Heidelberg. „Nein, ich bereue nichts“: Mit dem Text des bekannten Chansons von Edith Piaf hat sich der bisherige Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson am Donnerstagabend im Spiegelsaal des Prinz Carl in Heidelberg verabschiedet. Rund 200 Wegbegleiter, vom Amtsleiter bis zum Taxifahrer, kamen zum Empfang für den 68-jährigen grünen Politiker. Erichson, der vor 16 Jahren für den Bürgermeisterposten aus Berlin nach Heidelberg gekommen war, bleibt in der Stadt am Neckar und möchte sich auch künftig im Stadtleben einbringen, kündigt er an.
„Wolfgang Erichson hat unglaublich viel für die Stadt Heidelberg bewirkt“: Karl Breer, FDP-Fraktionsvorsitzender im Heidelberger Gemeinderat, hielt die Lobrede auf den scheidenden Grünen-Bürgermeister. Das war ausdrücklich Wunsch des frischgebackenen Pensionärs. Beide Männer verbindet über die Parteigrenzen hinweg eine Freundschaft, seit Erichson Breers Tochter als Standesbeamter verheiratete.
Anekdoten und Berührendes
Die Anekdote dazu sagt viel über Erichson aus, der immer offen zu seiner Homosexualität gestanden war: Da die Trauung unbedingt donnerstags stattfinden sollte - an diesem Tag gibt es in Heidelberg normalerweise keine Eheschließungen - zögerte Erichson lange, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. „Als ich aber sagte, dass meine Tochter einen Eishockey-Nationalspieler heiratet und sicher auch gut aussehende Spieler der Mannheimer Adler zur Zeremonie kommen, sagte Wolfgang Erichson: ,Hättest Du das gleich gesagt, hätte ich keine 30 Sekunden gezögert’.“
Werdegang Wolfgang Erichson
- Wolfgang Erichson, Jahrgang 1955, wurde in Berlin geboren und studierte an der FH Verwaltung/Rechtspflege.
- Berufliche Stationen waren das Bezirksamt Charlottenburg und die Senatsverwaltung.
- 2007 übernahm Erichson das Dezernat „Integration, Chancengleichheit und Bürgerdienste“. Bei seinem Ausscheiden war Erichson Bürgermeister für „Kultur, Bürgerservice und Kreativwirtschaft“.
- Seit 1. Oktober ist Martina Pfister Kulturbürgermeisterin in Heidelberg.
Als Standesbeamter Ehen zu schließen, war eine Lieblingsbeschäftigung des Bürgermeisters, dessen Dezernatszuschnitt sich in den zwei Amtsperioden mehrfacheänderte. 178 gleichgeschlechtliche Paare und 112 heterosexuelle Paare hat Erichson verheiratet, der selbst einmal verheiratet und inzwischen zum zweiten Mal verpartnert ist.
Kulturmensch liebt Opern
Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck, der Erichson in Vertretung des erkrankten Oberbürgermeisters Eckart Würzner verabschiedete, erinnerte unter anderem an die spektakuläre Zeremonie 2017 in der Heidelberger Stadthalle, als Erichson 44 gleichgeschlechtliche Paare traute. Möglich machte das eine Gesetzesänderung. Odszuck würdigte den „Kulturmenschen“ Erichson, der Opern liebt und sich stets für ein solidarisches Miteinander eingesetzt habe. Erichson habe sich auch als Krisenmanager bewährt, etwa im Streit um den Altstadtlärm. Seine „strukturierte Herangehensweise“ sei stets hilfreich gewesen. Besonders in der Corona-Pandemie habe Erichson im Krisenstab mit dafür gesorgt, dass die Stadt „relativ glimpflich“ aus der Krise herausgekommen sei.
Der Ordnungsbürgermeister konnte dabei auf seine Erfahrung zurückgreifen, die er im Berliner Senat während der Tschernobyl-Krise gesammelt hatte. Die Gründung des Interkulturellen Zentrums und der Einsatz für den interreligiösen Dialog nannte Odszuck als weitere Erfolge des Bürgermeisters.
Viel Humoriges gab es an diesem Abend zu hören, etwa, dass Erichson die Hunde eines Amtsleiters per Urkunde zu Diensthunden ernannt hatte, eine Auszeichnung, die er mit „einem Strauß Würstchen“ zu dekorieren wusste. „Ich wollte immer zeigen, dass eine Verwaltung für die Menschen da ist“, beschreibt der 68-Jährige die Motive seiner Amtshandlung. Bei vielen Wegbegleitern bedankte er sich mit sehr persönlichen Worten. Auch bei seiner Sekretärin, die 16 Jahre auch persönliche Referentin gewesen sei. „Was diese Frauen in unseren Vorzimmern leisten“, zollte er Respekt, und forderte „eine deutlich bessere Bezahlung“.
Seitenhieb auf die Grünen
Gerne, betonte Erichson, hätte er sich um eine dritte Amtszeit beworben. Doch die grüne Fraktion habe ihm das verboten, ging Erichson, der sich selbst vor allem als „pragmatisch“ charakterisierte, kritisch auf die zurückliegenden Monate ein.
„Alter und Ambition sind nicht anstößig“, forderte er ein Umdenken. Und dass ausgerechnet er, dem es stets um Chancengleichheit gegangen sei, zurücktreten musste, um einer Frau den Weg freizumachen, habe ihn tief getroffen. „Frauen brauchen keinen männerfreien Schutzraum“, hätte er es als viel gerechter und frauenfreundlicher empfunden, wenn sich im Wettbewerb „einfach der oder die Beste durchgesetzt hätte“.
Die Heidelberger Grünen seien bundesweit die ersten gewesen, die einem amtierenden Bürgermeister die erneute Kandidatur untersagt hätten. Dabei habe er für die Partei viel getan, fügte Erichson hinzu. Er habe bewiesen, „Sicherheit und Ordnung geht auch in grüner Hand“. Berührend auch die Worte von Michael Alimadi. Als Ex-Vorsitzender des Migrationsrates hatte er im Clinch mit Erichson gelegen. Nun sagt er: „Wolfgang Erichson hat die Stadt bunt gemacht. Und er hat Kante gezeigt“
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