Ludwigshafen. Für die hohen Mehrbelastungen durch Corona erhält die Stadt nur teilweise Ausgleichszahlungen. Zudem soll sie Sparauflagen der Aufsichtsbehörde bis 2022 von insgesamt 16 Millionen umsetzen. Die Sorgen des Kämmerers Andreas Schwarz (SPD) nehmen zu.
Herr Schwarz, mit welchem Gefühl sehen Sie 2021 entgegen?
Andreas Schwarz: Es sind gemischte Gefühle. Zum einen bin ich zuversichtlich, dass die Impfungen uns wieder in Richtung Normalität bringen. Zum anderen ist derzeit die Pandemie mit ihren Einschränkungen im Alltag schon etwas nervig. Die sozialen Kontakte fehlen. Darunter leiden auch unsere Kinder.
Was raubt Ihnen derzeit mehr den Schlaf, die Corona-Pandemie oder die desolate Finanzlage?
Schwarz: Einspruch, ich habe eigentlich keine Schlafprobleme, auch nicht durch die Finanzlage. Ein früherer Kämmerer hat mir mal gesagt, dass die größten Probleme auch am nächsten Tag noch da sind. Insofern hilft Schlaflosigkeit nicht weiter. Meine Hauptsorge betrifft die hohen Corona-Belastungen auf Bundes- und Landesebene. Dadurch sind auch die Städte sehr verletzlich.
Wegen der Pandemie sinken die Steuereinnahmen, zudem fehlen Eintrittsgelder durch geschlossene Einrichtungen, wie hoch sind die Einbußen für 2020?
Schwarz: Wir haben die Prognose bei den Gewerbesteuereinnahmen von ursprünglich 178 Millionen auf letztlich 75 Millionen Euro gesenkt. Als Corona-Ausgleich bekommen wir von Bund und Land voraussichtlich 99 Millionen Euro. Insofern haben wir nur ein Minus von vier Millionen Euro. Für 2021 und 2022 fehlen aber derartige verlässliche Regelungen. Die Einnahmeverluste bei städtischen Einrichtungen fallen da weniger ins Gewicht, sie bewegen sich in einem sechsstelligen Bereich.
Und wie hoch ist der bisherige Mehraufwand der Verwaltung durch die Pandemie?
Schwarz: Einige Abrechnungen fehlen noch, aber der Mehraufwand beträgt rund zehn Millionen Euro. Ein großer Brocken sind Mindereinnahmen im öffentlichen Nahverkehr. Bis September ist bereits ein Fehlbetrag von 6,4 Millionen Euro aufgelaufen, da kommt noch einiges auf uns zu. Als Ausgleich hatten wir bislang für den ÖPNV im Rahmen des Rettungsschirms 5,3 Millionen Euro und im April 4,3 Millionen Euro Soforthilfe vom Land erhalten. Davon haben wir auch unser Kommunales Sofortprogramm bezahlt.
Die Stadt geht also sehr schwierigen Zeiten entgegen.
Schwarz: Auf jeden Fall. Auch wenn uns Corona bislang noch einigermaßen glimpflich getroffen hat wegen der Ausgleichszahlungen bei der Gewerbesteuer. Hier liegt aber meine größte Sorge. Ob wir auch 2021 und 2022 eine Kompensation erhalten, ist keinesfalls sicher.
Werden angesichts der aktuellen Lage Investitionen verschoben?
Schwarz: Aus finanziellen Gründen nicht. Solange unsere Kreditaufnahme genehmigt wird und wir auf dem Kapitalmarkt als verlässlicher Partner gelten. Eine Änderung ist da nicht in Sicht, auch als hoch verschuldete Stadt bekommen wir weiterhin ganz gute Kredite. Gleichwohl bleibt die Sorge, dass Corona-bedingt nicht alle Bau- und Planungsprozesse umgesetzt werden können.
Ist Ihr Job als Kämmerer nicht sehr frustrierend? Trotz vieler Appelle an Bund und Land für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen hat sich wenig getan.
Schwarz: Wir müssen weiter dafür kämpfen, auch beim Thema Übernahme der Altschulden. Durch das Urteil des rheinland-pfälzischen Finanzhofs hoffen wir, dass mehr Geld bei den Kommunen ankommt.
Die Hochstraßen-Projekte erhöhen aber das Haushaltsdefizit.
Schwarz: Die Projekte sind auch aus regionaler Sicht so wichtig, dass sie nicht an der Finanzierung scheitern dürfen. Nach bisherigen Gesprächen bin ich hoffnungsvoll, dass wir eine Förderung von bis zu 80 Prozent erhalten. Ein Rechenbeispiel: Bei einer Milliarde Euro Gesamtkosten, einer Förderung von 75 Prozent und einer Abschreibung über 40 Jahre würde die jährliche Mehrbelastung sechs bis sieben Millionen Euro ausmachen. Das wäre noch einigermaßen erträglich. Wir müssen aber unseren Kostenanteil schon während der Bauphase bereitstellen und erhöhen damit unseren schon enormen Schuldenberg. Klarheit besteht erst in einigen Jahren.
Muss die Stadt laut Aufsichtsbehörde nicht in absehbarer Zeit das Thema höhere Steuern angehen?
Schwarz: Für 2021 und 2022 planen wir keine Erhöhung. Die Anhebung der Grundsteuer bleibt ausgesetzt. Gleichwohl werde ich den Hauptausschuss im ersten Halbjahr generell über die bundes- und landesweiten Hebesätze informieren, die teilweise höher liegen als bei uns. Insofern wird die Forderung der Aufsichtsbehörde schon sehr stark sein, dass wir uns an die Durchschnittssätze annähern müssen. Das betrifft in erster Linie die Grundsteuer.
Mit der Aufsichtsbehörde gibt es auch oft Streit über die Höhe der freiwilligen Leistungen etwa für Kultur und Sport. Welche Auflagen muss die Stadt erfüllen?
Schwarz: Unser Defizit bei den freiwilligen Ausgaben einschließlich Nahverkehr beträgt 55 Millionen Euro, es dürfen laut Aufsichtsbehörde aber nur 49 Millionen Euro sein. Wir müssten also sechs Millionen Euro einsparen. Das wird sehr schwierig. Wir konnten mit der Aufsichtsbehörde bislang nicht über den Haushaltsplan 2021/2022 sprechen. Es droht uns eine sehr schwer umsetzbare Sparauflage. Für 2022 wird es gravierender, da müssten sogar zehn Millionen Euro eingespart werden. Ich hoffe zumindest, dass man uns die Erhöhung der Personal- und Sachkosten zugesteht. Da wäre zumindest ein erster Schritt.
Gebürtiger Oppauer
Andreas Schwarz ist seit 2019 Kämmerer und Ordnungsdezernent. Der Bauingenieur war zunächst als Leiter der Wasserwerke Osthofen tätig. Von 2008 bis 2018 war er Kämmerer in Frankenthal, davon drei Jahre lang auch Bürgermeister.
Schwarz (52) ist seit 2000 SPD-Mitglied und war einige Jahre lang Stadtverbandschef in Frankenthal.
Er ist mit einer Kinderärztin verheiratet. Das Paar hat Drillingsmädchen im Alter von 15 Jahren.
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