Interview

Liv Lisa Fries gewinnt in Ludwigshafen: "Babylon Berlin"-Star geehrt

Nach dem Kafka-Fernsehfilm setzt Schauspielerin Liv Lisa Fries ihre Erfolge fort und wird in Ludwigshafen beim Filmfestival für ihre Leistungen ausgezeichnet. Wie sie auf ihre Rollen zurückblickt und was die Zukunft bereithält

Von 
Hans-Günter Fischer
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Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter in einer Szene der preisgekrönten Serie „Babylon Berlin“. © X Filme Creative Pool/SKY/ARD Degeto

Ludwigshafen. Neulich ist sie in dem ziemlich anspruchsvollen, mehrteiligen Fernsehfilm über den Schriftsteller Franz Kafka aufgetreten. Doch vor allem ist sie aus der in die halbe Welt verkauften, vielfach preisgekrönten Serie „Babylon Berlin“ bekannt. Die lässt noch einmal die dem Untergang geweihten Wilden Zwanziger lebendig werden. Dieses Thema freilich ist fast auserzählt, die letzte Staffel aus der Krimi-Reihe soll ab Herbst gedreht werden. Zuvor jedoch holt sich Liv Lisa Fries in Ludwigshafen einen Preis ab - den für Schauspielkunst. Wir haben sie auch für ein Interview erreicht.

Frau Fries, wir lesen etwas überrascht, dass Sie beim Festival des deutschen Films bereits 2014 Mitglied in der Preisverleihungsjury waren. Stimmt das überhaupt?

Liv Lisa Fries: Doch, doch, das stimmt. Ich fand es toll. Es gibt zwar viele Festivals in Deutschland, aber das in Ludwigshafen mag ich ganz besonders gern. Es ist fast wie ein deutsches Cannes: am Rhein, mit all den Zelten. Und dass es der Regisseur Jan Schomburg war, dem wir damals den Filmkunstpreis gegeben haben, fand ich auch sehr schön.

Sie waren für ein Jurymitglied noch sehr jung.

Fries: Überrascht über die Einladung war ich natürlich schon ein bisschen. Doch ich hatte auch früh angefangen, war erst 14 Jahre alt, als ich in einem Film von Oskar Roehler auftrat. Und mit 15 spielte ich mit Götz George in einem „Schimanski-Tatort“. Hatte also schon in jungen Jahren einige Erfahrung.

Der Star aus „Babylon Berlin“

  • Geboren wurde sie im Jahr der neuen deutschen Einheit, 1990, im Berliner Stadtteil Pankow.
  • Ihre Eltern, ist zu lesen, sollen einst zur See gefahren sein: der Vater als Matrose und die Mutter als Schiffsstewardess. Tochter Liv Lisa Fries indessen orientierte sich schon früh in Richtung Film und Fernsehen.
  • Noch vor dem Abitur wurden ihr prominente Rollen zugetraut, und später spielte sie etwa die Künstler-Muse und Autorin Lou Andreas-Salomé (in deren jungen Jahren) und die Märchen-Schönheit Rosenrot. Aber auch eine Mukoviszidose-Kranke in „Und morgen Mittag bin ich tot“.
  • Der endgültige Durchbruch kam 2017 mit der Serie „Babylon Berlin“. In „Kafka“, erst vor kurzem ausgestrahlt, gibt Fries die Freundin Milena Jesenská - und muss Deutsch mit tschechischem Akzent sprechen. „Das war nicht einfach“, sagt sie uns.
  • Die Preisverleihung: 23. August, 18.30 Uhr, auf dem Festival des deutschen Films. Aufgeführt wird auch „In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen, und im Anschluss gibt es einen öffentlichen Bühnen-Talk. hgf

Dieser „Tatort“ war ja von 2006 oder 2007. Können Sie sich daran noch erinnern?

Fries: Matthias Brandt gab meinen Vater. Ronald Zehrfeld spielte mit. Auch Ludwig Trepte. Damals lernte ich also schon alle kennen. Ganz besondere Erinnerungen habe ich an Götz George, der mich wirklich ernst genommen hat. Ich habe viel von ihm gelernt: wie man präzise ist - und doch spontan, aus dem Moment heraus agiert. Ich fühlte mich mit ihm sehr sicher. Daran musste ich vor kurzem wieder denken, als ich mit Anthony Hopkins einen Film gedreht habe. Er spielte Sigmund Freud, ich seine Tochter Anna. Hopkins war der Kapitän, der alles sicher lenkte. Diese Leute haben so viel Spiel- und Dreherfahrung. Das gibt einem einen großen Halt.

Den brauchen Sie inzwischen aber kaum mehr, oder?

Fries: Zumindest wünschte ich mir das. Aber da gibt es unterschiedliche Momente, oft ist es dann doch fast wieder wie beim ersten Mal. Weil jede Rolle wieder wie eine Behauptung - und natürlich eine Neugestaltung - ist. Durch „Babylon Berlin“ habe ich allerdings auch an Routine zugelegt.

