Lampertheim. Drei Wochen nachdem eine Frau im Lampertheimer Wald erstochen wurde, bewegt die Tat noch immer zahlreiche Menschen. Doch neben Trost und Anteilnahme begleiten auch Gerüchte den tragischen Fall. Während eine Mordkommission der südhessischen Kriminalpolizei Spuren auswertet und Hinweisen aus der Bevölkerung nachgeht, machen ständig neue Theorien und Vermutungen die Runde in der Stadt.
Getötete Lampertheimerin war Lehrerin in Ludwigshafen
Das ist vor allem für Angehörige eine Zumutung. Die 36 Jahre alte Frau lebte nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihrer Familie in der Stadt und war Grundschullehrerin in Ludwigshafen. Nach Informationen dieser Redaktion werden Angehörige beispielsweise auf offener Straße von Passanten direkt auf die Tat angesprochen und mit teilweise kruden Mutmaßungen konfrontiert. „Eine schreckliche Situation, die zum Rückzug aus der Öffentlichkeit führt“, berichtet ein Kommunalpolitiker aus Lampertheim.
Dabei hatten Polizei und Stadtverwaltung bereits kurz nachdem die Tat öffentlich wurde vor der Verbreitung unbelegter Vermutungen und Spekulationen gewarnt. Mit gutem Grund. „Es gibt viele Leute, die denken, dass sie sich äußern müssen“, sagt Polizeisprecherin Andrea Löb. Das sei zwar ein allgemeines Phänomen, das Kriminalfälle von jeher begleite. Das indes führe immer wieder dazu, dass unwahre Behauptungen grassieren, die etwa für Angehörige verletzend sein können. Gerade in Zeiten sozialer Netzwerke im Internet verbreiteten sich krude Theorien und Falschbehauptungen aber in Windeseile. „Das hat natürlich viele negative Seiten. Vor allem aber kann es die Ermittlungsarbeit behindern“, warnt Löb.
So drohe etwa die Gefahr, dass mögliche Zeugen stark beeinflusst werden. Die Behördensprecherin bittet daher, keine ungeprüften Behauptungen zu verbreiten. Das wiederum könne die Ermittlungen der Polizei negativ beeinflussen.
In Lampertheim getötete Frau: Fall bei "Aktenzeichen XY" zu sehen
Gerüchte, die beispielsweise in der vergangenen Woche besagten, es habe bereits eine Verhaftung gegeben, musste ein Sprecher der Darmstädter Staatsanwaltschaft deutlich als falsch zurückweisen. Weder gehen Polizei und Staatsanwaltschaft bislang von einer Beziehungstat aus, noch gibt es Hinweise auf eine Vergewaltigung, bevor die Frau umgebracht wurde. Mit Blick auf ein mögliches Motiv für die Bluttat stehen die Ermittler bisher vor einem Rätsel. Der Fall war in der vergangenen Woche Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“. Zahlreiche Hinweise gingen nach der Ausstrahlung ein.
Was bleibt, sind die Leiden der Angehörigen, die auf Gerüchte angesprochen werden. Die Polizeibeamtin appelliert daher an die Empathie der Menschen. „Für Familienmitglieder eines Opfers ist die Situation ohnehin schon schwierig, das sollte man sich klar machen.“Aus diesem Grund würden die Angehörigen der getöteten Frau auch von Kräften der Polizei betreut, die eigens im Bereich Opferschutz geschult sind.
Getötete Joggerin in Lampertheim
- Die Leiche der 36 Jahre alten Frau war am Vormittag des 16. September mit mehreren Stichverletzungen auf einem Waldweg in Lampertheim entdeckt worden. Die Polizei geht davon aus, dass die Joggerin dort getötet wurde.
- Wer einen Hinweis geben möchte, kann sich unter der Rufnummer 06151/96 95 31 11 bei der Mordkommission melden oder eine E-Mail schreiben an hinweis1609.ppsh@polizei.hessen.de.
„Nicht zuletzt kann es sich bei bestimmten Äußerungen im Internet auch um Straftatbestände handeln“, wie Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) betont. Zwar habe er selbst keine konkreten Fälle registriert, bei denen Familienmitglieder der getöteten Frau angegangen worden wären. Aber aus eigener Erfahrung wisse er selbst, zu welchen Aussagen sich manche Leute in den sozialen Netzwerken hinreißen lassen. „Es wäre daher schwer zu ertragen, wenn eine ohnehin angeschlagene Familie mit Gerüchten konfrontiert wird. Davor möchte ich deutlich warnen“.
Tatsächlich können Spekulationen auf Internetplattformen, beispielsweise auf der Seite „Hobby-Ermittler-Team“, verstörend sein. In diesem Portal, das laut Impressum von Schenefeld in Schleswig-Holstein aus betrieben wird, gibt es zahlreiche Beiträge zum Lampertheimer Fall. So werden im entsprechenden Forum diverse Theorien über ein mögliches Motiv ebenso diskutiert wie auch die eigene Betroffenheit thematisiert.
Getötete Joggerin: Spekulationen und Mutmaßungen können Angehörige verstören
Gleichwohl sind in solchen Internet-Foren auch Behauptungen zu lesen, für die es keine Anhaltspunkte gibt. So gibt es beispielsweise mindestens eine Verdächtigung gegen Menschen, die einen ausländischen Hintergrund haben. Auch fragte ein Teilnehmer unter dem Pseudonym „Gast 880“ am vergangenen Sonntag, ob „in diesem Waldstück immer noch ausländische Geheimdienste“ aktiv seien. Zahlreiche Teilnehmer arbeiten sich in solchen Foren an verschiedenen Theorien ab, plausibel oder nicht.
„All das kann verstörend sein und die Angehörigen belasten“, sagen Barbara Bierach und Edith Stier-Thompson von der Opferschutzorganisation Weisser Ring in Südhessen. Sie raten den Angehörigen daher, Abstand zu soziale Medien zu halten. Grundsätzlich sei es ohnehin ratsam, in so einer schwierigen Lebenssituation psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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