Lampertheim. Sie haben sich in der Region einen Namen gemacht, gelten beide als Adresse der süßen Genüsse. Doch das ist nicht das einzige, was die Konditorei Schmerker und das Schokoladenhaus beziehungsweise die Eisdiele Oberfeld verbindet. Die beiden Institutionen für Leckereien wurden vor 100 Jahren in Lampertheim gegründet. Zufall oder Hinweis auf die Golden Twenties? Die kennt man als ausschweifendes Jahrzehnt vor allem aus den Metropolen – Berlin, Paris oder London. Aber gab es diese auch in der südhessischen Provinz?
„Zumindest herrschte auch hier 1925 wohl eine gewisse Aufbruchstimmung“, formuliert es Lampertheims Stadtarchivarin Caren Daramus vorsichtig. Düster dagegen war die Stimmung bis zur Währungsreform 1923. Denn die Inflation schien kaum zu bremsen. 1923 kostete ein Brot 675 Milliarden Mark. Der Lohn musste mit dem Koffer abgeholt werden und verlor – kaum ausgezahlt – direkt an Wert.
Arbeiter liefen bis Mannheim, Ludwigshafen und Worms
Ständig musste Geld nachgedruckt werden. „In dieser Lage haben das die Kommunen selbst gemacht“, erklärt Daramus. Das Lampertheimer Notgeld war somit nur in Lampertheim gültiges Zahlungsmittel. Die Verwaltung haftete für dessen Gültigkeit. Adam Knecht, der in dieser Zeit als Beigeordneter die Bürgermeistergeschäfte versah, musste die Druckvorlagen unterschreiben.
Obwohl in Lampertheim schon Spargel angebaut wurde, für den der Ort damals auch bereits bekannt war, arbeiteten nur sechs Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. 75 Prozent waren dagegen als Arbeiter in der Industrie beschäftigt. „Sie schätzten, dass die Jobs in den Fabriken unabhängig vom Wetter waren. Diese schienen ihnen beständiger als die Arbeit auf den Feldern, auf denen es im Sommer was zu tun und Geld zu verdienen gab, im Winter jedoch nichts oder zumindest wenig.“ Deshalb nahmen die Menschen lange Wege bis zu den Industriewerken in Kauf, liefen zumeist zu Fuß nach Mannheim, Ludwigshafen oder Worms.
Indessen zählte Lampertheim auch elf Prozent Beamte und Angestellte sowie neun Prozent Selbstständige. „Mit der Währungsreform stieg schließlich der Unternehmergeist in der Bevölkerung. Die Familien Schmerker und Oberfeld sind da gute Beispiele“, sagt Carmen Daramus. „Es herrschte eine gewisse Euphorie. Man glaubte an eine Art von Sicherheit – und, dass es aufwärts geht.“
1927 haben 210 Lampertheimer Haushalte schon Telefon
Als Anzeichen für die „Scheinblüte“ kann die Wasserleitung gesehen werden, die Lampertheim 1927 bekam. Im selben Jahr hatten 210 Haushalte zudem schon ein Telefon. Es gab viele Kneipen, in denen sich die Leute nach getaner Arbeit ein Bier leisteten und ein reiches Vereinsleben mit vielen Festen, zu Jubiläen gab’s sogar Umzüge.
Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit vor Ort von 12 Prozent 1926 auf 30 Prozent 1930. Dazwischen liegt der Börsencrash von 1929, der den Beginn der Weltwirtschaftskrise markiert. Die Goldenen Zwanziger waren damit in Lampertheim – wie überall – dahin und hier nicht ganz so glamourös wie in den Metropolen gewesen. Die beiden Kultstätten der süßen Genüsse aber blieben. Bis heute.
Die Oberfelds in Lampertheim produzieren seit 100 Jahren Eis
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