Lampertheim/Mannheim. Hätte Tom Gärtner immer so gut geschlafen wie heute, wäre er vielleicht nie auf die Idee gekommen, mit Anfang 20 ein Unternehmen zu gründen. Schuld an seinem schlechten Schlaf sei die Hitze in der Dachgeschosswohnung gewesen, berichtet der 23-jährige. „Wenn man überhaupt einschläft“, scherzt der gebürtige Lampertheimer.
In der Hoffnung, neue Bettwäsche würde sein Schlafproblem lösen, machte er sich auf die Suche –doch die meisten Modelle seien für ihn als Studenten damals zu teuer gewesen oder nicht nachhaltig genug. Ähnlich erging es Gärtners Schulfreund vom Lampertheimer Lessing-Gymnasium, Matthias Kühr. „Wir haben dann einfach so rumgesponnen und ein bisschen recherchiert. Schließlich sind wir bei Eukalyptus gelandet“, erzählt Gärtner.
Das aus dem Eukalyptus gewonnene Lyocell gilt als nachhaltige Naturfaser und damit als Alternative zu Baumwolle. Der Zellstoff des Eukalyptus wird dafür aufgelöst und zu Fasern gesponnen. Aus dem Material können sowohl feste Stoffe wie Jeans oder Jacken produziert werden, aber auch weiche Oberflächen, so dass man den Stoff auch für Unterwäsche oder eben Bettwäsche verwenden kann. Und weil sie ihn so gemütlich fanden, leiteten die Gründer vom skandinavischen Begriff „hygge“, der für eine behagliche Gemütlichkeit steht, das hig in hig & chic ab.
Weniger Wasser und Chemie
Der Wunsch, endlich besser zu schlafen, und die Lust, ihr Wissen aus dem BWL-Studium anzuwenden, motivierten die beiden Gründer schließlich, gemeinsam den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Unterstützt von Kührs Mutter, einer leidenschaftlichen Hobbynäherin, entwickelten die gebürtigen Lampertheimer die Bettwäsche. Die offizielle Gründung erfolgte schließlich am 1. April 2019. Das nötige Kapital für den Aufbau ihres Shops haben die jungen Wahl-Mannheimer Ende 2019 über Crowdfunding gesammelt.
Gärtner und Kühr verkaufen ihre Bettwäsche derzeit ausschließlich über ihren Onlineshop. Doch wie macht man die Menschen auf sich aufmerksam unter Millionen anderer Angebote? Unter anderem mit Social Media, allein auf Facebook folgen dem Start-up 4700 Menschen.
„Wir wollen Bettwäsche aus dem verstaubten Image rausholen und posten deshalb viel“, erklärt Tom Gärtner. Unter anderem Bilder von einem Fotoshooting in der Mannheimer Neckarstadt – dort allerdings nicht mit Bettwäsche, sondern mit Alltagsmasken.
Für die Gründer war ein Punkt beim Start ihres Business entscheidend: „Nachhaltigkeit ist für unsere Generation und auch für uns persönlich sehr wichtig. Dazu gehört auch der bewusste und ressourcenschonende Konsum“, beschreibt Gärtner die Philiosophie hinter hig & chic.
Denn der größte Vorteil von Eukalyptus liegt in der Unkompliziertheit der Pflanze: Diese brauche nur einen Bruchteil des Wassers und der Chemikalien, die für die Produktion von Baumwolle benötigt wird. Produziert werde die Bettwäsche des jungen Unternehmens in Portugal, die Eukalyptusbäume stehen in Österreich.
„Wir wollten die Transportwege kurz halten, deswegen haben wir die Produktion von Israel nach Portugal verlegt“, erklärt Gärtner. Doch trotz der Vorteile ist der Lyocell-Stoff noch eine Seltenheit und wird in deutlich geringeren Mengen produziert als andere Stoffe. Das hat Folgen für den Preis: Die Bettwäsche startet bei mehr als hundert Euro.
Treue zur Region
Perspektivisch wollen die Gründer hig & chic weiter ausbauen, Bademäntel, Schlafanzüge und Bettlaken stehen ganz oben auf dem Zettel. Treu bleiben wollen die beiden auch weiterhin der Region: „Gerade für Start-ups im Textilbereich bietet Mannheim eine gute Infrastruktur“. Wohl auch deswegen ist das Team inzwischen auf sechs Personen gewachsen, die sich um die Produktionskette, Marketing, Vertrieb und den klimaneutralen Versand kümmern.
Ein riesiger Erfolg für den 23-jährigen Gärtner und seinen 22-jährigen Co-Geschäftsführer Kühr. Aktuell beziehen sie ihr Büro. Und vor allem: Tom Gärtner kann wieder richtig gut schlafen.
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