Neuschloß. Auf schnurgerader Strecke werden die ICEs auf der Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim vermutlich ab den 2030er Jahren mit bis zu 300 Stundenkilometern zwischen Lorsch und Blumenau durch den Lampertheimer Wald an Neuschloß vorbeirasen.
Zum Glück aller Anwohner in dem Lampertheimer Stadtteil in etwa 17 Metern Tiefe. Im März hatte die Bahn mitgeteilt, dass sie die Züge in diesem etwa 16 Kilometer langen Abschnitt in einem bergmännisch zu bauenden Tunnel unter der Erde verschwinden lassen wird.
Bahn stellt Vorteile eines gebohrten Tunnels für ICE-Strecke heraus
Wie der Bau verlaufen wird und wie der aktuelle Stand der Planungen ist, erklärten am Donnerstagabend Jörg Ritzert und Lorenz Baumgartner von der Deutsche-Bahn-Tochter DB InfraGO bei einem Infoabend, zu dem der Ortsbeirat Neuschloß und die Bürgerinitiative Lampertheim (BILA) „Lebensraum vor ICE-Trasse“ eingeladen hatten. Gut 60 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um sich aus erster Hand zu informieren.
Nur selten gebe es eine derart gute, verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen Bahn und Bürgern, lobte Ritzert, Leiter Technik Frankfurt-Mannheim bei der DB InfraGO. „Wir haben in dem Prozess immer wieder gute Anregungen bekommen. Nun haben wir eine verträgliche beste Lösung im Rahmen des Machbaren gefunden“, befand er.
Vorteil eines gebohrten Tunnels sei, dass mit ihm auch der kürzeste, direkte Weg realisiert werden könnte. Während der Tunnel in offener Bauweise nur etwa fünf Meter tief ins Erdreich vergraben worden wäre, wird sich der Bohrer in einer Tiefe von mehr als 17 Metern durchs Erdreich fressen. Ein bergmännischer Tunnel brauche etwa die Menge Deckung über sich, die einem Durchmesser des Tunnels entspricht. Den Neuschlössern versprach Ritzert zwar nicht, dass „kein Baustellen-Lkw durch Ihren Ort fährt“. Doch die bergmännische Bauweise bedeute ganz klar weniger Eingriff in die Fläche und dadurch auch weniger Betroffenheit der Anrainer.
ICE-Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim: Baubeginn vermutlich nicht vor 2030
Ende 2025/Anfang 2026 will die Bahn mit allen Unterlagen in die zwei bis drei Jahre währende Planungsphase gehen, an die sich eine zweijährige Ausschreibungsphase anschließen wird. Noch seien nicht alle Gutachten und Informationen vorhanden. Deswegen sei es auch noch nicht möglich, alle Fragen im Detail zu beantworten. Doch Lorenz Baumgartner konnten den Anwesenden anschaulich zeigen, wo und wie der Tunnel gebaut werden soll.
Gebaut werden zwei voneinander unabhängige Röhren mit einem Durchmesser von etwa zehn Metern, in die jeweils ein Bahngleis samt aller nötigen Technik eingebaut wird. Zwischen den Röhren wird ein Abstand von ebenfalls etwa zehn Metern bestehen. Alle 500 Meter gibt es Verbindungsbauwerke, über die auch der Zugang in die jeweils andere Röhre möglich ist. Wichtig vor allem im Gefahrenfall, wenn Züge evakuiert werden und Rettungskräfte sie erreichen müssen.
Die Röhren werden so breit sein, dass Feuerwehr und Rettungsdienste mit ihren Fahrzeugen mögliche Unglücksstellen problemlos erreichen können. An den beiden Tunneleingängen (vor Einhausen und zwischen Schönau und Blumenau) werden die Züge von der freien Strecke über sogenannte Tröge in die Tiefe geführt. Hier werden jeweils 1500 Quadratmeter große Flächen als Rettungsplätze angelegt, auf denen sich die Einsatztrupps im Notfall sammeln können.
Wie Baumgartner erläuterte, werden die Tunnel über die natürliche Grundströmung belüftet. Da der gesamte, mit einem leichten Gefälle ausgestattete Tunnel im Bereich des Grundwassers verlaufen wird, sind an zwei Tiefpunkten Entwässerungsschächte und Pumpenhäuschen nötig - an der Kreisstraße 3 auf Lampertheimer Gemarkung und im Wald bei Lorsch. Des Weiteren sieht die Planung eine große Baustelleneinrichtungsfläche bei Einhausen vor. Schon jetzt stehe fest, dass mit zwei Bohrmaschinen gleichzeitig an beiden Röhren gearbeitet wird. Noch offen sei die Frage, ob mit vier Maschinen von beiden Portalen aus aufeinander zu gebohrt wird.
Lange Diskussion um Trassenverlauf der ICE-Neubaustrecke
Noch nicht abgeschlossen sind auch die Untersuchungen hinsichtlich der zu erwartenden Erschütterungen, die vom Fahrbetrieb im Tunnel ausgehen können. Hierzu würden Messungen an anderer Stelle der Riedbahn vorgenommen und damit Prognosen berechnet. Ihre Ergebnisse werden den Bau entsprechend beeinflussen, zum Beispiel hinsichtlich des Betonfundaments.
„Von diesem Abend haben wir jahrelang geträumt“, sagte Karl-Hans Geil, Mitgründer der BILA, und erinnerte an die vielen Jahre des Kampfes gegen die Zerschneidung des Waldes durch eine offene Trasse, wie sie anfangs angedacht war, oder durch einen Tunnel in offener Bauweise, wie er zwischenzeitlich geplant war.
Ulrich Guldner, Sprecher der BILA und ebenfalls von Anfang dabei, blickte noch einmal auf die vergangenen 20 Jahre zurück. 2004 hatte die Bahn in einem ersten Raumordnungsverfahren zwei erste Varianten für die Neubaustrecke vorgestellt: eine entlang der A 67 und der der A6, die andere entlang der A5 und der A6 bis zum Bahnhof Mannheim-Waldhof.
Dann brachte der Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Mark eine schnurgerade Diagonale zwischen Lorsch und Mannheim ins Spiel, die sogenannte Marksche C-Variante. Diese Trasse hätte den Lampertheimer Wald und auch die Felder im Südosten massiv zerschnitten, war aber für die Bahn wegen ihrer Geradlinigkeit interessant. Als die Bahn 2008 erste Untersuchungen für diese Streckenführung anstellte, regte sich Widerstand, und die BILA wurde gegründet. Seither diskutierte sie in vielen Beteiligungsforen über den bestmöglichen Verlauf der Strecke mit.
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