Viernheim. Wenn es um Organspenden geht, liegt Deutschland in Europa ganz hinten. Dabei steht ein Großteil der Menschen hierzulande einer Organ- oder Gewebespende positiv gegenüber. Einer der Gründe dürfte die fehlende Widerspruchslösung sein, bei der man eine Organentnahme explizit ablehnen muss. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben ist vor einigen Jahren gescheitert. Aber auch andere Befürchtungen sorgen dafür, keine Organe zu spenden.
Um über das Thema aufzuklären, hatte Ferdinand Franz Geßler von der Kontaktgruppe Heidelberg/Mannheim des Vereins Lebertransplantierte Deutschland in Kooperation mit der Volkshochschule zu einem Vortrag in die Kulturscheune eingeladen. Bei der gut besuchten Veranstaltung wurden viele Vorurteile angesprochen und die Vorgehensweise im Ernstfall erläutert. Abschließend nutzten einige Teilnehmer sogar die Gelegenheit, sich vom Tattoostudio Marels vor Ort kostenfrei ein minimalistisches Organspende-Tattoo stechen zu lassen.
Referent lebt selbst mit Spenderorgan
„Ziel ist es, die Besucherinnen und Besucher gezielt zu informieren, aufzuklären, aber auch Werbung für die Organspende zu betreiben“, sagte Geßler. „Es darf kein Tabuthema bleiben, deshalb muss die Organspende noch breiter in die Öffentlichkeit gebracht werden.“ Denn anscheinend spreche sich die Mehrheit der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger für Organspende aus – „aber nur wenige machen es.“ Umso mehr zeigte sich der Referent erfreut über das große Interesse an einem Thema, „das unter die Haut geht“. Auffällig war, dass bei dem Vortrag viele Menschen jungen und mittleren Alters im Publikum saßen.
Ferdinand Franz Geßler brachte nicht nur sein fundiertes Wissen, sondern auch persönliche Erfahrung mit: Er lebt nämlich selbst mit einem Spenderorgan. „Ich möchte andere dazu ermutigen, sich frühzeitig und bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Jeder hat im Notfall das Recht auf ein Spenderorgan.“
Von den gesetzlichen Grundlagen bis zum Ablauf einer Transplantation
Beim Vortrag wurde alles Wissenswerte vermittelt, von der Bereitstellung der Organe über gesetzliche Grundlagen bis hin zum Ablauf einer Transplantation und ihrer lebensrettenden Wirkung. Die Teilnehmenden brachten sich gezielt mit ein und stellten viele Fragen rund um das brisante Thema. An Organen können derzeit die Lunge, das Herz, Leber, die Bauchspeicheldrüse, Nieren und sogar Darm gespendet werden. Bei Geweben sind es die Hornhaut der Augen, Herzklappen, Blutgefäße, Haut, Sehnen und Knochengewebe.
Im Jahr 2024 standen über 8500 Menschen auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Bundesweit gab es lediglich 953 Organspenderinnen und –spender. Pro Spender wurden durchschnittlich etwa drei Organe entnommen und transplantiert (2855 Organe). Weil nicht genügend Organe rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden konnten, starben im vergangenen Jahr 679 gelistete Menschen. Das sind rund drei Menschen pro Tag.
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