Klimaschutz

Ludwigshafen: Wasserstoff-Fahrzeug bringt jetzt den Müll weg

Es hat rund eine Million Euro gekostet: Ein neues Gefährt, das den Abfall sammelt, soll die Chemie-Stadt etwas klimafreundlicher machen. Warum auch Langschläfer davon profitieren

Von 
Stephan Alfter
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Zukunft und Gegenwart: Ein neues Müllfahrzeug, das mit Wasserstoff betrieben wird, gegenüber einem halben Dutzend konventioneller Abfallsammler. © Stephan Alfter

Ludwigshafen. Bis zum Jahr 2045 will Deutschland neutral sein im Hinblick auf den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen. Eine große Rolle beim Erreichen der Ziele spielen die Stadtverwaltungen und ihre Strahlkraft für die Regionen drumherum. Nachdem Heidelberg vor wenigen Wochen sein erstes wasserstoffbetriebenes Müllfahrzeug vorgestellt hat, setzt nun auch der Wirtschaftsbetrieb Ludwigshafen (WBL) bei der Entsorgung stärker auf erneuerbare Antriebsenergien. Nutznießer ist dabei auch eine Gruppe von Menschen, an die man nicht als erstes denken würde - die Langschläfer.

Bau- und Umweltdezernent Alexander Thewalt (parteilos) hat es sich nicht nehmen lassen, „sein“ erstes elektrisches Abfallsammelfahrzeug mit Batterie und Brennstoffzelle persönlich vorzustellen. Es unterscheidet sich äußerlich besonders durch das Design von den insgesamt 600 weiteren Fahrzeugen in der Flotte der Stadt.

Was die Inbetriebnahme des Fahrzeugs bedeutet

Die neue Müllabfuhr fährt batterieelektrisch und der in der Brennstoffzelle erzeugte Strom dient der Reichweitenvergrößerung im täglichen Betrieb sowie der für das Laden der Abfälle im Fahrzeug erforderlichen Energie. Das etwa eine Million Euro teure Gefährt sei frei von lokalen Kohlenstoffdioxid- sowie Stickstoffoxid-Emissionen im Betrieb und senke zusätzlich den Ausstoß von Feinstaubpartikeln, sagte Thewalt.

Das Wasserstofffahrzeug

  • Zirka sieben bis 15 Minuten dauert eine Betankung
  • Vier Wasserstofftanks fassen insgesamt 16,8 Kilogramm
  • In den Wasserstofftanks herrscht ein Druck von 700 Bar
  • Die Reichweite beträgt bis zu 400 Kilometer
  • Leistung der Brennstoffzelle: Jeweils 30 Kilowatt
  • Ein Batteriemodul verfügt über eine Kapazität von 85 Kilowatt pro Stunde 

Er unterstrich, dass der Einsatz des Fahrzeugs einen bedeutenden Entwicklungsschritt für Ludwigshafen markiere. Es gebe heute bereits funktionierende Alternativen zu herkömmlichen Fahrzeugen mit fossilem Antrieb, machte er deutlich. WBL-Werkleiter Peter Nebel betonte: „Mit der Inbetriebnahme des neuen Fahrzeugs geht der WBL einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung nachhaltige Abfallentsorgung und lokal emissionsfreie Mobilität“.

Vorreiter in Europa?

Bereits seit August 2021 müssen die Kommunen dafür sorgen, dass ein Teil ihrer Fahrzeuge emissionsarm oder gänzlich emissionsfrei fährt. Bis zum Jahr 2025 sollen sechs bis zehn Prozent und bis zum Jahr 2030 sieben bis 15 Prozent der neuen schweren Nutzfahrzeuge in kommunalen Fuhrparks lokal emissionsarm oder emissionsfrei fahren. Der WBL hatte in dieser Kategorie bisher ausschließlich Fahrzeuge mit Dieselantrieb im Einsatz.

Beim Bestreben, in Sachen Wasserstoffnutzung Vorreiter in Europa zu sein, spielt die Metropolregion Rhein-Neckar und der dahinter stehende Verband eine nicht unwesentliche Rolle. Das machte Doris Wittneben deutlich. Sie ist dort Leiterin im Bereich Zukunftsfelder und Innovation. Anlässlich der Inbetriebnahme des Fahrzeugs mit einer Brennstoffzelle sagte Wittneben, dass in der Region 100 Millionen Euro an Investitionen geplant seien. Unter anderem sei in den kommenden Monaten mit einer eigenen Produktionsanlage grünen Wasserstoffs zu rechnen, wiederholte sie am Freitag.

Langschläfer profitieren

Klimaschutz werde durch das bundesweite Wasserstoff-Leuchtturmprojekt H2Rivers und das Schwesterprojekt H2Rhein-Neckar in der Region sichtbar und erlebbar. Auch vor Ort nehme sie wahr, dass die Wasserstoff-Modellregion zwischen Bad Bergzabern in der Südpfalz und Osterburken im Neckar-Odenwald-Kreis zusammenwachse.

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Gefördert wurde die Anschaffung des Fahrzeugs vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr sowie deren Agentur, die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW). Die Anschaffungskosten lagen bei rund einer Million Euro, wobei der WBL aus dem Förderprogramm einen Zuschuss in Höhe von rund 600.000 Euro erhielt.

Mit Investitionen in Wasserstofferzeugung, Logistik und Mobilitätsanwendungen verfolgen die Partner die Zielsetzung, gemeinsam eine regionale Wasserstoffwirtschaft zu etablieren. Über das „H2-Rivers“-Projekt wird in Ludwigshafen eine Tankstelleninfrastruktur entstehen, auf die der Wirtschaftsbetrieb Ludwigshafen zugreifen kann. Im Zuge dieser Initiative wurden 90 Prozent der Mehrkosten, die bei der Anschaffung von Fahrzeugen mit Wasserstofffahrzeugen im Vergleich zu herkömmlichen Abtrieben anfallen, gefördert.

Gefördert wird indirekt auch noch etwas ganz anderes - nämlich gesunder Schlaf in den frühen Morgenstunden. Ludwigshafener Bürger, die sich bisher zu unchristlicher Zeit durch den Einsatz von Müllfahrzeugen in ihrer Nachtruhe gestört fühlten, können aufatmen. Das neue Gefährt erzeugt durch die neue Antriebstechnik kaum Lärm und schwebt quasi davon. Ob die Beschäftigten nun auch die geleerten Mülltonnen leiser an ihren Platz zurückstellen, muss sich in der Praxis noch zeigen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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