Aufenthaltsrecht

Ausländerbehörde Ludwigshafen ständig in der Kritik - was läuft schief?

Bundesweit stehen Ausländerbehörden unter Beschuss. In Ludwigshafen ist die Stadt um Erklärungen bemüht, doch Probleme gibt es viele. Für Familie Ünver war der gemeinsame Familienurlaub in Gefahr

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Julian Eistetter
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Schon am Eingang der Ausländerbehörde werden Kundinnen und Kunden darauf hingewiesen, dass sie nur mit Termin eingelassen werden. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Ausländerbehörden in ganz Deutschland sind am Limit. Medienberichte aus allen möglichen Städten befassen sich mit den Problemen dieser Ämter. Für eine breite Öffentlichkeit sorgte im Dezember 2022 auch Jan Böhmermann, als er in seinem ZDF Magazin Royale mit einem Adventskalender plakativ auf die Missstände in den Ausländerbehörden aufmerksam machte.

Auch in Ludwigshafen gibt es seit vielen Jahren immer wieder massive Kritik an der Leistungsfähigkeit der Einrichtung. Betroffene wie Sozialverbände bemängeln gleichermaßen schlechte Erreichbarkeit und schlichte Überforderung.

Perihan Ünver lebt mit ihrem Mann Sascha Ali und drei gemeinsamen Kindern im Ludwigshafener Stadtteil Pfingstweide. Auch sie sind aktuell Leidtragende der Zustände in der Behörde. Beinahe wäre der bereits gebuchte Familienurlaub in der Türkei Ende Mai ins Wasser gefallen, weil die Ausländerbehörde nicht richtig zu Potte kam.

Schon im Januar um Termin bemüht

Ünver ist türkische Staatsangehörige. Sie hat einen unbefristeten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Das aktuelle Dokument läuft jedoch am 31. Mai dieses Jahres ab. Mit dem Wissen um die Wartezeiten und mit dem geplanten Flug in die Türkei am 28. Mai im Rücken, bemühte sich Ünver bereits im Januar um einen Termin zur Verlängerung. Denn ohne einen gültigen Aufenthaltstitel könnte ihr die Rückreise nach dem Urlaub verwehrt werden.

„Die Behörde reagierte weder auf Anrufe noch auf Mailanfragen oder Terminbuchungen“, berichtet Sascha Ali Ünver im Gespräch mit dieser Redaktion. Nach zwei Wochen mit zahlreichen vergeblichen Anfragen habe sich seine Frau beim Standesamt Ludwigshafen beschwert. Von dort aus wurde die Sache ins Rollen gebracht und ein Termin für Anfang März vereinbart.

Am Tag des Termins wieder weggeschickt

Als Perihan Ünver am 9. März dann zur Ausländerbehörde ging, sei sie wieder nach Hause geschickt worden. Die Sachbearbeiterin war krank, ein neuer Termin erst Ende Mai möglich.

„Da meine Frau nicht ohne Aufenthaltstitel einreisen kann, konnten wir den Urlaub vergessen. Die Hoffnungen der Kinder auf schöne Ferien waren dahin“, berichtet Ünver. Das Vorgehen habe die Familie wütend und traurig zugleich gemacht. „Menschen, die keinen deutschen Pass haben, hier arbeiten und ihren Beitrag leisten wie meine Frau, die Tagesmutter ist, werden in ein System der Inkompetenz gezwungen“, ärgert sich Sascha Ali Ünver.

Die Ausländerbehörde ist im Hemshof-center untergebracht. © Christoph Blüthner

An der Einschätzung ändert auch die Tatsache nichts, dass die Ausländerbehörde der Familie inzwischen eine Lösung angeboten hat, wie eine Sprecherin auch auf Anfrage bestätigt. Demnach ist auf dem Aufenthaltstitel das Ablaufdatum des Nationalpasses vermerkt. Es sei rein technischer Natur. Der rechtmäßige Aufenthalt gelte weiter.

Lösung hinterlässt dennoch ungutes Gefühl

Allerdings könne es bei der Einreise dennoch zu Problemen kommen, da auf dem Titel auch die alte Passnummer vermerkt ist. „Es wurde ihr deshalb empfohlen, bei der Reise in die Türkei neben ihrer Niederlassungserlaubnis sowohl ihren alten als auch den neuen Nationalpass mitzunehmen. Zusätzlich kann sie noch die Bestellbestätigung für den unbefristeten Aufenthaltstitel mitnehmen, um zu dokumentieren, dass sie ihren Verpflichtungen nachgekommen ist“, so die Sprecherin. „Nach unseren Erfahrungen ist damit bei der Rückreise im Flugzeug aus der Türkei eine Wiedereinreise problemlos möglich.“

Die Familie wird den Vorschlag nun zwar beherzigen. Dennoch reist am 28. Mai auch ein ungutes Gefühl mit in die Türkei. „So ganz sicher kann man sich eben doch nicht sein“, sagen Perihan Ünver und ihr Mann zu der improvisierten Lösung. Ein unbeschwertes Urlaubsgefühl könne kaum aufkommen.

