Brandschutz

Aus Unglück 2016 gelernt: Was der neue BASF-Turbolöscher kann

Die BASF-Werkfeuerwehr hat einen weiterentwickelten Turbolöscher angeschafft. Bei dem neuen Modell sind Erfahrungen aus der Explosion von 2016 eingeflossen

Von 
Thomas Schrott
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8000 Liter Wasser pro Minute kann der Turbolöscher auf einen Brandherd schießen – hier demonstriert bei einer Übung am Mannheimer Großkraftwerk 2016. © Prosswitz

Ludwigshafen. Beim Chemieunfall im Mannheimer Hafen 2022 war sein Einsatz ebenso sehr wichtig wie beim Großbrand mit Mega-Rauchwolke 2013 in Ludwigshafen und bei der Explosion 2016 im BASF-Landeshafen. Wegen seiner Düsentriebwerke ist der Turbolöscher zwar extrem laut, aber auch sehr effektiv. Mit einer Reichweite von bis zu 150 Metern kann er 8000 Liter Wasser pro Minute auf den Brandherd schleudern - und dies stundenlang, denn nachgetankt wird bei laufendem Einsatz.

Vor 25 Jahren nahm der Chemiekonzern deutschlandweit den ersten Turbolöscher in Betrieb, ein zweiter folgte später. Ein drittes, technisch weiter verbessertes Fahrzeug soll Mitte 2024 kommen, kündigt Jörg Pfrang, Leiter Abwehrender Brandschutz bei der BASF, an.

BASF-Werkfeuerwehr

  • Die BASF-Werkfeuerwehr besteht seit 110 Jahren, die Feuerwache Süd seit 100 Jahren. Der Turbolöscher ist seit 25 Jahren im Einsatz. Diese Geburtstage feiert das Unternehmen in einer internen Feier am 4. August.
  • Die Feuerwehr mit rund 40 Fahrzeugen ist auf die drei Standorte Süd (neben Tor 2), Nord (nahe Tor 13) und Ost (Friesenheimer Insel) aufgeteilt. Sie hat 215 Mitarbeiter, davon 140 für die Brandbekämpfung. Weiterer Schwerpunkt ist die Beratung der Betriebe beim vorbeugenden Brandschutz. Die Ausbildung dauert fünfeinhalb Jahre.
  • 2022 gab es 35 Einsätze bei Bränden und 125 Einsätze wegen Produktfreisetzungen. Diese Zahlen haben sich laut Unternehmen in den vergangenen Jahren kaum verändert.

 

Neuer Turbolöscher der BASF mit wichtigen Veränderungen

Bei dem neuen Modell, das gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt wurde, seien Erfahrungen aus dem Unglück im Landeshafen berücksichtigt worden. Bei der Explosion von Rohrleitungen starben vier BASF-Feuerwehrleute. „Bislang können die Turbinen des Turbolöschers im Winkel von maximal 90 Grad eingesetzt werden, künftig sind es 360 Grad. Zudem kann das Löschwasser eine Höhe von bis zu 45 Metern erreichen“, verdeutlicht Pfrang zwei gravierende Unterschiede, die wertvolle Zeitersparnis bringen.

Effektiv ist das Spezialfahrzeug aus einem weiteren Grund: „Es gibt keinen direkten Wasserstrahl ab, der durch Hindernisse abgelenkt wird. Vielmehr sorgt der dichte Sprühnebel für eine breitere und tiefer wirkende Bekämpfung des Brandherds. Tragkonstruktionen können damit besser gekühlt werden, dass sie nicht zusammenfallen“, so der Leiter Abwehrender Brandschutz weiter.

Drohnen, Roboterfahrzeuge und VR-Brillen kommen zum Einsatz

Technisch ist die Werkfeuerwehr nach seinen Angaben gut aufgestellt. Seit Jahren greift sie auf vier Drohnen sowie Roboterfahrzeuge zurück, um sich gefahrloser ein Bild von Unglückssituationen und schwer zugänglichen Bereichen zu machen. Verwendet werden auch VR-/AR-Brillen, um beispielsweise das Umpumpen von Gefahrstoffen zu trainieren oder Fehler mit ausländischen Experten zu besprechen.

