Ludwigshafen. Sie können ihren Arbeitstag weitgehend selbst gestalten, kommen viel herum und führen interessante Gespräche mit ganz unterschiedlichen Menschen. Mit ihrem Job sind sie deshalb sehr zufrieden – dieses Bild von Taxifahrern stimmt nicht mehr. „Früher hat es noch viel Spaß gemacht. Aber das ist vorbei. Die Zeiten sind viel härter geworden“, sagt Gazi Kocsoy. Er ist einer der dienstältesten Taxifahrer in Ludwigshafen, der seit fast 20 Jahren Fahrgäste kutschiert. Diese Einschätzung kann Burak Caglar, Vorsitzender der Taxi-Zentrale Ludwigshafen, voll bestätigen. „Taxifahren ist mittlerweile ein sehr hartes Brot. Viele Existenzen sind in den vergangenen Jahren kaputtgegangen“, sagt er. Als Hauptgründe nennt er deutlich weniger Aufträge seit Corona und die harte Konkurrenz durch Uber.
Taxi-Zentrale in Ludwigshafen besteht seit 100 Jahren
Eigentlich hat Caglar aber auch einen Grund zur Freude. Die Taxi-Zentrale kann im kommenden Monat ihr 100-jähriges Bestehen feiern. Wenig erfreulich sind jedoch die Rahmenbedingungen geworden. „Wir haben nur noch halb so viele Fahrten wie in der Zeit vor der Pandemie“, verdeutlicht Caglar den immensen Rückgang. Bei der Taxi-Zentrale gehen nun im Jahr insgesamt etwa 20 000 Aufträge weniger ein als früher. „Pro Tag verdiene ich rund 50 Euro weniger als vor Corona“, beziffert Kocsoy seine starken Einbußen.
„Viele Betriebe haben ihre Geschäftsreisen stark reduziert. Zudem hat Homeoffice stark zugenommen“, nennt der Chef der Taxi-Zentrale einschneidende Veränderungen in den vergangenen fünf Jahren. Fahrten zum Frankfurter Flughafen seien früher relativ häufig gewesen, mittlerweile aber nur etwa einmal im Monat. Hinzu komme, dass Unternehmen beispielsweise bei größeren Veranstaltungen nicht mehr viele Taxis ordern, sondern auf eine eigene Fahrzeugflotte zurückgreifen können. Deshalb habe etwa die BASF ihr Auftragsvolumen an die Ludwigshafener Taxi-Zentrale reduziert. All diese Entwicklungen führten dazu, dass etliche Betriebe aufgeben mussten. „Vor der Pandemie waren in Ludwigshafen noch 100 Taxis angemeldet, derzeit sind es noch 80“, beziffert Caglar den Wandel.
Uber-Wagen in Ludwigshafen sorgen für Frust bei Taxi-Fahrern
Immer länger müssen Taxler wie Kocsoy im E-Klasse-Mercedes an den Haltestellen auf Kunden warten. Eigentlich ist der 60-Jährige ein Ausbund an Freundlichkeit und Ausgeglichenheit. Im Bruchteil einer Sekunde ist jedoch seine Gemütsruhe dahin, als er am Berliner Platz auf den nächsten Fahrgast wartet und einen dunklen Toyota mit HD-Kennzeichen in der querenden Wredestraße vorbeifahren sieht.
„Da ist schon wieder ein Uber-Wagen“, ruft Kocsoy verärgert. „Uber ist in Ludwigshafen gar nicht zugelassen. Deswegen dürften diese Fahrzeuge hier gar keine Aufträge annehmen“, ergänzt Caglar. Schon etliche Fotos von der ungeliebten Konkurrenz habe die Taxi-Zentrale an die Ordnungsbehörden geschickt. Ob die Hinweise zu Sanktionen geführt haben, weiß er nicht. Er sieht aber täglich, dass sich an diesem Problem bislang nichts geändert hat.
Uber basiert auf einem ganz anderen Geschäftsmodell – ohne eigene Fahrer. Es stellt lediglich die Online-Plattform bereit, die Fahrten zu einem Festpreis anbietet. Und diese liegen meistens unter den Taxi-Tarifen – aber nicht generell, merkt Caglar an. „Wenn die Nachfrage sehr groß ist, können die Uber-Fahrten sogar teurer sein. Für eine Strecke vom Berliner Platz nach Rheingönheim, die normal 18 bis 20 Euro kostet, wurden auch schon mal 37 Euro verlangt.“ Bei einer Bestellung über die Taxi-Zentrale ist eine Grundgebühr von derzeit 3,60 Euro in Ludwigshafen fällig. Zudem hängt der Endpreis von Streckenlänge und Zeitaufwand ab. Die ersten drei Kilometer kosten jeweils 2,90 Euro, jeder weitere Kilometer 2,20 Euro.
