Ludwigshafen. Der Finanzdezernent der Stadt Ludwigshafen, Andreas Schwarz, über die Probleme des Ludwigshafener Haushalts, sein Engagement im Bündnis „Für die Würde unserer Städte“ und seinen Spaß am Job.
Herr Schwarz, mit wieviel Schulden steht Ludwigshafen aktuell bei seinen Gläubigern in der Kreide?
Andreas Schwarz: Nachdem das Land Rheinland-Pfalz uns 565 Millionen Euro an Liquiditätskrediten erlassen hat, haben wir jetzt noch zum 31. Dezember 2024 rund eine Milliarde Euro Schulden. Das verteilt sich auf Liquiditätskredite und auf Investitionskredite (582 Millionen). Und diese Entlastung von Schulden findet ja nur bei den Liquiditätskrediten, den früheren Kassenkrediten, statt.
Vor dem Schuldenschnitt stand Ludwigshafen also mit 1,6 Milliarden Altschulden in der Kreide. Kennen Sie eine Stadt in Deutschland, die einen noch höheren Schuldenberg hat?
Schwarz: Wir spielen auf jeden Fall ganz oben mit in dieser „Hitliste“.
Wie viel Geld geht denn für die Pflichtaufgaben drauf? Und wieviel finanziellen Spielraum hat die Stadt für freiwillige Leistungen und Investitionen?
Schwarz: Nach Ansicht unserer Kommunalaufsicht und nach den gesetzlichen Vorschriften haben wir überhaupt keinen Spielraum mehr für freiwillige Leistungen, weil wir ja keinen ausgeglichenen Haushalt darstellen können. Auf der anderen Seite steht aber die Forderung von Verfassungsgerichten, dass ein Restspielraum für freiwillige Aufgaben bleiben muss. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Konkret bedeutet das für Ludwigshafen: Die freiwilligen Aufgaben liegen bei deutlich unter zehn Prozent unseres Haushaltsvolumens.
Die Kommunalaufsicht hat den aktuellen Haushalt nicht genehmigt, sondern eine Globalbeanstandung ausgesprochen.
Schwarz: Da sind wir nicht allein. Soweit ich weiß, wurde allen kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz noch kein Haushalt für 2025 genehmigt.
Konkrete Hinweise gibt sie aber nicht, wo nachgeschärft werden könnte?
Schwarz: Ihr ist es formal gar nicht gestattet, uns in diesem Stadium konkrete Vorschriften zu machen. Aber wir wären natürlich trotzdem dankbar, wenn die Aufsichtsbehörde uns Hinweise geben könnte. Die Hinweise beschränken sich aber allgemein darauf, dass Ausgaben gekürzt werden oder Einnahmen erhöht werden sollen. Explizit wird empfohlen, dass wir die Realsteuern prüfen sollen. Das betrifft im Wesentlichen die Grundsteuern und die Einführung von Verpackungs- und Bettensteuer. Das wiederum beißt sich mit der Nichtgenehmigung der Haushalte. Ohne genehmigten Stellenplan können wir kein Personal für die neuen Steuerarten einstellen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Eine Verpackungs- und Bettensteuer rettet den Ludwigshafener Haushalt aber auch nicht wirklich, oder?
Schwarz: Die Verpackungssteuer bringt nach Aussage der Kollegen in Tübingen rund 800.000 Euro Mehreinnahmen. Da wir etwas größer sind und eine vielfältige Gastronomie-Szene in Ludwigshafen haben, müssten die Erlöse bei uns deutlich höher sein. Aber die Verpackungssteuer aus fiskalischen Gründen einzuführen, halte ich für den falschen Weg. Das ist eine Steuer, die Wirkung entfalten soll. Und wenn sie wirklich wirkt, schafft sie sich ja selbst ab. Insofern ist das – rein fiskalisch – nicht nachhaltig.
Wo drückt der Schuh am meisten? Im Sozialetat?
Schwarz: Ja, das strukturelle Defizit dort ist ja kein spezifisches Ludwigshafener Thema. Das wird auch vom Land anerkannt. Eine Arbeitsgruppe von Land und kommunalen Spitzenverbänden will das strukturelle Defizit im sozialen Jugendbereich gemeinsam analysieren. Das ist zwar noch keine Lösung, aber zumindest beschäftigt man sich damit. Beim strukturellen Defizit sind wir bei über 200 Millionen Euro angekommen. Hätten wir das nicht, würden wir uns über eine Haushaltsgenehmigung keine Sorgen machen.
Andreas Schwarz
Der gebürtige Ludwigshafener ist 57 Jahre alt und gelernter Bauingenieur.
Er ist seit Januar 2019 Beigeordneter und Kämmerer der Stadt Ludwigshafen.
In seinem Dezernat sind auch die Stadtkasse, Immobilien, öffentliche Ordnung, Straßenverkehr, Bürgerdienste, Beteiligungsmanagement und Stadtcontrolling angesiedelt.
