Personennahverkehr - Pläne aus dem Landratsamt sorgen für Aufregung im Lampertheimer Fahrgastbeirat

Kreis will Buslinie 602 einstellen

Von 
Kevin Schollmaier
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Der Kreis möchte die Buslinie 602, mit der Kinder und Jugendliche aus Hüttenfeld (unser Bild) und Neuschloß ins Lampertheimer Schulzentrum-West und zurück fahren, einstellen. Diese Idee stößt in der Spargelstadt auf großen Widerstand. © Berno Nix

Lampertheim/Hüttenfeld. Eine regelmäßige Anbindung in die Kreisstadt, langfristig ein Ruftaxi nach Lorsch und die Wiedereinführung der Buslinie nach Sandhofen: Der neue Nahverkehrsplan klingt vielversprechend für die Spargelstadt und scheint auf den ersten Blick ein großer Coup des neu gegründeten Lampertheimer Fahrgastbeirats. Insbesondere Hüttenfeld sollte mit der Verbindung nach Heppenheim zur „Drehscheibe“ aufgewertet werden. Nun geht allerdings aus internen Verhandlungen zwischen der städtischen Verkehr- und Tourismusgesellschaft (VTL) und dem Kreis ein völlig anderes Bild hervor: Für die neue Linie will die Heppenheimer Behörde ausgerechnet die bestehende Stadtlinie 602 zwischen Hüttenfeld und Lampertheim gänzlich kappen. Massive Kritik kommt sowohl vom Fahrgastbeirat, von der VTL sowie aus den kommunalen Gremien.

„Wir denken nicht im Schlaf daran, die Linie 602 aufzugeben“, stellt Karl Heinz Berg klar. Der Hüttenfelder Ortsvorsteher ist auch Mitglied im Aufsichtsrat der VTL, die mit dem Kreis verhandelt. Auch Fahrgastbeirats-Vorsitzende Lara Strubel sagt zu dem Vorhaben: „Auf gar keinen Fall, das ist keine Option. Der Fahrgastbeirat steht weiter zu dieser Linie, wir haben jahrelang für ihren Erhalt gekämpft. Sie jetzt zu streichen – dafür sind wir überhaupt nicht zu haben.“ Strubel, die mit Bürgermeister und VTL-Aufsichtsratsvorsitzendem Gottfried Störmer und VTL-Geschäftsführer Bernd Isenhardt am Verhandlungstisch sitzt, sagt, sie sei von diesem Vorstoß genau wie alle anderen Beteiligten überrascht gewesen. Das sei weder Teil der Vorgespräche gewesen noch entspreche es den Lampertheimer Vorstellungen eines verbesserten Angebots.

Immenser Eingriff in den Fahrplan

Das, was sich zunächst so beiläufig anhört – die Stadtbuslinie 602 streichen, weil sich durch die neue Linie nach Heppenheim ein Parallelverkehr auf der Strecke zwischen Lampertheim und Hüttenfeld ergibt – stellt tatsächlich einen immensen Eingriff in den bestehenden Fahrplan dar und gleicht einer Mogelpackung. Zum Hintergrund: Bisher verkehrt der Bus 602 zwischen Hüttenfeld, Neuschloß und dem Schulzentrum-West. Die Linie 644 fährt parallel von Viernheim über die Stadtteile und Lampertheim nach Worms. Der Plan sieht vor, diese Regionalbuslinie aufzusplitten. Im Halbstundentakt würde je ein Bus als 644a von Hüttenfeld aus zum Heppenheimer Bahnhof, ein anderer zum Viernheimer Bahnhof fahren. Dafür würde die Linie 602 eingestellt. Das bedeutet im Klartext: Geht es nach dem Kreis, würde künftig kein Bus mehr Schüler aus Hüttenfeld oder Neuschloß direkt zum Schulzentrum-West bringen. Schüler müssten dann deutlich weitere Laufwege in Kauf nehmen und etwa an den rund 800 Meter entfernten und viel befahrenen Haltestellen Wormser Straße oder Alte Dampfmühle aussteigen. Auch die Haltestelle Ulmenweg in Neuschloß würde nicht mehr bedient.

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Obendrein sind die Fahrtzeiten der Linie 644 nicht an die Schulzeiten angepasst. Sollte dieser Vorschlag umgesetzt werden, würde dies nicht nur deutlich weniger Komfort für die Schüler bedeuten. Es würde auch den Schulstandort Lampertheim, in dem der Kreis bald Millionen für einen neuen Campus ausgeben will, schwächen. Denn die dortigen Schulen würden gerade für Hüttenfelder Eltern ihren Standortvorteil mit einer höheren Busfrequenz, einer direkten Anfahrt und besseren Taktung im Gegensatz zu Viernheim verlieren. Kein Wunder also, dass das Bekanntwerden der Verhandlungsdetails in der Fahrgastbeiratssitzung für eine aufgeheizte Debatte sorgte. Als es um die Frage ging, wann die im Nahverkehrsplan mit „kurzfristiger Umsetzung“ markierte neue Linie nach Heppenheim denn verwirklicht werde, ließ VTL-Geschäftsführer Bernd Isenhardt die Bombe platzen.

VTL-Geschäftsführer verärgert

Ohnehin scheinen dem Lampertheimer Nahverkehrs-Chef die Verhandlungen mit dem Kreis bisher nicht wirklich gefallen zu haben. Zu denen seien nicht alle Beteiligten – etwa die Firma Müller, welche die Stadtbuslinien bedient – eingeladen worden. „So wird das nicht gehen“, monierte Isenhardt. Denn die Pläne des Kreises würden nicht nur Nachteile für Schüler, sondern auch einen Eingriff in bestehende Verträge bedeuten. Bisher hält die VTL auf der Linie bis ans Heppenheimer Kreiskrankenhaus die Konzession, weil der Bus 602 per Anruf zu zwei festen Zeiten am Nachmittag bis dorthin bestellt werden kann. „Wie soll ich denn die vergebene Konzession bis zum Vertragsende vergüten?“, fragte Isenhardt, der sich über das „ultimative Angebot“ des Kreises ärgert.

Eigentlich kaum vorstellbar also, dass sich der Kreis mit dem Vorhaben durchsetzt. Strubel erinnerte daran, dass es sich um laufende Verhandlungen handle. Die Prüfung, ob die neue Buslinie 644a nicht einfach über das Schulzentrum fahren könne, hält sie zwar für eine „grundsätzlich gute“ Idee. Die scheint in der Praxis aber schwer umsetzbar, weil gleichzeitig auch eine für Pendler attraktive Taktung zum Bahnhof in Worms erhalten bleiben müsse. Eine Umsetzung ist also noch längst nicht beschlossen – und hinter verschlossenen Türen sollten auch mögliche Einsparungen geprüft werden.

Allerdings handelt es sich beim Vorstoß des Kreises offenbar nicht um ein bloßes Gedankenspiel, sondern um den fertigen Vorschlag. Für den Fahrgastbeirat besonders ärgerlich, weil davon in den Vorgesprächen nie die Rede gewesen sei. Auch der zuständige Verkehrsdezernent und aktuelle Landratskandidat Karsten Krug hatte mehrfach öffentlich seine Zustimmung für die neue Linie signalisiert. War damals die Rede von einer Verbesserung des Netzes, scheint das mit der Linienstreichung ad absurdum geführt.

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