„Die BASF-Werkfeuerwehr war stets innovativ“, blickt Unternehmenshistorikerin Isabella Blank-Elsbree auf die 110-jährige Geschichte zurück. 1912 wurde eine „ständige berufsmäßige Fabrikfeuerwehr“ mit zwölf Mitarbeitern für das Werk Ludwigshafen und vier für das damals noch getrennte Werk Oppau eingerichtet. Seit 1896 gab es zwar schon einen Bereitschaftsdienst, der aber nur nebenberuflich tätig war. Die Notwendigkeit einer professionellen Feuerwehr wurde bald offensichtlich, weil die BASF mit dem Haber-Bosch-Verfahren in die Hochdruckchemie expandierte und immer wieder Versuchapparaturen explodierten.

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Feuerwache Süd 100 Jahre alt

Nach der verheerenden Explosion 1921 in Oppau mit 500 Toten richtete die Anilin einen 24-stündigen Bereitschaftsdienst ein, zu dem auch ein Chemiker als Produktexperte gehörte. 1923 wurde die Feuerwache Süd in Betrieb genommen. Löschfahrzeuge auf Schienen waren zu dieser Zeit keine Seltenheit, denn viele Betriebe waren über hochstehende Gleise und ansonsten unbefestigte Straßenzüge erreichbar. Gewaltige Kesselwagenexplosionen erschütterten 1943 mit 64 Toten und 1948 mit 206 Toten die Region.

Die Gefährlichkeit der verwendeten Produkte nahm indes weiter zu. Ab Mitte der 1960er Jahre stellte die Anilin bei den chemischen Ausgangsstoffen von Kohle auf Petrochemie mit Erdgas und Naphta um. „Damit gab es mehr entflammbare Stoffe“, so Blank-Elsbree. Folge: Nach weiteren Unglücken wurde 1976 der Landeshafen für Schiffe mit brennbarer Ladung eingerichtet.

Zwei Feuerwehrfahrzeuge vor der Feuerwache Süd der BASF, die 100 Jahre alt ist. © Thomas Schrott

Seit 1970er Jahren wurde der vorbeugende Brandschutz bei Neu- und Umbau von Produktionsbetrieben immer wichtiger. 1982 wurde mit BASF-Beteiligung das bundesweite Transport-Unfall-Informations- und Hilfeleistungssystem (TUIS) gegründet. Dabei beraten Experten der Werkfeuerwehr Behörden im In- und Ausland bei Unglücken. „Teilweise sind wir selbst vor Ort, wie beim Güterzugunfall 2022 auf der ICE-Strecke bei Gifhorn“, berichtet Gert Van Bortel, Leiter der BASF-Werksfeuerwehr.

Bald wird die erste Frau bei der Werkfeuerwehr der BASF ihre Ausbildung beenden

„Wir sind global tätig, eine Delegation aus Ludwigshafen hilft etwa beim Bau des neuen Standorts in China.“ Bei Krisen wie der Pandemie kommt ein Lenkungsausschuss mit Beteilung von Vorstand und Betriebsrat in Räumen der Feuerwache Süd zusammen. Dort ist auch die Abteilung zur Umweltüberwachung des weltweit größten zusammenhängenden Chemiewerks untergebracht. „Technisch sind wir weit voraus“, sieht Pfrang in diesem Bereich keinen Handlungsbedarf. Auch auf den Klimawandel werde das Unternehmen reagieren. Um den Einsatz der Rettungskräfte zu erleichtern, werde die Verwendung von Westen mit kühlendem Gel oder die Anschaffung von leichten Einweg-Schutzanzügen geprüft.

„Die größte Herausforderung für die Zukunft ist es, Fachkräfte zu gewinnen.“ Auch wenn die Feuerwehr noch keine Nachwuchssorgen drücken, sinkt die Zahl der Bewerber. Körperlich fit, handwerklich geschickt und bereit für einen Schichtdienst, das sind die wichtigsten Kriterien. Die reine Männerdominanz bei der Werkfeuerwehr dürfte indes bald Geschichte sein. Pfrang: „Im Frühjahr 2024 wird vermutlich die erste Frau ihre Ausbildung beenden.“

Redaktion MM-Redakteur seit 1984, zuständig für den Bereich Ludwigshafen - mit all seinen Facetten

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