Krankenfahrten halten Taxi-Branche über Wasser
„Die Taxi-Tarife setzen wir aber nicht eigenmächtig fest, dies macht die Stadtverwaltung“, erläutert Caglar das Prozedere. Die letzte Erhöhung erfolgte 2022. Seitdem sei aber vieles teurer geworden. Der Mindestlohn habe sich deutlich erhöht. Für die Kfz-Versicherung eines Taxis müsse man nun mit 250 bis 350 Euro rechnen – pro Monat wohlgemerkt.
Im Gegensatz zu Uber zahlen die Taxifirmen der Innung Gewerbe- und Umsatzsteuern, merkt Caglar an und nennt weitere Unterschiede: „Unsere Fahrer verfügen über fundierte Ortskenntnisse.“ Dazu müssen sie eine vierwöchige Schulung absolvieren und ein Führungszeugnis vorlegen. „Die Fahrer übernehmen auch Zusatzleistungen. Sie helfen, Koffer mehrere Stockwerke hoch ins Haus zu tragen, oder übernehmen Besorgungen.“ Zu den Stammkunden zählen viele Senioren und Frauen. Immer wieder werden die Fahrzeuge auch von Eltern geordert, wenn ihre Kinder allein irgendwohin gebracht werden müssen.
„Nur dank der Krankenfahrten können wir noch überleben“, schildert Kocsoy die aktuelle Situation. Weil sich die Verdienstmöglichkeiten deutlich verschlechtert haben, melden sich auch keine Studenten oder Rentner mehr als Aushilfsfahrer, sagt Caglar.
Pläne für App mit Online-Bezahlung
Gleichwohl geht er davon aus, dass Taxifahrten auch in den nächsten 50 Jahren noch nachgefragt werden. „Wir müssen aber mit der Zeit gehen.“ Deshalb plane die Taxi-Zentrale eine Kooperation mit Freenow. Über die deutsche App mit Online-Bezahlung sollen verstärkt junge Leute als Kunden gewonnen. Weiterhin kann in Ludwigshafen ein Taxi aber auch telefonisch bestellt werden.
Zahlreiche Veränderungen hat Koscoy, der seit 55 Jahren in Deutschland lebt und bisweilen auch Pfälzisch spricht, in den vergangenen Jahrzehnten miterlebt – nicht alle zum Positiven. „Viele Leute haben keinen Respekt mehr, das betrifft Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger gleichermaßen.“ Ein rotes Ampellicht werde ebenso häufig missachtet wie die Einbahnstraßenregelung etwa in der Ludwigstraße. „Der Egoismus hat zugenommen. Viele wollen sich nicht an die Gesetze anpassen“, schildert er seine Erfahrung.
Kritisch sieht er die Fahrradspur in der Heinigstraße. Die Verwaltung hatte vor Jahren einen Fahrstreifen für Autos umgewidmet, auch um die erhöhten Stickoxidwerte zu reduzieren. Dadurch steht den Kraftfahrern auf der Durchgangsstraße nur noch eine Fahrbahn zur Verfügung. „Da fährt doch so gut wie kein Radler. Stattdessen gibt es immer wieder längere Staus“, plädiert der Taxifahrer für eine Rückkehr zur alten Regelung.
Diese Promis saßen bei Koscoy schon auf der Rückbank
Erfreut blickt Koscoy auf viele Begegnungen im Taxi zurück, etwa mit Prominenten wie Moderator Peter Hahne oder den aus der Gartenstadt stammenden Rapper Apache 207. Großes Mitgefühl hegt er für frisch angekommene Flüchtlingsfamilien mit stark traumatisierten Kindern, die er von Amts wegen fährt. „Das geht mir nahe.“ Nachhaltig in Erinnerung bleibt ihm auch eine dramatische Fahrt mit einer hochschwangeren Frau. Unterwegs setzten bei ihr starke Wehen ein. Er konnte sie gerade noch rechtzeitig am Marienkrankenhaus abliefern, wo wenig später das Kind zur Welt kam.
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