Lampertheim. „Nicht einfach“ werde die künftige Tätigkeit. Vieles von dem, was man im Umgang mit Betroffenen erfahre, werde man nicht „zuhause ablegen“ können. Mit ehrlichen und dennoch ermunternden Worten wurde Nikita Girard in ihre neue Funktion beim Awo-Kreisverband Bergstraße eingeführt. Als Leiterin des Fachbereichs Suchthilfe und Prävention Prisma hat die 36-Jährige zum 1. Oktober die Nachfolge von Adrian Steier-Bertz angetreten. Fünf Jahre war der Suchtberater im Amt.
„Möglichst vielen, die ganz unten sind, wieder eine Perspektive zu geben“, das wünschte Heinz Klee der neuen Führungskraft. Der Kreisbeigeordnete kam in Vertretung für Landrat Christian Engelhardt zur offiziellen „Staffelübergabe“. Dass mit Nikita Girard keine Unbekannte übernimmt, erklärte der Lampertheimer Bürgermeister Gottfried Störmer: Zu verschiedenen Gelegenheiten habe man die engagierte Sozialarbeiterin bereits kennengelernt, die ihren Master an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen erworben hat. Als angehende systemische Therapeutin gilt die Leidenschaft der Fachbereichsleiterin dem Thema Konsum und Abhängigkeit.
Die AWO Suchthilfe im Überblick
- Die Awo Suchthilfe und Prävention Prisma ist ein Fachbereich des Kreisverbands Bergstraße der Arbeiterwohlfahrt. Das Angebot besteht seit 1985.
- Die Leistungen in den Hauptberatungsstellen Lampertheim und Bensheim sowie in der Nebenstelle Viernheim umfassen die Beratung von Betroffenen und Angehörigen, ambulant betreutes Wohnen, Maßnahmen der Suchtprävention und weitere zielgruppenorientierte Angebote.
- Pro Standort ist ein hauptamtlicher Berater angestellt.
- Die Arbeit des Fachbereichs Awo Suchthilfe und Prävention PRISMA refinanziert sich vor allem durch Fördermittel des Kreises Bergstraße, des Landes Hessen und durch Zuwendungen der Kommunen des Kreises.
- Die Angebote von Prisma sind auch online zugänglich: www.awo-bergstrasse.de. Telefonischer Kontakt ist möglich unter 06206/96 94 00.
Kümmern um Kinder aus suchtbelasteten Familien
Nachdrücklich engagiert sich Girard, die ihr Amt am gleichen Tag antrat wie Awo-Geschäftsführerin Michaela Rueß, für „all die Menschen, die nicht für sich selbst sprechen können“. Sich um Kinder aus suchtbelasteten Familien zu kümmern, sieht sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
„Sucht betrifft uns alle“, unterstrich die Sozialpädagogin und legte den Finger in eine Wunde: „Mehr Unterstützung“ sei dringend erforderlich, auch in Zeiten von Haushaltsengpässen. Lediglich eine 70-Prozent-Stelle ist der Lampertheimer Suchtprävention derzeit zugewiesen. Daher könne Funktionsinhaberin Nicole Brosé zwar „vieles machen, vieles aber auch nicht“.
73 Schulen im Kreis hätten Bedarf an Beratung. Sie alle zu versorgen, sei herausfordernd, gerade mit Blick auf die Teil-Legalisierung von Cannabis. Jeweils ein hauptamtlicher Mitarbeiter ist in den Suchtberatungsstellen in Lampertheim, Bensheim und Viernheim tätig. Zum Fachbereich gehören außerdem die Abteilungen für ambulant begleitetes Wohnen und Prävention. Im gesamten Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt sind 150 Haupt- und Ehrenamtliche aktiv.
Adrian Steier-Bertz bleibt Lampertheim treu
Was trotz Sparzwang in Lampertheim erreicht wurde, betonte Gottfried Störmer: „Adrian Steier-Bertz hat das Niveau von Prisma stets hochgehalten“, würdigte der Rathauschef den bisherigen Leiter, der dem Team als Kollege in der Suchtberatung erhalten bleibt. Eine Vielzahl an Projekten und Initiativen habe der Diplom-Sozialarbeiter und systemische Coach angestoßen. Auch erlebnispädagogische Elemente hat Steier-Bertz eingebracht, etwa die Nutzung des Hochseilgartens. Zwischen Stadt und Suchtprävention habe sich eine gute Zusammenarbeit etabliert, die fortgesetzt werde, resümierte Störmer.
Viel Positives sieht auch Heinz Klee: „Immer präsent gewesen“ sei Adrian Steier-Bertz, der auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Suchtprävention zurückblickt. Der Bedarf an Beratung sei indes steigend - „zwar nicht auf hohem Niveau, doch kontinuierlich“. Nach wie vor ist Alkohol „Volksdroge Nummer Eins“. In 130 Fällen war im Jahr 2023 Alkohol die Hauptsubstanz im Beratungsgespräch. Opiate und Cannabis folgen mit 80 und 75 Nennungen im Jahresbericht.
Vier-Augen-Gespräche haben hohen Stellenwert
Trotz aller technischen Möglichkeiten werde noch immer der direkte Kontakt zur Beratungsstelle gesucht. Schweigepflicht und das Vier-Augen-Gespräch sind die grundlegenden Instrumente zur Entwicklung von Vertrauen und Motivation. Von 535 hilfesuchenden Menschen haben im Vorjahr 261 den Weg aus eigenem Antrieb zu Prisma gefunden. 100 Personen wurden aus Gesundheitsdiensten, 57 aus Verwaltung, Justiz und Jugendhilfe zur Suchtberatung vermittelt. Von den selbst Betroffenen waren 75 Prozent männlich, von den Angehörigen lediglich ein Fünftel.
Zwei Themen gewinnen nach Erkenntnis der Suchtberater an Bedeutung: „Medien- und Glücksspielsucht nehmen zu“, weiß Adrian Steier-Bertz. Online-Wettangebote verschärften die Problematik. Dass auch Lehrer betroffen sein können, erzählte Heinz Klee. Als ehemaliger Schulleiter seien ihm Fälle aus Viernheim bekannt. Schon damals habe Prisma wertvolle Arbeit an den Schulen geleistet. Und auch die Kommunikation spielt eine Rolle: Auf die Suchtgefahren hinzuweisen und sie zu bekämpfen, wird laut Awo zunehmend schwierig.
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