Bevor wir darauf kommen, vielleicht noch einmal ein kurzer Blick zurück: Wie sind Sie damals, in so jungen Jahren, in das Filmgeschäft hineingerutscht?

Fries: Machen wollte ich das immer schon. Mit meinen Eltern habe ich fortwährend Filme angeschaut, das war in der Familie eine ganz präsente Sache. Und ein enger Freund von mir studierte an einer privaten Schauspielschule - an der auch Anna Maria Mühe lernte. Dort ging ich dann hin, und in die neu gegründete Kinder- und Jugendagentur wurde ich zügig aufgenommen. Wenig später hatte ich mein erstes Casting, mit Erfolg, auch wenn ich in der Endfassung des schon erwähnten Oskar-Roehler-Films dann gar nicht auftauchte. Doch man war aufmerksam auf mich geworden. Bald darauf kam schon Schimanski.

Die Station Theaterschauspiel haben Sie nie angestrebt?

Fries: Nein. In Hamburg gab es einmal eine kleine Sache. Doch im Grunde habe ich das nicht gemacht.

Sie konnten schon so viele Film- und Fernsehpreise einheimsen. Hätte da ein Theaterpreis, zur Abwechslung, nicht den gewissen Charme?

Fries: Reizen könnte mich Theater schon, doch nicht des Preises wegen. Da gibt es Kollegen und Kolleginnen, die das viel länger machen, und ich habe riesigen Respekt vor denen. Es ist wie ein anderer Beruf, man muss sich schon ganz anders vorbereiten. Dass ich schon mit vielen Film- und Fernsehpreisen ausgezeichnet worden bin, ist eine große Anerkennung. Aber es erzeugt auch einen Druck, das eigene Niveau zu halten.

Was die gute Vorbereitung angeht, geben Sie sich ja viel Mühe: Für die „Babylon Berlin“-Serie lernten Sie Charleston tanzen, für die Rolle einer Pathologin im Film „Hinterland“ sollen Sie gar frühmorgens eine Leichenschau in der Berliner Charité besucht haben. Geht das schon fast in Richtung „Method Acting“?

Fries: Wahrscheinlich. Jedenfalls war ich vom schroffen Ton der Pathologin überrascht, als ich für „Hinterland“ das Drehbuch las. Nach diesem Morgen in der Charité war ich es nicht mehr, ich begriff: Um acht Uhr schnippeln die an Leichen rum und müssen anschließend ihr Urteil abgeben. Das ist für diese Leute vollständig normal. Man muss sich mit dem Alltag der Figuren auseinandersetzen. Für die „Babylon Berlin“-Serie war ich in einer Ausstellung über die 1920er, auf einer der Etagen gab es eine olfaktorische Abteilung, mit Parfüms aus dieser Zeit. Gerüche schnuppern, Gegenstände sehen: So wird eine Ära gleichsam haptisch. Man muss aus der intellektuellen Ebene, dem nur Geschriebenen herauskommen, Realitäten kennenlernen.

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Sind Sie eine Spezialistin für die 1920er geworden? Reizt Sie diese Zeit besonders stark?

Fries: Schon. Aber die Gegenwart reizt mich genauso. Nennen könnte ich da beispielsweise „Zwischen uns“, in diesem kleinen Kinodrama bin ich eine Mutter, deren Junge mit dem Asperger-Syndrom zu kämpfen hat. Die 1920er dagegen faszinieren nicht zuletzt ästhetisch-visuell. Ich passe wohl auch optisch gut in diese Zeit hinein.

Wie lange, glauben Sie, dass hinter Ihrem Namen noch in Klammern stehen wird: „bekannt aus ‚Babylon Berlin‘“?

Fries: Vielleicht ewig lange, und ein Stück weit ist das auch in Ordnung. Schließlich ist die Serie hochwertig gemacht, beginnend bei den Drehbüchern. Auch das Erzählen der Geschichte dieser weiblichen Figur, die ich hier darstelle, finde ich wichtig.

Eine fünfte, letzte Staffel soll jetzt noch entstehen. Sind da auch wieder so viele Drehtage vonnöten wie die 120 für die dritte Staffel?

Fries: Ein knappes halbes Jahr wird es wohl wieder dauern können. Jeder der drei Regisseure dreht etwa eineinhalb Monate. Und das folgt aufeinander.

Kommen wir noch zu dem Kinofilm, der auf dem Festival in Ludwigshafen laufen wird: „In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen. Darf man Dresen als den idealen Regisseur für Schauspieler betrachten?

Fries: Ich habe einst mit meinen Eltern seine Filme angesehen: „Halbe Treppe“, „Sommer vorm Balkon“ und „Wolke 9“. Die Filme haben später auch mein Spiel geprägt, ich war und bin ein großer Fan von ihm. Er ist ein sehr präziser Regisseur, der alle möglichen Facetten findet, ungemein akribisch vorgeht - wie auch Kamerafrau Judith Kaufmann. Die Zusammenarbeit von uns dreien war sehr gut.

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