Ladenburg. Am späten Nachmittag erreicht der Stahlkoloss endlich seinen Bestimmungsort. Einige Stunden später als eigentlich vorgesehen. Und dennoch verspürt Bernd Walter vor allem Erleichterung. „Es fühlt sich einfach nur gut an, dass es jetzt endlich geschafft ist“, sagt der Projektleiter für den Bau des neuen Hochwassersperrtors bei Ladenburg. „Es hat alles super geklappt“. Mit dem Einbau des 235 Tonnen schweren Stahlverschlusses ist im Neckarkanal am Donnerstag die letzte große Hürde überwunden worden. In wenigen Monaten soll die Anlage einen umfassenden Probebetrieb aufnehmen.
Bei der groß angelegten Aktion ist vor allem eines gefragt: Geduld. Bereits am frühen Vormittag hat der eigens aus dem niederländischen Rotterdam eingefahrene Schwimmkran HEBO 8 das stählerne Drucksegment an vier Haken aufgehängt. Doch noch kann das Gerät mit einer Tragkraft von 300 Tonnen den Verschluss nicht anheben. Es würde Gefahr laufen, ob des schieren Gewichts nach vorn zu kippen. „In den Ponton des Schwimmkrans wird jetzt Wasser eingelassen, um ein Gegengewicht zu schaffen“, erklärt Projektleiter Walter, Ingenieur beim Amt für Neckarausbau, in einiger Entfernung auf der Baustelle des Sperrtors. Dort haben sich zahlreiche Projektbeteiligte, Medienvertreter und Schaulustige – darunter die Bürgermeister von Ilvesheim und Ladenburg, Andreas Metz und Stefan Schmutz – versammelt.
Wie in Zeitlupe
Erst um 12.30 Uhr hebt sich das 235 Tonnen schwere Ungetüm Stück für Stück von der Ladefläche des Binnenschiffes, mit dem es aus dem Mannheimer Hafen in den Neckarkanal gebracht wurde. Zentimeter um Zentimeter zieht der Kran den grau-gelben Riesen in die Höhe. Anschließend schippert er mit dem Sperrtor am Haken in Zeitlupentempo durch den für die Schifffahrt gesperrten Neckarkanal auf die Baustelle zu. Auf dem rund 100 Meter langen Abschnitt muss sich der schwimmende Turm noch um 90 Grad drehen, damit der Stahlverschluss auf die vorgesehenen Arme gesetzt werden kann. Erst geschlagene vier Stunden später berührt der Stahl des Torverschlusses erstmals den seiner künftigen Halterung. „Bei solchen Großprojekten unterschätzt man immer wieder die notwendige Zeit“, sagt Walter.
Für den Planer ist es das größte Projekt seiner Karriere. „Ich habe zwar schon einige Schwimmkraneinsätze mitgemacht. Aber was die Größe und das Gewicht angeht, ist das hier noch einmal eine andere Nummer“, sagt er noch während des Einsatzes. Angespannt sei er jedoch nicht, dazu sei alles zu gut vorbereitet. „Der Projektleiter der Roßlauer Werft, die den Stahlverschluss gefertigt hat und auch den Einbau leitet, strahlt eine solche Coolness aus, da mache ich mir keine Sorgen“, so Walter, dem an diesem Tag nur die Rolle des Beobachters bleibt. Mehr als elf Jahre seines Berufslebens hat das neue Hochwassersperrtor bei Ladenburg den Ingenieur bislang begleitet, von der Planung bis heute. „Da ist man schon sehr froh, wenn es jetzt endlich realisiert wird“, sagt er.
Notwendig geworden war der Neubau, weil das alte, 1931 errichtete Hochwassersperrtor in die Jahre gekommen ist und nicht mehr ertüchtigt werden kann. Ursprünglich sollte das neue Bauwerk direkt neben dem alten im Jahr 2017 in Betrieb gehen, doch Streit mit einer Baufirma, Niedrigwasser und die Änderung des Einbaukonzeptes für den 235-Tonnen-Verschluss sorgten mehrfach für Verzögerungen.
Bald beginnt Probebetrieb
Noch am Donnerstag sollte der Schwimmkran nach getaner Arbeit abgeschlagen werden. An diesem Freitag wird der Druckverschluss vollständig am Hochwassersperrtor montiert. In den kommenden Wochen müssen dann noch die Hydraulikleitungen verlegt und die Elektronik installiert werden. Dann kann der Probebetrieb beginnen. „Heute schaue ich bei der ganzen Mannschaft nur in strahlende Gesichter“, freut sich Walter.
Das Projekt
- Die ersten Pläne für das neue Hochwassersperrtor zwischen Ladenburg und Ilvesheim entstanden im Jahr 2008. Die Fertigstellung war ursprünglich für 2017 vorgesehen.
- Wegen Streitigkeiten mit einer Baufirma, Naturereignissen wie Niedrigwasser und einer notwendig gewordenen Überarbeitung des Einbaukonzepts für den stählernen Verschluss verzögerte sich das Projekt des Amtes für Neckarausbau mehrfach.
- Aufgrund der zeitlichen Verzögerung werden auch die geplanten Kosten von 12,1 Millionen Euro nicht mehr zu halten sein. Die genaue Kostensteigerung ist jedoch noch unklar.
- Am Donnerstag erfolgte mit dem Einbau des 235 Tonnen schweren Drucksegments, dem Verschluss des Tores, der letzte große Meilenstein. In wenigen Monaten soll ein umfassender Probebetrieb starten. Anschließend wird das alte Tor abgerissen.
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