Vorher war er von 2016 bis 2018 Bürgermeister der Stadt Frankenthal.
Schwarz ist unter anderem auch Mitglied im Finanzausschuss des Städtetags Rheinland-Pfalz und im Ausschuss für Wirtschaft und Finanzen im Deutschen Städtetag. bjz
Die Stadt Ludwigshafen engagiert sich in einer Initiative mit dem Namen „Für die Würde unserer Städte“. Was ist das für ein Bündnis?
Schwarz: In dem Bündnis engagieren sich mehr als 70 hochverschuldete Kommunen in ganz Deutschland. Das Vorgängerbündnis bestand ausschließlich aus Städten in Nordrhein-Westfalen und nannte sich „Raus aus den Schulden“. Aber die Forderung nach dem Altschuldenerlass war zu kurz gegriffen. Die Städte brauchen eine Finanzausstattung, die neue Schulden erst gar nicht entstehen lässt. Weitere Forderungen sind der Bürokratieabbau und eine deutliche Vereinfachung von Förderprogrammen. Teilweise sind die Förderprogramme so komplex, dass wir erhebliche Ressourcen dafür einsetzen müssen, um die Fördermittel überhaupt zu bekommen. Den Kommunen gelingt es teilweise gar nicht, das Personal einzustellen, um diese Förderprogramme zu bearbeiten. Bis das Personal da ist, sind die Fristen schon vorbei. Und dann ernten wir als Kommune den Vorwurf: Ihr habt ja die Fördermittel gar nicht abgerufen.
Und die Würde der Städte lässt sich nur erhalten, wenn man ein ausreichendes finanzielles Auskommen hat?
Schwarz: Wir hoch verschuldeten Kommunen können unseren Bürgerinnen und Bürgern die wenigste Leistung anbieten, müssen auf der anderen Seite die höchsten Abgaben verlangen, etwa die Grundsteuer. Das führt zwangsläufig zu einem Auseinanderdriften der Lebensverhältnisse. Wir sind bei sozialen Problemen, bei Bildung und Integration die Lösungspartner vor Ort, werden aber letztendlich finanziell mit diesen Problemen allein gelassen. Das empfinden wir als würdelos.
Das Bündnis und Sie persönlich waren unter anderem auch beim Fastnachtsumzug in Düsseldorf mit einem Motivwagen präsent. Haben Sie die gewünschte Aufmerksamkeit bekommen?
Schwarz: Das ist angekommen. Wir hatten mit unserem Motivwagen, einem Esel, mit Altschulden und Soziallasten bepackt, eine überraschend starke Präsenz in den Medien. Und wir sind in Sackleinen gehüllt hinterhergelaufen. Ich glaube schon, dass wir das Thema adressieren konnten. Wir standen mit einer anderen Aktion mit einer kleinen Band vor den Parteizentralen von CDU und SPD in Berlin, nach dem Motto: Wer die Musik bestellt, der bezahlt auch.
Fastnachtszug und mit Band vor die Parteizentralen: Das hat schon was von Guerilla-Aktionen.
Schwarz: Genau. Jetzt ist es damit aber auch mal gut, sonst kriege ich den Vorwurf, dass ich nur noch Spaßfinanzdezernent bin und durch die Bundesrepublik reise, um mit schönen Aktionen bei gutem Wetter auf der Straße zu sein. Nein, es geht natürlich darum, gehört zu werden. Wir vertreten Millionen von Einwohnern, wir sind bundesland- und parteiübergreifend. In diesen Themen stehen wir uns alle sehr nahe, unabhängig welcher demokratischen Partei wir entspringen.
Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass die neue Regierung mehr Geld für die Kommunen übrig hat und möglicherweise in die Altschuldenregulierung einsteigt?
Schwarz: Wir sind unverbesserliche Optimisten. Und wir gehen immer noch davon aus, dass erkannt wird, dass politische Gestaltung vor Ort stattfindet und wir Hauptträger der Investitionstätigkeiten sind. Öffentliche Investitionen finden zu zwei Dritteln auf kommunaler Ebene statt. Irgendwann wird das ankommen. Auch die Wahlergebnisse in den Kommunen zeigen, wie der Verlust des Vertrauens in unsere Politik und die Demokratie schwindet, wenn man die Städte und Gemeinden finanziell im Stich lässt.
Macht es eigentlich noch Spaß, Finanzdezernent der Stadt Ludwigshafen zu sein?
Schwarz: Der Spaßfaktor ist relativ gering. Aber es ist eine tolle Aufgabe, Verantwortung für die zweitgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz und ihre Finanzen zu übernehmen, mit engagierten Mitarbeitern dafür zu kämpfen, dass es vorangeht. Wir versuchen jeden Tag, das Leben ein bisschen besser zu machen. Und wir geben nicht auf.
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