Derzeit acht Klagen wegen Untätigkeit anhängig

Der Fall der Familie Ünver zeigt, mit welchen Problemen die Ausländerbehörde zu kämpfen hat. Auch der Stadt selbst ist bewusst, dass nicht alles glatt läuft. Aktuell seien beispielsweise acht Untätigkeitsklagen von Betroffenen in der Abteilung Aufenthaltsrecht anhängig, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilt.

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Julian Eistetter
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Im Gespräch mit dieser Redaktion wollen der zuständige Dezernent Andreas Schwarz und der zuständige Bereichsleiter Matthias Fuchs aber für die Herausforderungen sensibilisieren, mit denen sich Ausländerbehörden konfrontiert sehen. Und sie wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schutz nehmen, die regelmäßig angefeindet werden. „Die Ausländerbehörde in Ludwigshafen steht massiv unter Beschuss. Die Mitarbeiter sind aber Leidtragende, nicht Schuldige“, betont Schwarz. Manche kritische Berichterstattung sei übers Ziel hinausgeschossen, so der Beigeordnete.

Bereichsleiter spricht von strukturellen Problemen

Laut Matthias Fuchs gibt es strukturelle Ursachen für die Probleme in den Ausländerbehörden. So müsse der Personalbedarf für das kommende Jahr immer bereits im September gemeldet werden. Bis die neuen Stellen dann genehmigt und besetzt sind, sei wiederum fast ein Jahr vergangen. „Derzeit kommen jeden Monat 150 Migranten zusätzlich nach Ludwigshafen, 1800 pro Jahr“, rechnet er vor. Da man jedoch mit prognostizierten Zuwächsen bei der Stellenplanung nicht argumentieren dürfe, hinke die Personalplanung den tatsächlichen Gegebenheiten immer hinterher.

Insgesamt sind bei der Ausländerbehörde 45,5 Stellen angesiedelt, von denen sieben nicht besetzt sind. Einen Engpass gebe es im Bereich Asylrückführungen. „Insgesamt sehen wir uns aber auf einem guten Weg“, sagt Fuchs. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 gab es in der Ausländerbehörde noch 29,5 Stellen.

Massiver Bearbeitungsstau durch Corona

Zu den generellen Personalproblemen seien in den vergangenen Jahren langfristige Krankheitsfälle hinzugekommen - teilweise bedingt durch die hohe Belastung. Corona und die erforderlichen Umstellungen sorgten für einen massiven Stau bei der Bearbeitung von Fällen. „Als Reaktion haben wir unsere Terminvergabezeit nun deutlich ausgeweitet“, erklärt der Bereichsleiter.

Weitere Stellenbesetzungen und Service-Umstellungen sollen für zusätzliche Entspannung der Lage sorgen. „Letztlich bleibt das große Nadelöhr aber immer die Kapazität der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter“, sagt Dezernent Schwarz.

So viele Ausländer leben in Ludwigshafen

Welch eine Bedeutung die Ausländerbehörde in Ludwigshafen hat, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Derzeit leben 55 165 ausländische Bürgerinnen und Bürger in der Chemiestadt - bei einer Gesamtbevölkerungszahl von rund 175 000. Auf einen Mitarbeiter kommen also statistisch 1212 Kunden. Besonders häufig in Kontakt mit der Ausländerbehörde kommen Nicht-EU-Bürger mit einem befristeten Aufenthaltstitel. Davon gibt es in Ludwigshafen 14 400. 1150 Menschen verfügen nur über eine Duldung, befinden sich in einem Asylverfahren oder halten sich illegal in der Stadt auf.

Durch äußere Einflussfaktoren wie den Krieg in der Ukraine oder das gewaltige Erdbeben in der Türkei werden künftig voraussichtlich eher noch mehr Menschen aus dem Ausland nach Ludwigshafen kommen. Auch neue Gesetze und Verordnungen steigern den Arbeitsaufwand in der Ausländerbehörde immer wieder. Ob die grundlegenden Probleme unter diesen Umständen in den Griff zu bekommen sind, bleibt abzuwarten.

Menschen wie Perihan Ünver und ihre Familie sind darauf angewiesen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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