Medizin

Das Netzwerk Organspende Ludwigshafen: Einzigartig in Deutschland

Das Netzwerk Organspende Ludwigshafen rettet Leben durch einzigartige Aufklärung und Zusammenarbeit.

Von 
Thomas Schrott
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Verantwortliche des Netzwerks (v.l.) freuen sich: Christine Weiß, Sören Melsa, Christian Urbanek, Ana Paula Barreiros, Jana Kötteritzsch, Viktoria Kaufmann und Frank Neuschäfer. © Thomas Schrott

Ludwigshafen. Jahrelang auf ein Spenderorgan wie Niere oder Leber zu warten, ist leider keine Seltenheit. Viele Patienten erleben dies nicht mehr, sie sterben in der Zwischenzeit. Mehr Leben zu retten, hat sich eine Initiative von Medizinern in vier Ludwigshafener Krankenhäusern auf die Fahnen geschrieben. Das „Netzwerk Organspende Ludwigshafen – wir helfen Leben“ klärt nicht nur Patienten, Angehörige und Pflegekräfte über das Thema auf. Es informiert auch andere Personengruppen wie Hausärzte, muslimische Seelsorger und Schüler. „Dieses Engagement ist einzigartig in Deutschland“, sind sich das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) einig. Staatssekretärin Nicole Steingaß und Ana Paula Barreiros, Geschäftsführende Ärztin der DSO-Region Mitte, überreichten deshalb bei einem Festakt im Klinikum dem Netzwerk eine Auszeichnung. Als vorbildlich bezeichnen beide die Kooperation zwischen Klinikum Ludwigshafen, BG Unfallklinik in Oggersheim, Marienkrankenhaus und Krankenhaus Zum Guten Hirten.

Denn die Mitarbeitenden des Netzwerks informieren über das Thema nicht nur bei internen Veranstaltungen der beteiligten Kliniken, etwa bei der Ausbildung der Anästhesie- und Intensivpflegekräfte oder Medizinstudenten im Praktischen Jahr. „Wir unterrichten darüber auch jährlich 1000 Jugendliche an Berufsbildenden Schulen oder in den zehnten Klassen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums“, berichtet Dr. Christian Urbanek, Leiter des Netzwerks. Hinzu kommt ein interkultureller Aspekt, der in einer Stadt wie Ludwigshafen mit hohem Migrationsanteil besonders wichtig ist. Die Initiative spricht auch mit muslimischen Seelsorgerinnen und Imamen. Ein Medizin-Professor der Universität Istanbul unterstützt als Referent die Aufgabe.

Netzwerk Organspende Ludwigshafen will Wissenslücken schließen und Ängste nehmen

„Wir wollen Wissenslücken schließen, Zweifel aufgreifen und Ängste nehmen, aber niemanden zu einer Organspende überreden“, erläutert Urbanek im Gespräch mit dieser Redaktion die Zielsetzung. Vielmehr will das Netzwerk dafür sorgen, dass sich jeder eine fundierte Meinung darüber bildet – und sich dann auch entscheidet, egal wie diese letztlich ausfällt.

„84 Prozent der Deutschen befürworten zwar laut Umfrage eine Organspende, aber vergleichsweise wenige haben sich dezidiert entschieden und ihren Willen schriftlich festgelegt“, benennt Urbanek das Grundproblem. Denn nach aktueller Gesetzeslage muss man schriftlich einer Organentnahme etwa nach einem Hirntod zustimmen, etwa in Form eines ausgefüllten Organausweises. „In der Hektik von Notfällen ist der Ausweis oft nicht greifbar und Angehörige wissen nichts davon“, berichtet der geschäftsführende Oberarzt der Neurologie am Klinikum Ludwigshafen von den Schwierigkeiten im Alltag.

Belastendes Thema Organspende wird hinausgeschoben

„Vielfach wurde das Thema auch vorher gar nicht abschließend mit dem Lebenspartner oder den Kindern besprochen. Weil vielleicht das Wissen oder der Mut gefehlt haben“, so Urbanek weiter. Manchmal werde das belastende Thema auch hinausgeschoben, weil der Zeitpunkt als nicht geeignet angesehen wird. „Aus ärztlicher Sicht kann ich dazu nur sagen, dass es sicherlich der schlechteste Zeitpunkt ist, wenn sich der Patient bereits auf der Intensivstation befindet.“

Weil die Zahl der Organspenden seit langem auf einem niedrigen Niveau verharrt, hatte sich 2008 am Klinikum Ludwigshafen die Arbeitsgruppe Postmortale Organspende gegründet. Seit 2017 beteiligen sich die drei anderen Ludwigshafener Krankenhäuser. Am Grundproblem hat sich seitdem nichts geändert.

Rund 8000 Menschen warten in Deutschland auf Spenderorgan

Rund 8000 Menschen warten deutschlandweit auf ein Spenderorgan, erläutert die Staatssekretärin die aktuelle Situation. Jeder Dritte verliere sein Leben, weil er nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhält. „Dabei kann jeder einmal in eine Notlage geraten. Dann ist man auf eine solche Hilfe angewiesen“, appelliert Steingaß, die Spendenbereitschaft zu erhöhen. „Je nach Blutgruppe kann es sogar bis zu zehn Jahre dauern, bis eine passende Spenderniere gefunden ist“, schildert Barreiros eine unerträgliche Situation und wirbt für eine Hilfe aus tiefer Menschlichkeit. „Bei den Betroffenen ist die Verzweiflung groß, wenn eine Organtransplantation medizinisch notwendig ist, aber mangels verfügbarer Spenderorgane scheitert“, weiß auch Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck. Nachdrücklich lobt sie die hervorragende Zusammenarbeit der vier Krankenhäuser. „Das ist nicht selbstverständlich, denn vielfach herrscht ein Konkurrenzdenken vor.“

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Trotz des hohen Engagements macht sich das Netzwerk keine falschen Hoffnungen, schnell die Spenderquote drastisch erhöhen zu können. „Wir wissen, dass es ein Marathonlauf ist. Insofern ist der Weg das Ziel“, sagt Klinikum-Geschäftsführer Jan Stanslowski. Einen positiven Effekt hat möglicherweise ein neues Projekt mit dem Namen „Garten der Erinnerung“. Für jeden Organspender werde das Netzwerk einen Baum oder Strauch im Garten des Klinikums pflanzen, kündigt Kerstin Koch-Bitsch, Referentin der Ärztlichen Direktion, an. „Eine Plakette erinnert an die Schenkenden. Angehörige haben dann die Möglichkeit, an diesem Ort unsere Werkschätzung zu sehen und sich an die Spender zu erinnern.“

Redaktion MM-Redakteur seit 1984, zuständig für den Bereich Ludwigshafen - mit all seinen Facetten

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