Heidelberg. „Nein, ich bereue nichts“: Mit dem Text des bekannten Chansons von Edith Piaf hat sich der bisherige Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson am Donnerstagabend im Spiegelsaal des Prinz Carl in Heideberg verabschiedet. Rund 200 Wegbegleiter, vom Amtsleiter bis zum Taxifahrer, kamen zum Abschiedsempfang für den 68-jährigen grünen Politiker. Erichson, der vor 16 Jahren für den Bürgermeisterposten aus Berlin nach Heidelberg gekommen war, bleibt in Heidelberg und möchte sich auch künftig im Stadtleben einbringen, kündigte er an.
„Wolfgang Erichson hat unglaublich viel für die Stadt Heidelberg bewirkt“: Dass ausgerechnet Karl Breer, FDP-Fraktionsvorsitzender im Heidelberger Gemeinderat, die Laudatio auf den scheidenden Grünen-Bürgermeister hielt, war ausdrücklich Wunsch des frischgebackenen Pensionärs. Beide Männer verbindet über die Parteigrenzen hinweg eine Freundschaft, seit Erichson Breers Tochter als Standesbeamter verheiratete. Die Anekdote dazu sagt viel über Erichson aus, der immer offen zu seiner Homosexualität gestanden war: Da die Trauung unbedingt donnerstags stattfinden sollte – an diesem Tag gibt es in Heidelberg normalerweise keine Eheschließungen – zögerte Erichson lange, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. „Als ich aber sagte, dass meine Tochter einen Eishockey-Nationalspieler heiratet und sicher auch gutaussehende Spieler der Mannheimer Adler zur Zeremonie kommen, sagte Wolfgang Erichson: Hättest Du das gleich gesagt, hätte ich keine 30 Sekunden gezögert.“ Als Standesbeamter Ehen zu schließen, war eine Lieblingsbeschäftigung des Bürgermeisters, dessen Dezernatszuschnitt sich mehrfach geändert hatte.
178 gleichgeschlechtliche Paare und 112 heterosexuelle Paare hat Erichson verheiratet. Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck, der Erichson in Vertretung des erkrankten Oberbürgermeisters Eckart Würzner verabschiedete, erinnerte unter anderem an die spektakuläre Zeremonie 2017 in der Heidelberger Stadthalle, als Erichson 44 gleichgeschlechtliche Paare traute. Möglich machte das eine Gesetzesänderung, davor durften diese Paare nur eingetragene Partnerschaften sein. Odszuck würdigte den „Kulturmensch“ Erichson, der Opern liebt und sich stets für ein solidarisches Miteinander eingesetzt habe. Erichson habe sich auch als Krisenmanager bewährt, etwa im Streit der Altstadt-Anwohner mit Partygängern. Seine „strukturierte Herangehensweise“ sei stets hilfreich gewesen, um Probleme zu lösen. Besonders in der Corona-Pandemie habe Erichson mit dem von ihm geleiteten Krisenstab seine Stärken eingebracht und dafür gesorgt, dass die Stadt „relativ glimpflich“ aus der Krise herausgekommen sei. Der Ordnungsbürgermeister konnte dabei auf seine Erfahrung zurückgreifen, die er im Berliner Senat während der Tschernobyl-Krise gesammelt hatte.
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