Lampertheim. Nach Ansicht von Regionalleiter Piero Irrera läuft es für die Deutsche GigaNetz nicht schlecht in Lampertheim. Das Unternehmen will die Stadt gemeinsam mit dem regionalen Energieversorger GGEW flächendeckend mit einem Glasfasernetz ausstatten und wirbt daher seit Wochen massiv um Kunden. Wie viele Verträge bisher abgeschlossen wurden, will das Unternehmen zunächst nicht mitteilen. Es sei zu früh, die Kampagne dauere noch mehr als zwei Monate. Dabei ist das eine entscheidende Frage. Denn wie Irrera bei der Vorstellung des Projekts im Mai betonte, wird eine Zusage von 40 Prozent der etwa 17 300 Haushalte bis September angestrebt. Nur dann rechne sich die nötige Investition von etwa 30 Millionen Euro.
Dass diese Zahl - etwa 7000 Haushalte - erreicht werden kann, war bisher eine optimistische, aber realistische Einschätzung. Dies, zumal Rathauschef Gottfried Störmer (parteilos) sowie die Stadtverwaltung die beiden Partner Deutsche GigaNetz und GGEW für das Projekt offensiv unterstützen.
Plötzlich Konkurrenz
Doch seit einigen Tagen ist klar, dass die Telekom gemeinsam mit ihrem Partnerunternehmen GlasfaserPlus einen Parallelausbau des Netzes vorantreibt. Nach eigenen Angaben will der Branchenführer Anschlüsse für fast 10 000 Haushalte in Lampertheim verlegen. Und zwar ohne eine Mindestzahl von Kunden, die vorab eine Zusage geben müssen. „Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für den Glasfaser-Ausbau bereits auf Hochtouren“, heißt es in einer Mitteilung von GlasfaserPlus.
Mit der Stadt war das Vorgehen nach Angaben des Bürgermeisters nicht konkret abgestimmt, die Telekom habe im September aber anklingen lassen, dass es Gedankenspiele für einen Teilausbau gebe. Störmer betont, dass die Telekom und ihre Partner auch jetzt kein flächendeckendes Glasfasernetz in der Stadt anbieten. Tatsächlich haben die Unternehmen nur einen Teil der Kernstadt im Blick. „Daher bieten die Deutsche GigaNetz und ihr regionaler Kooperationspartner, die GGEW, objektiv gesehen die bessere Option für die Stadt“, ist Störmer überzeugt. Deshalb habe man sich „bewusst und transparent“ für die Zusammenarbeit ausgesprochen.
Geht es nach dem Bürgermeister, werden in den kommenden Jahren zahlreiche Haushalte und Firmen mit schnellen und stabilen Glasfaseranschlüssen ausgestattet. Angebote verschiedener Anbieter - darunter auch der Telekom - habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Die Vorhaben seien entweder im Sande verlaufen, oder es sei kein flächendeckender Ausbau vorgesehen gewesen. Aber gerade ein Netz, das auch in den Stadtteilen für stabiles und schnelles Internet sorgt, könne allen Anwohnern und Unternehmen dienen.
„Strategisches Manöver“
Zwar setzt die Deutsche GigaNetz auf die Fläche. Aber trotz dieses Vorteils kann sich das Unternehmen nicht zurücklehnen. Durch die Konkurrenz von Telekom und GlasfaserPlus droht die Kalkulation nicht mehr aufzugehen. Kunden, die sich für deren Angebot entscheiden, könnten am Ende der Deutschen GigaNetz für die angestrebte Mindestzahl fehlen. Trotzdem hält das Unternehmen an seinen Plänen fest: „Wir wollen den Menschen noch stärker vermitteln, dass wir einen flächendeckenden Ausbau anstreben, was Lampertheim am Ende mehr Vorteile bringt als ein Teilausbau“, sagt Martina Wilde, die bei der Deutschen GigaNetz für Marketing zuständig ist.
Dass die Telekom ausgerechnet in Lampertheim aktiv wird, während sich dort ein Konkurrent mit viel Aufwand engagiert, sei kein Zufall, sondern ein „strategisches Manöver“, sagt Wilde. In ähnlichen Fällen habe ein solches Vorgehen der Telekom dafür gesorgt, dass sich konkurrierende Unternehmen am Ende zurückziehen mussten, so dass der flächendeckende Ausbau nicht zustande kam. Tatsächlich gibt es Kommunen, die kritisieren, die Telekom - die erst spät in das lukrative Glasfaser-Geschäft eingestiegen ist - habe entsprechende Pläne durchkreuzt.
In einer aktuellen Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen gaben 41 von 66 städtischen Firmen an, dass es einen „Überbau“ in Sachen Glasfasernetz bei ihnen gebe oder dass sich dieser abzeichne. Mit Überbau ist gemeint, dass beim Internet-Ausbau auch dort Glasfaser verlegt wird, wo es bereits andere Glasfaserleitungen gibt oder geplant sind. Zwar setzen mehrere Firmen auf Überbau, um im Markt Fuß zu fassen. Der Ärger der Kommunen und ihrer Stadtwerke gelte aber vor allem der Telekom, die hier eine Vorreiterrolle einnehme.
Ein Beispiel dafür ist Taunusstein. Ähnlich wie Lampertheim wollte auch die Stadt im Rheingau-Taunus-Kreis mit ihrem Kooperationspartner GVG Glasfaser ein Breitbandnetz für alle Stadtteile in die Tat umsetzen. Nachdem aber die Telekom ihrerseits einen Parallelausbau in einzelnen Bezirken vorangetrieben hatte, musste der flächendeckende Ausbau beerdigt werden. Die Kalkulation der GVG ging nicht mehr auf.
Ländliche Region im Nachteil?
„Statt schnell ganz Deutschland flächendeckend an das Hochgeschwindigkeitsnetz anzuschließen, gibt es durch diese Strategie de facto einen Ausbaustopp für ländliche Regionen“, wird dazu der frühere Bürgermeister der Stadt und jetzige Landrat, Sandro Zehner (CDU), in einer Mitteilung zitiert. Dass diese Strategie eher schade als helfe, weist man beim Telekom-Partner GlasfaserPlus zurück. „Wir planen unsere Ausbau-Gebiete sehr sorgfältig und langfristig“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Man erlebe häufiger, dass Unternehmen ihre Vorvermarktungsziele nicht erreichen und sich dann trotz Ausbauankündigung zurückziehen. „Da die Planung solcher Projekte viele Monate Vorlauf benötigt, können wir sie nicht davon abhängig machen, ob andere Unternehmen ihre Ausbauankündigungen wahr machen oder nicht“, heißt es.
Jedoch geht auch der Bundesverband Breitbandkommunikation die Telekom hart an: „Die vielen, offenbar rein verdrängungstaktisch motivierten Fälle in ganz Deutschland führen zu erheblicher Verunsicherung - nicht nur bei anderen Marktteilnehmern, sondern auch bei Kommunen, Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Gebieten“, heißt es in einer Mitteilung. Der meist nur punktuelle Doppelausbau „besonders lukrativer Ortsteile“ gefährde die Wirtschaftlichkeit geplanter, im Bau befindlicher oder bestehender Glasfasernetze anderer Netzbetreiber. Ein Sprecher sagt, man halte es für geboten, dass der Bund als Anteilseigner der Telekom sein Mitspracherecht nutzt, „um strategischen Überbau zu verhindern“.
Bis es soweit ist, dürften die Würfel in Lampertheim längst gefallen sein. Wie Piero Irrera von der Deutschen GigaNetz sagt, will das Unternehmen um die Kunden kämpfen: „Wir werden standhaft bleiben.“
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