Ladenburg. Als Alfred Jonitz am 31. Dezember 1919 in Mannheim zur Welt kommt, wohnt der Autoerfinder Carl Benz längst in Ladenburg. Dort hatte der Technikpionier eine eigene Fabrik errichtet, in der bis 1923 Autos gebaut wurden und heute das Automuseum von Winfried A. Seidel zuhause ist. Bereits 1903 war Benz aus dem nach ihm benannten Unternehmen in Mannheim ausgeschieden. Für den heute 102-jährigen Jonitz ist 30 Jahre später die Lehre zum Werkzeugmacher im Mercedes-Benz-Werk auf dem Luzenberg in Mannheim-Waldhof der erste Schritt ins Arbeitsleben.
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Den vielleicht ältesten noch lebenden Ex-Auszubildenden hatte Seidel, selbst „Baujahr“ 1939, jetzt in sein Schnauferl-Museum eingeladen. Es ist ein Treffen von „Oldtimern“ auf zwei Beinen. Der auf einen Rollator gestützte, aber geistig rege und immer noch täglich den „Mannheimer Morgen“ lesende Jonitz freut sich über Fotos, die ihn als damaligen Lehrling zeigen. Die Aufnahmen hatte er dem Museum bereits früher überlassen und zeigen ihn mit anderen „Lehrbuwe“ beim Nachbauen des dreirädrigen Motorwagens, den Benz 1886 zum Patent angemeldet hatte. Die jeweils drei Modelle hatten einen Maßstab von 1:3 und 1:1. Eines der kleineren gehört zum Büro des Mannheimer Oberbürgermeisters. Ein Exemplar hatte früher im Ladenburger Museum gestanden, bis es Gertrud Elbe als Witwe eines Benz-Urenkels ins Mannheimer Technoseum gab. Die Arbeiten an diesen Modellen fanden unter Anleitung des legendären Benz-Meisters Jean Pfanz-Sponagel statt.
Riesenspaß in schweren Zeiten
„Das hatte einen Riesenspaß gemacht, aber es waren schwere Zeiten, und ich war leider der einzige von diesen Jungs, der durch diesen schlimmen Krieg gekommen ist“, erzählt Jonitz. „So ein Urgestein aus den Benzwerken in Mannheim da zu haben, bedeutet mir viel, denn authentische Geschichten von Zeitzeugen sind am spannendsten“, sagt Seidel beim Kaffeetrinken im „Benz-Zimmer“, also dem Büro des früheren Fabrikchefs. Jonitz könnte älter als einige der Möbel aus der Ära von Benz sein, der 1929 gestorben war. Persönlich getroffen hatte er ihn nie. In den früheren Produktionshallen sind seit ihrem Umbau 2005 mehr als 70 Fahrzeuge und weitere Exponate ausgestellt, die das Leben von Benz beleuchten und die Bedeutung seiner Erfindungen dokumentieren.
Dass er selbst einmal ein Kapitel dieser Geschichte verkörpern könnte, daran denkt Jonitz sicher nicht, als er nach Pestalozzi-Grundschule, Karl-Friedrich-Gymnasium und einer berufsbildenden Schule Mitte der 1930er-Jahre ins Berufsleben startet. Das Werksgelände ist bereits damals einschüchternd riesig für den Jugendlichen. „Als Mannheimer wollte ich natürlich beim Benz schaffen“, sagt Jonitz. Schon um 1900 werden in Mannheim ja die meisten Automobile weltweit produziert. Zu seiner Zeit steht die Lkw-Produktion kurz bevor. „Die spätere Spezialisierung auf Omnibusse habe ich nie verstanden“, sagt Jonitz. Er bildet sich damals fort und besucht die Ingenieurschule, „da wo heut’ der Blumepeter steht“. Als ein Luftangriff im November 1943 Benz-Gießerei und -Schlosserei trifft, ist Jonitz schon seit drei Jahren an der Front, erst in Frankreich, später in Russland. Krieg und Gefangenschaft hinterlassen tiefe Spuren. Doch 1949 wird geheiratet. Die drei Kinder Klaus, Adelheid und Martin kommen zur Welt. Ihr Vater ist Angestellter im Benz-Konstruktionsbüro.
„Er redet sonst nicht mehr so gerne über früher, aber hier blüht er auf“, sagt Sohn Martin, der mit seiner Frau in Ladenburg wohnt. Seinen Vater chauffiert Klaus Maier vom Museumsförderverein aus der Wohnung in Mannheims Schwetzingerstadt nach Ladenburg. In einem Benz natürlich.
Schon vor sieben Jahren besucht
Dass Jonitz gesprächig wird, wenn es um seine alte Firma geht, hatte Seidel auch vor sieben Jahren gefreut, als Jonitz erstmals zu Besuch ist. Da gilt Seidel längst als ausgewiesener Experte in Sachen Benz. Das zeigt sich schon in den 70ern, als er den Mercedes-Benz-Veteranen-Club und den „Veterama“-Markt gründet. 1996 eröffnet Seidel das Vorläufermuseum, das sich heute in der Ilvesheimer Straße befindet. „Alfred Jonitz hatte uns zuvor am Stand auf dem Maimarkt angesprochen, und wir luden ihn ein“, berichtet Seidel. Man habe diesen schönen Besuch immer wiederholen wollen. Am Freitag klappt es endlich. „Wahrscheinlich zum letzten Mal“, ahnt Jonitz. Wie schön, dass Tochter Adelheid noch mitteilt: „Das war ein Highlight für ihn.“
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