Das bereits in der Antike, aber auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit bedeutende Ladenburg verfügt selbstverständlich über eine umfangreiche Sammlung an historischem Schriftgut. Seit 14 Jahren hütet Oliver Gülck diese wertvollen Schätze der Stadtgeschichte hingebungsvoll und kompetent, wie Fachkollegen aus der Region in Gesprächen mit dieser Redaktion bestätigen. Doch befürchten historisch Interessierte, dass das „Gedächtnis“ der Stadt Schaden nehmen könnte, weil der auch beim Geschichtsverein Heimatbund überaus geschätzte Stadtarchivar Anfang September aufhört.
Wie diese Redaktion im April berichtete, hat Gülck nach 14-jähriger Tätigkeit bei der Stadt gekündigt. Durch den inzwischen bald abgeschlossenen Umbau seiner früheren Arbeitsräume, die zur Hälfte künftig der dringend benötigten Kinderbetreuung dienen, sowie die absehbare Verlagerung eines Teils seiner Arbeitszeit ins benachbarte Lobdengau-Museum sieht Gülck wesentliche Grundlagen seiner Tätigkeit geändert. Zu Recht, wie der Heimatbund-Ehrenvorsitzende Meinhard Georg findet: Der künftig vorgesehene Arbeitsplatz sei viel zu klein. Man müsse sagen: Gülck habe unter diesen Umständen keine andere Wahl gehabt als zu kündigen. Dabei habe er, Georg, der Stadt seine früheren Praxisräume in der Bahnhofstraße als Alternative angeboten, jedoch vergebens.
„Sehr komplexes Aufgabenfeld“
Herr Gülck, was sagen Sie dazu, dass die Vorstellungsgespräche zu Ihrer Nachfolge im Stadtarchiv im September beginnen?
Oliver Gülck: Dass keine Übergabe erfolgen wird, ist bedauerlich und wird den Start der Nachfolge sicherlich erheblich erschweren. Zeit genug für einen Übergang hätte es ja gegeben.
Warum wäre das so wichtig gewesen?
Gülck: Ein Archiv ist ein sehr komplexes Aufgabenfeld. Neben den fachlichen sind auch stadtgeschichtliche Vorkenntnisse hilfreich.
Was läuft derzeit noch im Stadtarchiv?
Gülck: Das Stadtarchiv ist seit zweieinhalb Monaten für die Öffentlichkeit mehr oder weniger geschlossen. Dies ist sehr viel länger als ursprünglich geplant, aus verschiedenen Gründen. Momentan kann ich manche Nutzer und Nutzerinnen sowie Anfragen im ehemaligen Frisörsalon im Domhof empfangen und beantworten. Dabei handelt es sich aber um eine Zwischenlösung, weshalb es keine regulären Öffnungszeiten gibt. Ob der Rückumzug in das verkleinerte Archiv am Benzplatz noch im August erfolgen wird, entzieht sich meiner Kenntnis. pj
Bald kehrt der 1973 in Kiel geborene Historiker und Archivar also mit noch ungewisser beruflicher Zukunft zurück in seine norddeutsche Heimatstadt, wo die Eltern leben. Weil sein Herz an der Geschichte Ladenburgs hängt, hätte der Wissenschaftler gerne noch die ihm hoffentlich nachfolgende Person eingearbeitet. Doch werden Vorstellungsgespräche nach Auskunft von Bürgermeister Stefan Schmutz erst im September geführt. Dann steht Gülck wohl nicht mehr zur Verfügung.
„Herr Gülck hat entschieden, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, und er hinterlässt natürlich eine Lücke“, schreibt Schmutz auf Anfrage dieser Redaktion. Doch unabhängig davon sei die Verwaltung verpflichtet, den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz einzulösen. Zugleich ist Schmutz „zuversichtlich, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Stadtarchiv und Heimatbund mit einer Neubesetzung fortgeführt wird“. Die Verwaltung sei jedenfalls „bestrebt, die Stelle zeitnah nachzubesetzen und den gewohnten Umfang der Leistungen des Stadtarchivs anzubieten“.
In Kreisen des Geschichtsvereins Heimatbund wird befürchtet, dass Ladenburger Archivalien unwiederbringlich ins Generallandesarchiv nach Karlsruhe wandern würden, wenn die Stadt keinen ordentlichen Archivbetrieb aufrechterhalten könne oder wolle. Doch bereits auf eine Anfrage im Gemeinderat vor einigen Wochen hatte Schmutz sinngemäß geantwortet, für einen nahtlosen Übergang im Stadtarchiv sorgen zu wollen. Inzwischen hat die Stadt Ladenburg eine Stellenausschreibung veröffentlicht und wirbt in einschlägigen Fachportalen. „Bewerbungsschluss ist im August“, teilt Schmutz mit. Zur Zukunft der Einrichtung sagt er, dass das Stadtarchiv eine eigenständige Einrichtung bleibe.
„Eine Zusammenlegung mit dem Lobdengau-Museum war und ist nicht geplant“, reagiert Schmutz auf Nachfrage. Ziel sei es jedoch nach wie vor, dass das Stadtarchiv einen „größeren und nachhaltigeren Beitrag als bisher zur Dokumentation der Stadtgeschichte in den Räumen des Lobdengau-Museums leisten soll“. In diesem Zusammenhang auf den von Schmutz bei verschiedenen Anlässen genannten Begriff „Haus der Stadtgeschichte“ angesprochen, erklärt der Bürgermeister: „Diese Zuschreibung soll verdeutlichen, dass im Lobdengau-Museum Besucherinnen und Besucher möglichst umfassend Informationen und Hintergründe zu den vielseitigen Kapiteln der Stadtgeschichte erhalten können. Eine Umbenennung des Lobdengau-Museums bedeutet dies aber nicht.“
Doch zurück zum Archiv: Der Heimatbund-Ehrenvorsitzende Georg sieht die Gefahr, dass Archivalien während und nach dem laufenden Umbau nicht sachgemäß behandelt werden. Diese Sorge verneint Schmutz: „Die Archivalien werden fachgerecht gelagert, und es gibt eine klare räumliche Trennung.“ Was mögliche Raumalternativen zur Kinderbetreuung im Stadtarchiv betrifft, sieht Schmutz das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: „Wir mussten aufgrund des akuten Mangels schnell reagieren, aber der Bedarf ist auch nach dem Umbau und weiterer geplanter Provisorien hoch.“ Daher werde die Stadtverwaltung „nach weiteren Lösungen suchen“.
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