluss weitaus schädlicher als eine Wahlniederlage Pauls

Zum anderen beweist Ludwigshafen: Der Ausschluss eines Kandidaten aus verfassungsrechtlichen Gründen mag die Demokratie schützen, er beruhigt aber keineswegs die politische Lage. Im Gegenteil, er befeuert die Radikalisierung und Isolation bestimmter Gruppen. Für die Stimmung in der Stadt und darüber hinaus war der Ausschluss weitaus schädlicher als eine Wahlniederlage Pauls, die es wohl spätestens in der Stichwahl gegeben hätte. Bei der Landtagswahl könnte das für einen „Jetzt-Erst-Recht“-Effekt sorgen.

Nicht nur Klaus Blettner muss also in Ludwigshafen schleunigst Wege finden, die entweder schweigende oder umso lautere Masse, die sich aus Protest, Frust oder purer Gleichgültigkeit von der Wahl abgewandt hat, wieder für die Kommunalpolitik zu gewinnen. Das gilt für Politiker landes- und bundesweit. Andernfalls wird der demokratische Rückzug in Ludwigshafen bald trauriger Standard sein.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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