Rhein-Neckar

Digitale Angebote erschließen Bibliothekskabinett der Kurfürstin

Von 
Peter W. Ragge
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Das kostbare Bibliothekskabinett ist nur durch zwei schmale Scheiben zu sehen – aber jetzt per VR-Brille: Sonja Menold (l.) und Sandra Moritz. © Thomas Tröster

So toll hat man das noch nie gesehen. Stuck mit Rocialelementen und Blumenranken, feinste Schnitzereien an Schränken und Wandvertäfelungen, Parkettboden, Decken- und Wandgemälde mit christlichen und mythologischen Motiven in zartem Rose und hellem Grün – das ist das Bibliothekskabinett von Kurfürstin Elisabeth Augusta. Der einzige weitgehend im Original erhaltene Raum im Mannheimer Schloss wird mit einer Glasscheibe geschützt, so kostbar ist er. Aber nun kann ihn jeder im Detail virtuell erleben, weil die Staatlichen Schlösser und Gärten ihr digitales Angebot ausbauen.

Schon seit 2019 beteiligen sich die Schlösser und Gärten an der Digitalisierungsoffensive „digital@BW“. 2021 wurde die App „Monument BW“ gestartet, mit einer Erlebnis-tour durch das Schloss Mannheim als Pilotprojekt. Zugleich ist seither einer der einst prächtigsten Räume des Schlosses, wo sich heute nur ein Fahrstuhl der Universität befindet, wieder sichtbar und erlebbar dank 3D-Technik: das Paradeschlafzimmer von Kurfürst Carl Philipp, ein Leuchtturmprojekt der Digitalisierungsinitiative des Landes. Danach folgte die virtuelle Rekonstruktion des Hortus Palatinus Heidelberg.

Nun helfen wieder Virtual-Reality-Brillen, die ab sofort Besucher des Schlossmuseums ohne gesonderte Gebühr ausleihen können, viel mehr vom wunderbaren Bibliothekskabinett zu sehen als durch die zwei schmalen Fenster. „Der Raum ist zu fragil, als dass ihn jeder besuchen kann“, sagt Patricia Alberth, Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten. Neue Technik helfe, „einen sehr guten Eindruck vom Reichtum der Geschichte zu vermitteln“. Das gelte, so Alberth, bei längst zerstörten oder aus konservatorischen Gründen gesperrten Schätzen ebenso wie beim Ziel, möglichst barrierefreie Angebote für viele Besucher zu machen.

Kombiticket für beide Schlösser

  • Das Schloss Mannheim ist dienstags bis sonntags und an Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet, letzter Einlass 16.30 Uhr.
  • Der Schlossgarten Schwetzingen ist montags bis sonntags und an Feiertagen im Sommer (bis 26. oktober) von 9 bis 20 Uhr geöffnet, die Kasse bis 19.30 Uhr. Die Innenräume sind nur mit Führung zu besichtigen.
  • Bis 31. Oktober können die beiden kurpfälzischen Residenzen mit dem Kombiticket der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg erkundet werden: In Schwetzingen erhalten Besucher damit Eintritt in den Schlossgarten, in Mannheim einen Schlossrundgang inklusive der App „Monument BW“.
  • Das Kombiticket kann an verschiedenen Tagen eingelöst werden und kostet 35 Euro für Familien, 14 Euro für Erwachsene und 7 Euro ermäßigt. Darüber hinaus erhalten die Gäste an den Schlosskassen eine Überraschung.

„Wir wollen das kulturelle Erbe für alle erschließen, die Teilhabe für alle ermöglichen“, erklärt Gisela Splett, Staatssekretärin im Stuttgarter Finanzministerium und damit des Eigentümers der historischen Monumente im Land. Durch neue Technologien könne man neue Zielgruppen für die Schlösser und Gärten begeistern und sie Menschen zugänglich machen, die Einschränkungen bei der Mobilität haben.

Dafür dankt auch Sabine Fischer, die Beauftragte des Landes für Menschen mit Behinderungen. „Barrierefreiheit ist die Grundlage von Teilhabe“. Dabei könnten „neue Technologien einen wichtigen Beitrag leisten“, ist sie dankbar für das Projekt. Vorangetrieben hat es Sandra Moritz, Leiterin der Schlossverwaltung Schwetzingen und darüber hinaus für Digitalisierung zuständig. Die virtuelle Rekonstruktion des Bibliothekskabinetts realisierten mit ihr die Mannheimer Schlossverwalterin Sonja Menold, die zuständige Konservatorin Uta Coburger und ihre Mitarbeiterin Luisa Kösterke.

Die Spiegel, die richtige Farbgebung, die korrekte Ausstattung mit Möbeln – solche Details seien „schon eine Herausforderung“ gewesen, gesteht Coburger. „Aber ich glaube, es ist gut gelungen“, meint sie zufrieden. Dabei sei es ihnen nicht nur um den Raum selbst gegangen. „Wir wollten Elisabeth Augusta als Kurfürstin, als Frau am Hof und mit ihren Aufgaben, als sehr resolute Dame in den Mittelpunkt stellen“, ergänzt Kösterke. Dazu kann man zu den eindrucksvollen Fotos auch Hörbeispiele aus Briefen abrufen, die Elisabeth Augusta an ihren Liebhaber geschrieben hat.

Informationen zu Pflanzen, Skulpturen und Gebäuden

Für den Schwetzinger Schlossgarten ist eine digitale Tour „Erlebnistour Schlossgarten inklusiv“ entstanden, mit 360-Grad-Ansichten und barrierearmer Wegeführung. Dabei haben der dort zuständige Konservator Ralf Wagner wie auch Hans-Peter Matt von der Firma „mahp barrierefrei“ geholfen. Per App abrufbar sind drei verschiedene Touren mit bis zu 35 Stationen in dem weitläufigen Schlossgarten, die Treppen auslassen, Gefälle weitgehend vermeiden und auch Einblicke in sonst oft geschlossene Gebäude bieten. Darunter sind etwa Badhaus und Orangerie oder Bühne und Zuschauerraum des Schlosstheaters, derzeit meist durch Vorstellungen belegt und nicht zu besichtigen, oder der wunderbare Ausblick vom Belvedere des Schlosses auf den Garten. Dazu gibt es Infos zu Pflanzen, Skulpturen und Gebäuden

Matt, der selbst im Rollstuhl sitzt, ist überzeugt, „dass wir damit unterschiedliche Zielgruppen für die Monumente begeistern“ und dass sie so bei Mobilitätseinschränkungen leichter zugänglich werden. „Aber die App lebt, die wird sich ändern“, so Sandra Moritz, und genau das sei ja auch die Stärke digitaler Angebote. Und zumindest bei Patricia Alberths 13-jähriger Tochter sei das neue Angebot schon mal sehr gut angekommen, berichtet sie: „Cool“, habe sie kommentiert, was die Mutter da auf dem Bildschirm hatte.

Redaktion Chefreporter

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