Porträt

Elisabeth Selbert: eine der Mütter des Grundgesetzes

Elisabeth Selbert heißt die Namensgeberin der Berufsschule des Kreises Bergstraße in Lampertheim. Doch wer war diese Frau?

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Helene Wessel (v.l., Zentrumspartei), Helene Weber (CDU), Friederike Nadig (SPD) und Elisabeth Selbert (SPD) gelten als Mütter der Verfassung. © dpa

Lampertheim. Das Berufliche Schulzentrum des Kreises Bergstraße hat sich 2010 nach der Kassler Juristin Elisabeth Selbert benannt. Diese gehörte dem Parlamentarischen Rat an, der vom 1. September 1948 bis zum 8. Mai 1949 die Verfassung für die neu zu gründende Bundesrepublik Deutschland erarbeitete. Elisabeth Selbert zählt daher zu den sogenannten Müttern des Grundgesetzes.

Doch der Reihe nach: Geboren wurde Selbert, die mit Mädchennamen Rohde hieß, am 22. September 1896 in Kassel. Nach der Volksschule besuchte das wissbegierige Mädchen die Realschule, die sie - wie damals üblich - als weibliche Abgängerin ohne Reifezeugnis verließ. Ein Abschlusszeugnis erhielten nur die männlichen Mitschüler. Keine schöne Erfahrung. Doch diese sollte die Hessin später unter anderem zu ihrem Kampf für mehr Frauenrechte und Gleichberechtigung veranlassen.

ARCHIV - Elisabeth Selbert im Jahr 1953. Die als "Mutter des Grundgesetzes" bezeichnete SPD-Politikerin sorgte als Mitglied im Parlamentarischen Rat für die Verankerung des Gleichberechtigungs-Grundsatzes. Elisabeth Selbert wurde am 22. September 1896 in Kassel geboren und starb am 9. Juni 1986. Foto dpa (zu lhe-Korr "Die Mutter des Grundgesetzes starb vor 25 Jahren" vom 08.06.2011) nur s/w +++ dpa-Bildfunk +++ © picture alliance / dpa

Weil die Eltern das Schulgeld für den Besuch eines Gymansiums nicht aufbringen konnten, lernte sie an der Gewerbe- und Handelsschule des Kasseler Frauenbildungsvereins weiter, arbeitete dann zunächst als Fremdsprachensekretärin und später beim Telegrafendienst der Post.

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1920 heiratete die junge Frau und trat wie ihr Mann Adam Selbert bei der SPD ein. Schnell war sie der Meinung, dass für die politische Arbeit mehr Wissen brauchte, holte ihr Abitur nach, studierte Rechts- und Staatswissenschaften und promovierte. 1934 wurde Elisabeth Selbert als Anwältin zugelassen und eröffnete eine eigene Kanzlei mit dem Schwerpunkt Familienrecht.

Eine von vier Frauen im Parlamentarischen Rat

Die Arbeit in der NS-Zeit war nicht einfach. Doch als politisch Unbelastete wurde die Juristin nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 zunächst in die Verfassungsberatende Landesversammlung für Groß-Hessen gewählt und 1948 schließlich in den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ausarbeiten sollte. Dort saß sie - neben Helene Wessel (Zentrumspartei), Helene Weber (CDU) und Friederike Nadig (SPD) - als eine von vier Frauen. Die 61 weiteren Mitglieder des Gremiums waren Männer.

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Im Parlamentarischen Rat setzte Selbert gegen - zunächst viele Widerstände - durch, dass der Gleichheitgrundsatz als unveräußerliches Grundrecht in der neuen Verfassung festgeschrieben wurde. Dort heißt es inzwischen in Artikel 3: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Elisabeth-Selbert-Schule in Lampertheim

  • Die Elisabeth-Selbert-Schule in Lampertheim besuchen derzeit rund 800 Schülerinnen und Schüler.
  • Sie werden von 65 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet.
  • Die Bildungseinrichtung ist eines von zwei Beruflichen Schulzentren für den gesamten Kreis Bergstraße.
  • Es gibt etliche Ausbildungszweige etwa im Bereich Sozialpädagogik, Mechatronik oder Wirtschaft und Verwaltung.

Die Verabschiedung des Grundgesetzes soll Elisabeth Selbert als die „Sternstunde ihres Lebens“ bezeichnet haben.

Danach war sie von 1946 bis 1958 Mitglied des Hessischen Landtags. Dort machte sie sich nicht nur für Frauenthemen stark, sondern auch für den sozialen Wohnungsbau oder für die Rechte psychisch kranker Menschen.

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Anna-Lena Stauder
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Ein Einzug in den Bundestag scheiterte unterdessen, ebenso die Nominierung zur ersten Richterin am Bundesverfassungsgericht. Nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Abgeordnete arbeitete Selbert wieder als Anwältin, befürwortete immer wieder eine abgeschlossenen Berufsausbildung für Frauen vor der Ehe und förderte junge Anwältinnen.

Elisabeth Selbert starb 1986. Zuvor erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen - unter anderen das große Bundesverdienstkreuz und die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen.

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