Lampertheim. Wer die Reitanlage zum Schießhof besucht, kann nicht nur Pferde beobachten. Auch die filigranen Flugmanöver zahlreicher Schwalben sind ein Blickfang. „Wir gehen davon aus, dass etwa hundert dieser Vögel auf unserer Anlage nisten“, sagt Meike Christmann. Sie führt gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Anja den Familienbetrieb, der seit drei Generationen besteht. Wie sie sagt, bevölkern Schwalben schon von jeher die Stallungen, in denen in der Regel etwa 40 Pferde unterkommen. „Wir versuchen, den Vögeln möglichst gute Bedingungen zu schaffen“, fügt sie hinzu.
Das Engagement wurde nun belohnt. Vor wenigen Tagen erhielt das Anwesen der Familie Christmann vom Naturschutzbund (Nabu) die Auszeichnung „Schwalbenfreundliches Haus“. Mit der Plakette wirbt die Organisation dafür, dass Bauernhöfe oder ähnliche Anwesen den bedrohten Schwalben ausreichend Plätze zum Nisten bieten.
Ausreichend Insekten für etwa 100 Rauchschwalben
Den Angaben zufolge nehmen die Bestände von Mehl- und Rauchschwalben seit Jahren ab. Gründe seien unter anderem weniger Misthaufen, mehr Asphalt und damit schwindende Insektenvorräte. Wie Gabriela Pietraß vom Nabu bei der Verleihung der Plakette im Lampertheimer Norden hervorhebt, kommt es den Vögeln umso mehr zugute, wenn Pferde oder auch andere Tiere eine Vielzahl von Insekten anlocken.
Wie Anja Christmann hinzufügt, ist das auch auf der Reitanlage zum Schießhof der Fall: „Bei uns gibt es so viele Insekten, dass die Schwalben ausreichend Futter haben.“ Bei den Vögeln, die munter im Pferdestall herumschwirren, handelt es sich um Rauchschwalben, wie Gabriela Pietraß sagt. Die Vögel haben eine braunrote Kehle und Stirn und lange, tief gegabelte Schwänze. Ihre Bezeichnung haben sie von ihrem früheren häufigen Nestbau an offenen Kaminen und Rauchfängen.
Immer weniger Insekten bedeuten immer weniger Nahrung
Heute nehmen Rauchschwalben künstliche Nester an Balken und Wänden in Ställen, Scheunen und anderen Gebäuden an – wenn es Öffnungen zum Ein- und Ausflug gibt, wie beispielsweise im Pferdestall der Lampertheimer Reitanlage. Ein gutes Zeichen in einer Zeit, in der die Zahl der Vögel laut Nabu langsam sinkt, weil eben immer weniger Insekten als Nahrung dienen und Nistmöglichkeiten an modernen glatten und geschlossenen Fassaden fehlen.
Außerdem würden beispielsweise aufgrund der Asphaltierung von Feldwegen die wichtigen Pfützen fehlen, die den Tieren üblicherweise den Lehm für den Nestbau liefern. Auch auf solche Details achten die Betreiber des Lampertheimer Anwesens. Wie Meike Christman sagt, spritzt sie regelmäßig mit einem Schlauch Wasser vor einen der Stalleingänge. Die Pfütze wiederum liefert den Matsch, den die Tiere als Baumaterial für ihren Nestbau benötigen.
Die Reise im Frühjahr aus ihren Winterquartieren in Afrika zurück nach Mitteleuropa ist für die Zugvögel kräftezehrend. Als Lebensraum bevorzugen sie ländliche Gegenden mit offenen Scheunen, Ställen und verwinkelten Gebäudeteilen. Naheliegende Gewässer brauchen sie zum Jagen von Insekten, Schlamm, um ihre Nester bauen zu können.
Schwalbennester sind gesetzlich geschützt
Die Schwalben kehren Anfang März aus ihren Winterquartieren in Afrika zur Brut und Jungenaufzucht zurück. Nabu und Bauernverbände bitten regelmäßig darum, die Nester nicht zu entfernen. Hygieneprobleme entstünden in Ställen entgegen gängiger Vorurteile durch die Vögel nicht. Kot und Reste von Nistmaterial der Schwalben an Fassaden und auf dem Boden sorgen oftmals dafür, dass sich Menschen von den Nestern gestört fühlen und diese daher mutwillig zerstören.
Doch Schwalbennester sind gesetzlich geschützt. So dürfen die von den Tieren mühsam gebauten Nester nicht ohne behördliche Genehmigung entfernt werden. Umgekehrt kann sich, wer den kleinen Flugkünstlern an einem „schwalbenfreundlichen Haus“ eine Unterkunft bietet, beim Nabu eine Plakette für seine Fassade besorgen. „Die Reitanlage hat das mehr als verdient“, sagt Tamara Gertel, die ihr Pferd auf dem Hofgut der Familie Christmann eingestellt hat. Sie selbst hat schon einmal eine junge Schwalbe aufgezogen, die sie nach eigenen Angaben im Stall gefunden hatte.
Angesichts immer weniger Nistmöglichkeiten rufen Naturschützer zum Anbringen künstlicher Nester für die auch nach Hessen zurückkehrenden Zugvögel auf. Solche künstlichen Nester nehmen Schwalben dem Naturschutzverband zufolge gerne an, vorausgesetzt die bräunliche Farbe wirkt wie echter Lehm, gibt Nabu-Beauftragte Gabriela Pietraß zu bedenken. Schwalben sind Kulturfolger. Einst galten die Sommervögel als Boten des Glücks, die das Haus vor Feuer und das Vieh vor Krankheiten bewahrten. Heute brüten laut Nabu noch etwa 40.000 Rauch- und 50.0000 Mehlschwalben-Paare in Hessen.
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