Technik

In zwei Jahren baute sich Ilvesheimer Udo Kessler ein eigenes E-Auto

Aus ökologischen Gründen: Obwohl er kein geborener Bastler ist, hat ein 61-jähriger Ilvesheimer einem schrottreifen 290-Euro-Volvo neues Leben eingehaucht. Wer ihm dabei half

Von 
Stephan Alfter
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Stolzer Blick auf das gelungene Werk: Philip Schuster (links) und Udo Keßler vor dem Volvo 850 (93er Baujahr), der bis zu 130 Stundenkilometer erreicht. © Udo Kessler

Ilvesheim. Auch wenn er sich sehr viel Mühe gibt - einen gewissen Stolz kann Udo Kessler aus Ilvesheim nach wie vor nicht verbergen, als er seinen 30 Jahre alten Volvo 850 rückwärts aus der Garage fährt. Kein Auspuff röhrt, kein Abgas verpestet die Luft, stattdessen erfüllt ein leises Summen den Raum. Vorsichtig lässt der 61-Jährige den Wagen, den er vor etwas mehr als zwei Jahren für schlappe 290 Euro erworben hat, auf die Straße gleiten.

Hat jeden Arbeitsschritt dokumentiert: Udo Keßler. © Udo Kessler

18 000 Euro hat er seither in den „Oldtimer“ gesteckt. Da, wo zuvor ein Diesel-Motor zu finden war, sitzen nun ein elektrisches Aggregat und mehrere unterschiedliche Steuerungskomponenten, die über Kabel miteinander kommunizieren. Sehr sauber sieht das aus. Kein schmieriges Öl, keine tropfende Einspritzpumpe. Geschafft hat Udo Kessler das ganz alleine - also fast ganz alleine. Johannes Hübner und Philip Schuster standen dem Geschäftsführer einer Heidelberger Kommunikationsagentur während der Herausforderung mit Rat und Tat zur Seite. Videokonferenzen, Telefonate, Besuche. Heute ist Kessler überzeugt, dass es ein paar Dinge im Leben gibt, die wir alle erlebt haben sollten - und damit meint er nicht, einmal Flitzer in einem Fußballstadion gewesen zu sein.

Nur ein Projekt für Freaks? Nein.

Ob seine Ehefrau das Ziel „Umbau eines E-Autos“ unterschreiben würde? Sie sei dann schon froh gewesen, als die Arbeiten nach zwei Jahren abgeschlossen werden konnten, drückt Kessler vorsichtig aus, während sich sein Mund zu einem leichten Grinsen weitet. Immerhin war ja ordentlich Sauerei in der Garage, die nun wieder fein geordnet daher kommt. Jetzt könnte man ja behaupten, dass dieser recht jung gebliebene Mann, der da in der Garage steht, irgendein Freak ist, der sich nach überstandener Midlife-Crisis nochmal irgendwas beweisen muss. Nein. Ist er nicht. Vielmehr geht es ihm darum, weniger verschwenderisch mit den Dingen umzugehen, die schon existieren.

„Was passiert denn mit den Abermillionen Fahrzeugen, die schon laufen?“, fragt er und gibt sich die Antwort gleich selbst. „Wir diskutieren ja viel über das Thema Technologieoffenheit, aber man darf nicht nur auf Neufahrzeuge setzen. Das heißt nicht, dass man jedes Fahrzeug umrüsten soll, aber ein gewisser Prozentsatz in einem in gewisser Weise standardisierten Prozess wäre hilfreich.“

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Kesslers eigener Weg zum E-Auto war nicht ohne Entbehrungen. Er sagt auch selbst, dass Zeit ein Faktor ist und sowas - ganz gleich, welche Begabung man mitbringt - nicht in zwei oder drei Monaten erledigt ist. Auf mehr als 300 Stunden schätzt er den reinen Arbeitsaufwand. Mut macht er zukünftigen Leidensgenossen aber damit, dass er zugibt, vorher selbst kein absoluter Handwerker gewesen zu sein. „Mechanische Grundkenntnisse“ habe er besessen - mehr nicht. Trotzdem sieht man ihm fast an, dass er ein Tüftler ist, einer der nicht aufgibt, wenn andere in fußbrecherischer Manier bereits gegen das rechte Vorderrad treten.

Um sein Vorhaben zu realisieren, besorgte sich Kessler, der unter anderem Neuere Geschichte studiert hat, ein schrottreifes E-Auto, einen Nissan Leaf, aus dem er den Elektromotor und den Wechselrichter ausbaute, um ihn in den Volvo zu hieven. Das Ladegerät stammt aus einem Tesla. Die Steuerboards hat Johannes Hübner entwickelt, mit dem Kessler Kontakt aufgenommen hat, nachdem dieser bereits seinen Touran umgebaut und den Prozess im Internet beschrieben hat. 78 Kilo ist der Volvo nun schwerer. Die größte Antriebsbatterie befindet sich im Kofferraum, wo zuvor das Ersatzrad lag. Dort musste die Karosserie nach Forderungen des TÜV stabilisiert werden. Aber warum all der Terz?

Warum all der Terz?

Kessler hat festgestellt, dass sich sein Mobilitätsverhalten geändert hat. Einen alten Diesel-Stinker wollte er aus bewussten Gründen nicht mehr fahren. Seine Kinder sind aus dem Haus und müssen nicht mehr zu Sport, Schach, Schwimmen oder Schule gefahren werden. Er selbst pendelt nur noch zwischen Ilvesheim und Heidelberg. Dafür braucht er keinen „hippen“ SUV und keine riesigen Reichweiten. Eine Batterieladung verspricht ihm 150 Kilometer nahezu kostenfreies Fahren.

Der Strom stammt - wenn alles passt - aus der eigenen Solaranlage auf dem Dach. Seinen ökologischen Fußabdruck, der normalerweise bei etwa elf Tonnen CO2 pro Jahr läge, reduziert er auf knapp vier Tonnen pro Jahr. „Damit kann ich die kommenden fünf Jahre locker fahren“, bilanziert der als PR-Redakteur tätige Mann. Und weil ein PR-Redakteur kein PR-Redakteur wäre, wüsste er sich nicht zu vermarkten, hat Kessler mit seinen Kollegen ein Buch über seinen Umbau verfasst, das jedem hilft, der darüber nachdenkt, sich umweltbewusster zu bewegen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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