Ludwigshafen. Sein Vater war für die Streckenverläufe zuständig, sein Bruder für die Landschaften und Markus Andrae hat sich schon als Kind für die technischen Aspekte von Modelleisenbahnen interessiert. „Die Begeisterung war früh da, mein Vater hat mich sehr geprägt. Wir hatten eine große Anlage, die immer zu Weihnachten aufgebaut sein musste“, erinnert sich der 52-Jährige. Die Begeisterung für Lokomotiven und Züge im Miniaturformat ist bis heute geblieben, auch wenn der Berufsweg Andrae zunächst in eine etwas andere Richtung treibt. Er ist über Jahre hinweg Inhaber von drei Hörgeräte-Geschäften in Mannheim. An diesem Samstag macht er sein Hobby nun aber endgültig zum Beruf. Gemeinsam mit Sven Heine übernimmt er das renommierte Oggersheimer Fachgeschäft Spielwaren Werst von Inhaber Bernhard Werst. Damit wechselt der Laden nach mehr als 100 Jahren im Familienbesitz in neue Hände.
Wie berichtet, will Bernhard Werst kürzer treten. Er wird künftig aber noch als Teilzeitkraft im Laden anzutreffen sein. Der Standort in der Schillerstraße bleibt bestehen. „Das ist sehr wichtig, die Leute sind froh, dass es hier weitergeht“, berichtet Andrae. Die Lage im Ortskern in der Nähe des Hans-Warsch-Platzes sei optimal und auch gut ohne Auto erreichbar. Und auch für den Stadtteil selbst sei es wichtig, dass der zunächst befürchtete Umzug nicht erfolgen muss, das hätten zahlreiche Reaktionen auch anderer Einzelhändler gezeigt.
Generell soll sich für die vielen treuen Stammkunden nicht allzu viel ändern. Doch einige Neuerungen werden Andrae und Heine doch in Angriff nehmen, wie sie im Gespräch berichten. So sollen die Räume im ersten Obergeschoss künftig als Seminarräume und nicht mehr als Verkaufsfläche dienen. „Hier wollen wir Kurse im Löten, Anlagenbau oder Bereich Technik und Digitalisierung anbieten“, erläutert Andrae. Dazu sollen auch Fachleute von den Herstellern eingeladen werden. Ziel sei es, den Kundinnen und Kunden Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. „Viele wollen ihre Lok gerne selbst warten können“, sagt Andrae.
Wenn tatsächlich mal etwas an einer Modelleisenbahn kaputt sein sollte, dann erhalten die Kunden bei Werst in Zukunft auf wieder direkt im Laden Unterstützung. „Wir planen, eine eigene Werkstatt einzurichten. Das hat es hier früher schon mal gegeben, wurde dann aber eingestellt. Aktuell müssen defekte Teile eingeschickt werden – und das kann dauern. Wir wollen also einen kundenorientierteren Service schaffen“, erklärt der künftige Inhaber.
Name ändert sich leicht
Eine leichte Veränderung wird es auch beim Namen des Ladens geben. Dieser soll nicht mehr Spielwaren Werst, sondern Werst Modell Bahn und Bau heißen. „Spielwaren werden wir künftig nicht mehr anbieten. Wir konzentrieren uns voll auf Modelleisenbahnen und Zubehör. In diesem Bereich sind wir quasi ein Vollsortimenter“, so Andrae.
Das Geschäftsmodell soll künftig auf drei Beinen fußen, wie Sven Heine berichtet: dem Offline-Geschäft im Laden, dem Onlinehandel, der deutlich aufgebessert und ausgebaut werden soll, sowie den Seminarangeboten. Heine selbst betreibt seit rund 16 Jahren in Deidesheim den Modelleisenbahnladen Moba-tech. Mit einer Verkaufsfläche von rund 200 Quadratmetern ist dieser jedoch deutlich kleiner als das Geschäft in der Oggersheimer Schillerstraße mit seinen 600 Quadratmetern Verkaufsfläche. Beide Läden werden künftig zur AH Modelleisenbahn GmbH und Co. KG von Markus Andrae und Sven Heine gehören.
Heine schmeißt mit seiner Frau das Geschäft in Deidesheim, während Andrae in Ludwigshafen präsent sein wird. Vier Vollzeit-Mitarbeiter bleiben dem Laden erhalten, hinzu kommen drei Teilzeitkräfte, den ehemaligen Inhaber mit eingerechnet. „Es ist sehr wichtig, dass die Expertise erhalten bleibt. Außerdem kennen die Kunden die Mitarbeiter und haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut“, so Andrae.
Übergabe mit OB am Samstag
Ohnehin sei das Thema Modelleisenbahn ein sehr emotionales. „Das Strahlen in den Augen zu sehen, wenn jemand eine passende Lokomotive gefunden hat, ist einfach schön“, sagt Andrae. Das sei auch der Vorteil, den das stationäre Geschäft noch gegenüber dem Onlinehandel habe: das Erlebnis beim Einkauf. Der 52-Jährige kann sich da gut reinfühlen. Durch seinen Beruf kam er nicht mehr zu seinem Hobby. In seinen Hörgeräte-Läden verkaufte er irgendwann kleine Bestände an Modelleisenbahnen, um das zu ändern. Dann entschloss er sich, die Geschäfte abzugeben. „Ich wollte endlich nur noch Dinge verkaufen, die die Leute auch wirklich haben wollen“, sagt er. Er erfuhr von Heines Erweiterungsplänen und schließlich meldete sich Bernhard Werst bei ihm mit dem Angebot, den Laden in Oggersheim zu übernehmen.
Die offizielle Übergabe erfolgt am Samstag. Dann werden auch Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und Ortsvorsteherin Sylvia Weiler um 14 Uhr bei einer kleinen Feierstunde anwesend sein. Ein Zeichen der Wertschätzung, das die Bedeutung des Geschäfts für Oggersheim und ganz Ludwigshafen einmal mehr verdeutlicht.
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