Energiekrise

BASF-Chef Martin Brudermüller gibt leichte Entwarnung für das Ludwigshafener Stammwerk

Muss der Dax-Konzern beim Ausrufen der Gasnotfallstufe vielleicht doch nicht das komplette Stammwerk herunterfahren? Der Vorstandsvorsitzende gibt sich zumindest etwas zuversichtlicher.

Von 
Bettina Eschbacher
Lesedauer: 
Die Acetylen-Anlage im Ludwigshafener BASF-Stammwerk gehört zu den Betrieben, die besonders viel Gas verbrauchen. Bild: BASF © Andreas Pohlmann

Am Aktienkurs der BASF lässt sich indirekt auch ablesen, wie viel Gas aus Russland nach Deutschland kommt. Am 14. Juli erreichte die Aktie einen ihrer Tiefpunkte der vergangenen Monate - durch die Pipeline Nord Stream 1 war kein Gas mehr geflossen. Seitdem erholte sich die Aktie etwas - Gazprom lieferte ja wieder mehr Gas - um erneut zu verlieren, nachdem die Menge wieder gedrosselt wurde. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat die BASF-Aktie übrigens rund ein Drittel an Wert verloren. Das ist doppelt so viel Wertverlust wie beim Dax - auch das liegt am Gas und der damit verbundenen Unsicherheit für den Chemiekonzern.

Da ist es klar, dass es auch bei der Telefonkonferenz mit Journalisten am Mittwoch vor allem um den fossilen Rohstoff geht. Und kein Wunder, dass Vorstandschef Martin Brudermüller erklärt, die Unsicherheit und Intransparenz habe weiter zugenommen. Die BASF braucht riesige Mengen an Erdgas: zur Strom- und Dampferzeugung und als kaum ersetzbaren Rohstoff. 2021 lag der Bedarf von BASF bei 48 Terawattstunden, davon entfallen allein 37 auf das Stammwerk in Ludwigshafen. Wird die Gasnotfallstufe ausgerufen und die Zuteilung für die Industrie begrenzt, trifft das die BASF also in besonderem Maße.

Bekommt der Chemiekonzern weniger als 50 Prozent an Gas geliefert, muss der Standort heruntergefahren werden. Das hatte BASF kurz nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs erklärt. Jetzt aber nimmt Brudermüller dieses Horrorszenario vom absoluten Stillstand im Stammwerk ein wenig zurück - und klingt ein bisschen zuversichtlicher.

Mehr zum Thema

Chemie

BASF baut neue Anlage in Ludwigshafen

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren

Mit reduzierter Last

Der Vorstandsvorsitzende rechnet damit, dass der Konzern auch bei der Ausrufung des Gasnotfalls genügend Gas erhält, um den Betrieb am Standort Ludwigshafen mit reduzierter Last aufrechtzuerhalten. „Ich gehe davon aus, dass wir es schaffen, nicht in die Abstellung zu kommen“, sagt Brudermüller. Er betont aber, dass es dafür keine Garantien gebe - Stichwort Unsicherheit. Zuversichtlich sei man auch für den ostdeutschen Standort Schwarzheide, wo der Strom- und Dampfbedarf durch Heizöl gedeckt werden könne.

Brudermüller geht davon aus, dass die Bundesnetzagentur, die im Notfall über die Zuteilung des Gases entscheidet, große Teile der BASF-Produktion als systemrelevant einstufen würde. 45 000 Verkaufsprodukte müssen dabei auf ihre Wichtigkeit für die Gesellschaft hin bewertet werden. Für die Netzagentur sei dieser komplexe Prozess „eine sehr undankbare Aufgabe“. Auch weil sie die Wertschöpfungsketten im Blick haben muss, etwa wie sich das Fehlen einer Chemikalie auf die Herstellung einer ganzen Reihe von Produkten auswirkt. Denn der Chemiekonzern liefert viele wichtige Ausgangsstoffe für andere Branchen und die Landwirtschaft.

Die BASF hat Brudermüller zufolge inzwischen einige Maßnahmen zur Risikominderung ergriffen. Das meiste Erdgas am Standort Ludwigshafen braucht es für die Herstellung von Ammoniak. Es wird zum Beispiel für die Düngemittelproduktion benötigt. Ammoniak lässt sich auch zukaufen, deshalb wurde die Produktion im Stammwerk bereits gedrosselt. Die externe Beschaffung spiele eine große Rolle „bei unseren Überlegungen zur Risikominderung im Falle einer größeren Einschränkung der Erdgasmengen“, erklärt Brudermüller. Die Ammoniak-Produktion würde also als Erstes heruntergefahren. Zweitgrößter Verbraucher in Ludwigshafen ist die Acetylenanlage, gefolgt von der Synthesegasproduktion. Auf die beiden Anlagen zusammen entfallen 25 Prozent des Erdgasbedarfs als Einsatzstoff. Wo es möglich ist, wird Heizöl durch Erdgas ersetzt, etwa in Teilen der Strom- und Dampferzeugung.

Weniger Investitionen

BASF ist Mitglied des Krisenstabs, der dem Bundeswirtschaftsministerium täglich Bericht erstatten muss. Aktuell haben laut Brudermüller alle europäischen Standort genug Gas zu Verfügung. Nur ist es sehr viel teurer geworden: Im Vergleich zu vor einem Jahr zahlt BASF 800 Millionen Euro mehr fürs Erdgas. „Um diese höheren Kosten abzufedern, haben wir Preiserhöhungen vorgenommen und werden dies auch weiterhin tun“, sagt Brudermüller. Da BASF die höheren Preise an die Kunden weitergeben kann, fallen die Zahlen des 2. Quartals besser aus erwartet.

Entsprechend hebt der Konzern die Prognose für das Gesamtjahr an. Der Umsatz soll auf 86 bis 89 Milliarden Euro steigen. Beim operativen Ergebnis peilt BASF nun mindestens 6,8 Milliarden bis 7,2 Euro an anstatt zuvor 6,6 Milliarden als Untergrenze. Für das zweite Halbjahr wird eine allmähliche wirtschaftliche Abkühlung weltweit erwartet. Darauf bereitet sich BASF mit Kostensenkungen vor: Statt 4,6 werden nun 4 Milliarden investiert, Projekte werden geschoben. Einen Einstellungsstopp gebe es nicht, aber man werde „dreimal hingucken“, ob eine Einstellung wirklich nöig sei.

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen