Ladenburg. Die Ladenburgerin Ingrid Wagner strahlt: „Ruth ist auch dabei.“ Jene heute 91-Jährige lebt in den USA. Dort hatte sie der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano nach einem Hinweis von Ladenburgs Bürgermeister Stefan Schmutz besucht und für sein Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ interviewt und abgelichtet.
Ruth ist eine von 40 Porträtierten, deren Konterfeis noch rund zwei Wochen lang öffentlich auf dem gemeinsamen Campus von Carl-Benz-Gymnasium (CBG), Merian-Realschule (MRS) und Werkrealschule Unterer Neckar (WRS) zu sehen sind.
Holocaustüberlebende stehen dafür, dass Erinnerung wachbleibt
Hintergründe werden am Wahlsonntag bei der Eröffnung der Ausstellung in der Lobdengauhalle deutlich: Die frühere Ladenburgerin Ruth, zu der Wagner seit langem Kontakt hält, hat den Holocaust überlebt. Ebenso wie Marion, Margot und Albrecht, der kürzlich mit seinem Buch zu Gast in Ladenburg war. Er und all die anderen stehen mit ihren Gesichtern dafür, dass die Erinnerung wachbleibt.
Man könnte sagen: Ein solches Schülerprojekt ist wohl am besten dazu geeignet. Die 30 daran beteiligten Jugendlichen dürfen die Älteren duzen. Das schafft Nähe zu den Zeitzeugen, die fast alle so alt sind, dass sie nicht mehr allzu lange selbst von ihren Erfahrungen berichten können.
„Ich bin nur derjenige, der die Bilder macht“, sagt der dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Fotograf. Er äußert sich vor Ort „sehr beeindruckt“ von dem Projekt. Dass die Jugendlichen „bereit sind, ihre Haltung zu zeigen“, so Toscano, zeigt sich bei der Vernissage.
„Wir haben uns in einem schulübergreifenden Projekt mit einem der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte auseinandergesetzt, das immer noch aktuell ist“, sagt Juli Döhring. Es sei immens wichtig, die Erinnerung wachzuhalten, damit sich auch kommende Generationen „mit derselben Verständlichkeit wie wir damit beschäftigen“.
Diese „fantastische Ausstellung“, die auf Initiative von Bürgermeister Schmutz nach Ladenburg gekommen sei, diene zugleich als „Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie“, betont Johanna Heggemann. Die CBG-Zehntklässlerin stellt zusammen mit Schülersprecherin Döhring zwei abgebildeten Frauen vor, denen schreckliche Ungerechtigkeiten widerfahren seien. Ihr Appell lautet: „Lassen Sie sich von ihren Geschichten so inspirieren, wie sie uns inspiriert haben.“
Gesellschaftspolitisch relevante Erfahrungen der Jugendlichen
Dass die Jugendlichen eine Aufgabe gemeistert hätten, die Offenheit und Mut erfordern, freut Schmutz besonders. Das sei kein Schulbuch, dass man irgendwann zuklappe, sondern gesellschaftspolitisch relevante Erfahrungen, die nicht mehr loslassen. „Auf das Ergebnis könnt Ihr stolz sein“, sagt Schmutz unter Beifall. Solchen hört auch Johannes Zenzen für seine musikalischen Akzente am Piano. Ebenso berührend: Die zitierten „Lyrischen Gedanken“ zum Thema, zu denen Zehntklässlerin Johanna Heggemann sogar eigene Verse beisteuert.
Schmutz tritt dafür ein, „an einer Zukunft zu arbeiten, in der sich die Lebensgeschichten der Porträtierten nicht wiederholen“. Frosina Zimbakov und Leni Schrepp (MRS) führen aus, wie wichtig es sei, den Opfern eine Stimme zu geben: „Die Geschichte zeigt, wie schnell Hass und Ausgrenzung in Verbrechen umschlagen können.“ Das verdeutlicht auch der erschütternde Fallbericht von Hubert Kolkhorst aus Heddesheim mit Johanna Wüst und Diego Guadalupe Vivent über grausame medizinische Versuche an KZ-Gefangenen.
Ausstellung begleitet von Führungen, „Ort der Stille“ und szenischen Lesungen
Wie es gelingen soll, die Erinnerung als Zukunftsaufgabe zu begreifen und wachsam zu bleiben, legen Megan Fiory und Jugendgemeinderätin Havin Polat (beide WRS) dar. Die Ausstellung werde begleitet von Führungen, einem „Ort der Stille“ im CBG und einer szenischen Lesung am Donnerstag, 20. Juni, um 18 Uhr in der städtischen Turnhalle.
Die beiden jungen Frauen danken Toscano für sein Vertrauen, aber auch Schulleitungen und Fachlehrern sowie Sandra Barthel vom CBG-Leitungsteam, die alles koordiniert hatte. „Dass Schüler das organisiert haben, finde ich ganz außerordentlich“, sagt eine 1935 geborene Besucherin aus Neustadt/Weinstraße angesichts der Porträts, die „einen frösteln lassen“.
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