Weihnachten

Was Donald Trump in der Adventskrippe der Heidelberger Jesuitenkirche verloren hat

Sie regt zum Nachdenken an. Die Krippe in der Jesuitenkirche hält sich nicht an die biblischen Erzählungen. Stattdessen polarisiert sie und bringt die Krisen der Zeit zusammen. So beurteilen Besucher die Darstellungen

Von 
Filip Bubenheimer
Lesedauer: 
Die „Krippe am Fluss“ in der Jesuitenkirche. Von Donald Trump bis zur Jungfrau Maria sind alle um einen Säugling versammelt, der auf Scherben liegt. © P. Rothe

Heidelberg. Freitagmittag in der Jesuitenkirche. Ein paar Besucher schlendern umher, auf der Empore übt jemand das Orgelspiel. Vor der Krippe steht eine Touristin aus Belgien. Zuerst sei ihr das gekenterte Flüchtlingsboot aufgefallen, sagt die Frau, außerdem der Plastikmüll daneben - und Papst Franziskus. Sie frage sich aber, wo eigentlich das Jesuskind sei. Zwar liegt ein Säugling auf einem Berg zerbrochenen Geschirrs - aber damit könne ja kaum Jesus gemeint sein. Vermutlich, sagt die Touristin, sei er gar nicht zu sehen. Normalerweise werde das Christkind ja erst an Heiligabend in die Krippe gelegt.

Die Belgierin ist nicht die einzige, die die „Krippe am Fluss“ in der katholischen Jesuitenkirche ins Grübeln bringt. Immer wieder bleiben Menschen vor der Szenerie stehen, rätseln über die dargestellten Personen und machen Fotos von diesem Wimmelbild, das die Weihnachtsgeschichte mit dem Elend und den Hoffnungsschimmern der Gegenwart vermischt. Dutzende Figuren sind hier versammelt, von Maria und Josef bis hin zu Donald Trump, Wladimir Putin oder den Aktivisten der „Letzten Generation“.

Es gehe bei der „Krippe am Fluss“ darum, „den Zustand der Welt anzudeuten“, in der Jesus geboren werde, sagt der frühere Pastoralreferent Hermann Bunse. Er hat das Projekt vor 24 Jahren initiiert, zuerst als Projekt mit Strafgefangenen. Mittlerweile gestalten Ehrenamtliche die Krippe, deren Name auf den Slogan von Heidelberg als „Stadt am Fluss“ anspielt. „Wir singen ganz ergriffen: Christ, der Retter ist da“, sagt Bunse. „Wovor soll er uns retten?“

Krippe nimmt Bezug auf Krieg

Auf diese Frage gibt die Krippe jedes Jahr eine etwas andere Antwort. So ist dieses Jahr an vielen Stellen Müll zu sehen. Das stehe für die Zerstörung der Umwelt und dafür, „wie überheblich wir leben“, so Bunse. Auch neue Figuren wurden gestaltet -- etwa eine Frau, auf deren Schoß ein Soldatenmantel liegt, versehen mit israelischen, palästinensischen, ukrainischen und russischen Flaggen. Das nehme Bezug auf das Motiv der Pietà, erklärt Bunse, also die trauernd über den Leichnam Jesu gebeugte Maria. „Alle Kriegsparteien tragen das selbe Elend“, sagt Bunse.

Mehr zum Thema

Heidelberg

Hunderte singen mit dem Heidelberger Frühling Adventslieder

Veröffentlicht
Von
miro (Bild: Philipp Rothe)
Mehr erfahren
Kirche

„Fasten für die Augen“ in der Heidelberger Jesuitenkirche

Veröffentlicht
Von
Jasper Rothfels
Mehr erfahren
Gesellschaft

Bedrückende Szenerie zu guter Botschaft

Veröffentlicht
Von
Michaela Roßner
Mehr erfahren

Einige Besucher sind an diesem Freitag eigens wegen der Krippe in die Kirche gekommen. „Das ist Tradition, wir kommen jedes Jahr“, berichtet eine Heidelbergerin. Auch eine Besucherin aus dem Odenwald sagt, sie komme regelmäßig. Sie deutet auf einen Schriftzug im Krippenbild - „Religionen sind frauenfeindlich“ steht dort. „Es muss einfach mal wieder gesagt werden“, sagt die Frau, die sich selbst nicht als gläubig bezeichnet. Eine Deutschlehrerin hat ihre italienische Sprachschülerin mitgebracht. „Die Krippe zeigt ein gutes Bild der christlichen Botschaft in einer vollkommen anderen Welt“, sagt die Lehrerin. Die Darstellungen seien gleichzeitig „schön“ und „wirklich realistisch“, fügt ihre Schülerin hinzu.

Kontrast zur Welt des Konsums

Auch bei Touristen kommt die Krippe gut an. Ein Holländer versteht sie als Kapitalismuskritik, als Kontrast zur Konsumwelt der Innenstadt. „Wenn man durch die Läden geht, sagt man: ‚Ach wie schön‘. Und dann kommt man hierher und sieht, wie es wirklich ist“, sagt der Mann aus Utrecht. „Ich finde die Krippe toll“, fasst eine Schweizerin ihren Eindruck zusammen. „Eine heile Welt darzustellen, die es so nicht mehr gibt, macht keinen Sinn.“ Dass Jesus nicht zu sehen sei, überrasche sie nicht: „Er ist überall.“

Doch tatsächlich ist das Jesuskind schon Teil des Krippenbilds: Bunse zufolge ist es der Säugling auf dem zerbrochenem Geschirr. „Jesus liegt schon auf dem Scherbenhaufen, um den sich alle Politiker versammeln“, sagt Bunse. Die Darstellung nehme auch Bezug auf das „verletzte innere Kind, das auch jeder Erwachsene noch in sich trägt“. Im Laufe der Weihnachtszeit soll die Szene noch erweitert werden: Der Papst werde an den Scherbenhaufen herantreten und ein weiteres Kind - ein Missbrauchsopfer - dazulegen.

Die Krippe am Fluss zeigt viel Elend, es sind, neben dem Christkind, aber auch Lichtblicke zu finden: etwa drei Pilgerfiguren, darunter ein Rollstuhlfahrer, unter dem Banner „Camino Incluso“. Diese Figuren sind das Werk von Schülern und Lehrern der Neckargemünder Stephen-Hawking-Schule, an der Schüler mit und ohne Körperbehinderung lernen. Der „Camino Incluso“ ist ein barrierearmer Pilgerweg, der vor zwei Jahren als Projekt der Schule entstand. Er führt von Bensheim bis zur Jesuitenkirche in Heidelberg. Auch dieses Engagement der Schüler und Lehrer ist nun Teil des „Zustands der Welt“, den die Krippe andeutet. Die „Krippe am Fluss“ ist noch bis zum 2. Februar während der Öffnungszeiten der Jesuitenkirche zu sehen.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen