Heidelberg. Seinen 13. Geburtstag darf Christian gemeinsam mit seiner Mutter daheim feiern. Was für andere Kinder ganz normal ist, macht den Jungen aus Heidelberg „super-happy“: Zwei Jahre hat er nun in Jugendhilfeeinrichtungen gelebt, während seine alleinerziehende Mutter wie eine Löwin darum kämpfte, ihren Sohn zurückzubekommen.
Bis zum Oberlandesgericht hat der Rechtsstreit sie geführt. Eine Richterin des Amtsgerichts Mosbach sorgte schließlich dafür, dass Mutter und Kind auch Weihnachten und Fastnacht schon zusammen verbringen durften.
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Probleme in Folge der Corona-Pandemie
Es ist eine sehr komplexe Geschichte, die schon viel Papier füllt und die aus Sicht der Mutter - wir nennen sie hier zum Schutz des Jungen Maria und das Kind Christian - in Folge der Corona-Pandemie begann. Müde von Homeschooling und den Einschränkungen, den veränderten Freizeitmöglichkeiten und dem Verbot, seine Freunde zu treffen, habe das Kind im Winter 2020 begonnen, schwierig zu werden, seine Hausaufgaben nicht mehr machen zu wollen und sich gegen seine Mutter zu stellen.
Als ihre Nerven blank liegen, erzählt Maria, die Akademikerin, die freiberuflich unter anderem für Behörden arbeitet, habe sie sich auf einen Tipp hin ans Jugendamt gewandt. Doch bald bereut sie diesen Schritt sehr. Aus dem eher in der Überforderung gedachten „Denkzettel“, den aggressiv reagierenden Jungen eine Nacht in einer Jugendhilfeeinrichtung verbringen zu lassen, wird eine langfristige Inobhutnahme. Für Maria sind es zwei sehr schwierige Jahre, in denen sie sich neben Anwälten auch professionelle psychotherapeutische Unterstützung an die Seite holt. „Ich habe alles verloren: meinen Sohn, mein Geld, meine Kraft“, sagte uns die völlig verzweifelte Frau vergangenes Jahr. Ohnmachtsgefühle gegenüber der Macht der Jugendamtsmitarbeiterinnen und das Gefühl, nicht als Mutter einbezogen zu sein in die Entscheidungen, die ihren Jungen betreffen, hatten sie beinahe aufgefressen.
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Vom Kind zum Teenager
Heute öffnet die Frau Anfang der Vierziger lächelnd und entspannt die Wohnungstür, wir sind zum Kaffee verabredet, wie schon im vergangenen Jahr. An der Tür des Küchenschranks hängt eine durchsichtige Plastikkugel mit einem Bild in der Mitte. Es zeigt einen hübschen Teenager. „Euer Christian wünscht euch fröhliche Weihnachten“, steht auf der Rückseite des Bildes. „Christian hat das mir und seiner Oma zu Weihnachten geschenkt“, erzählt Maria und lächelt in einer Mischung aus Stolz und Rührung.
Warum sie möchte, dass möglichst viele Menschen von ihrem Schicksal erfahren? „Weil ich glaube, dass ich nicht die Einzige bin, die solche Erfahrungen macht. Aber andere können sich vielleicht noch viel weniger wehren.“ Noch ist nicht alles wieder so wie früher. Aber das OLG übertrug der Mutter das Sorgerecht für den Jungen - bis auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht - zurück und hob den letzten Beschluss des Heidelberger Amtsgerichts auf.
Zerstörtes Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Jugendamt
Nun ist Maria wieder für die Gesundheitsfürsorge und die schulischen Angelegenheiten des Jungen zuständig. Das OLG erkennt ein „zerstörtes Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Jugendamt“. Kurz nach der OLG-Entscheidung schließen die Mutter und das Heidelberger Jugendamt vor dem Amtsgericht Mosbach eine Vereinbarung, die der Mutter erlaubt, den Jungen seit Dezember regelmäßig zu Besuchswochenenden und an Ferientagen über Nacht zu sich nach Hause zu holen. „Es war, als ob er nach einer langen Erkrankung wieder nach Hause kam“, erinnert sich die Mutter an das erste gemeinsame Wochenende - und ihre Augen füllen sich mit Tränen. „Christian ist in sein Zimmer gegangen und hat viel Zeit damit verbracht, jedes einzelne Spielzeug anzuschauen.“
Wie nach langer Krankheit
Die Heidelbergerin hatte alles unverändert gelassen - sogar die Bettwäsche. Am Wochenende drauf transportieren Mutter und Sohn im Kleinwagen einen Baum: „Christian hat sich einen Weihnachtsbaum gewünscht, der bis zur Decke geht.“ Mit Unterstützung des Baumverkäufers sei die Tanne in den Wagen gewuchtet worden und habe den Innenraum ausgefüllt, berichtet Maria, nun lächelnd, von der Fahrt.
Heidelberg und auch Deutschland möchte Maria nach den traumatischen Erfahrungen am liebsten verlassen. Einen festen Vertrag an einer Uni in ihrem Geburtsland hat sie schon. Der künftige Arbeitgeber gewährt ihr wohlwollend noch etwas Zeit. Doch bis Maria die Stelle antritt, werden wohl noch ein paar Wochen vergehen: Der Allgemeine Soziale Dienst des Heidelberger Jugendamtes hat ein internationales Verfahren eingeleitet.
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