Sanierungsbedarf

Giftige „Altlasten“ im Alten Rathaus von Lampertheim

Ein Wasserschaden im Alten Rathaus von Lampertheim brachte es ans Licht: Chemikalien unter dem Parkettboden stellen eine Gefahr für die Gesundheit dar. Eine Sanierung jedoch kann sich die Stadt nicht leisten

Von 
Stephen Wolf
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Auf der Baustelle passiert aktuell nichts: So sieht es aktuell im Erdgeschoss des alten Gemäuers aus. © Berno Nix

Lampertheim. Wie sich bei Reparaturarbeiten herausgestellt hat, ist das Alte Rathaus in Lampertheim mit gefährlichen Chemikalien belastet. Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) teilte in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses mit, dass im Erdgeschoss ein erhöhter Wert an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) gemessen wurde. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für mehrere hundert chemische Einzelverbindungen. Die Substanzen können den menschlichen Organismus auf unterschiedliche Weise schädigen. Sie gelten teilweise als krebserregend.

Störmer zufolge gab es vor wenigen Wochen einen Wasserschaden in dem historischen Gebäude, nachdem ein Heizungsrohr geplatzt war. Daraufhin sei der Parkettboden im unteren Sitzungsraum beschädigt worden. Ein Gutachter habe festgestellt, dass dabei giftige Chemikalien freigesetzt worden sind.

Messungen ergaben, dass die Konzentration im Saal „weit über dem zulässigen Grenzwert“ liegt. Der Raum, der in der Vergangenheit regelmäßig für Empfänge oder Sitzungen genutzt wurde, muss nun bis zur Sanierung geschlossen bleiben.

Schadstoffe seit Jahrzehnten im historischen Gemäuer vorhanden

Wie auch der Leiter des Fachbereichs Immobilien, Dietmar Lidke, auf Anfrage bestätigte, habe man aufgrund des Wasserschadens, also eher zufällig, herausgefunden, dass die gefährlichen Giftstoffe seit Jahrzehnten unter dem Boden des beschädigten Saals im Erdgeschoss vorhanden sind. Doch weshalb befinden sich solche gefährlichen Substanzen überhaupt in einem repräsentativen Raum, der bisher regelmäßig für Zusammenkünfte genutzt wurde? In früheren Jahren war es üblich, dass Parkettböden auf den Estrich gelegt wurden. „Mosaikparkett wurde bis Anfang der 1960er Jahre mit PAK-haltigem Material verklebt“, betont Lidke. Beim Verlegen von Holzpflaster in gewerblichen Räumen entsprach demnach beispielsweise der Einsatz steinkohlenteerhaltiger Klebstoffe noch längere Zeit dem Stand der Technik. „Diese Verbindung von Kleber und teerhaltigem Estrich kann zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen, wenn die Stoffe freigesetzt werden, was nun der Fall ist“, warnt der Leiter des Fachbereichs.

Was ist PAK?

  • Bei polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen handelt es sich um Hauptbestandteile von Teer und Teeröl, die etwa bei der Kokserzeugung aus Steinkohle anfallen. Solche Stoffe wurden früher zur Imprägnierung von Holz, beispielsweise von Eisenbahnschwellen, Strom- und Telegrafenmasten, sowie Dachpappe verwendet.
  • Ist der Schaden so gravierend, dass eine Sanierung erforderlich ist, gibt es verschiedene Wege, den Altlasten zu Leibe zu rücken. Dazu zählen etwa das Absaugen und Reinigen der Bodenluft, die Bodenwäsche, der Aushub von Abfällen und das Reinigen von verunreinigtem Grundwasser. Solche Sanierungen gelten als aufwendig und haben ihren Preis. wol

Nach Angaben von Experten besteht beispielsweise das Risiko, dass die Chemikalien in hoher Dosierung eingeatmet werden. Auch der Hautkontakt und das Verschlucken sorgen dafür, dass der Mensch Schadstoffe aufnimmt. Daher besteht dringender Handlungsbedarf.

Wenig Spielraum aufgrund der schlechten Haushaltslage

Der Raum ist abgesperrt und kann zurzeit nicht betreten werden, heißt es von der Stadt. Lidke geht davon aus, dass sich die Situation im Obergeschoss momentan weniger gefährlich darstellt. Zumindest solange der Boden dort nicht geöffnet wird, wie er im Haupt- und Finanzausschuss am vergangenen Mittwoch sagte. Klar ist aber, dass der Raum im Erdgeschoss des repräsentativen Hauses in der Stadtmitte dringend saniert werden muss. „Wie lange so etwas dauert, ist im Moment nicht abzuschätzen, der Sitzungssaal bleibt zunächst dauerhaft geschlossen“, heißt es von Dietmar Lidke.

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Mit anderen Worten: Wie es nun mit dem Alten Rathaus weitergeht, ist unklar. Aktuell hole man Angebote von Unternehmen ein, wie der Fachbereichsleiter mitteilte. „Ein Teil der Kosten wird über die Versicherung abgedeckt, der Austausch des gesamten Parketts und des Estrichs ist von Seiten der Stadt zu übernehmen“, fügt er hinzu. Dennoch kann die Stadt Lampertheim nicht ohne weiteres eine Sanierung in Auftrag geben. Das hatte Rathauschef Störmer bereits im Ausschuss bekräftigt. Zwar müsse der Raum ohnehin modernisiert werden, so wolle man etwa auch die elektrischen Leitungen erneuern. „Aber Sie kennen alle unsere Haushaltssituation. Es wird sehr schwierig, da etwas zu tun“, sagte Störmer.

Weil die finanzielle Lage der Stadt schwierig ist, gilt seit Oktober eine Haushaltssperre. Der für 2024 aufgestellte Etat kann nicht eingehalten werden und die Stadt ist zum Sparen gezwungen. Das bedeutet, dass man vertraglichen Verpflichtungen zwar nachkommt. Aber freiwillige Ausgaben stehen auf den Prüfstand. Das gilt bis der Haushalt 2025 im ersten Quartal verabschiedet ist. Was danach kommt, steht in den Sternen.

Redaktion

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