Am Aschermittwoch hat für die Christen die 40-tägige Fasten- oder Passionszeit begonnen, und die Heidelberger Jesuitenkirche bietet dazu sogar ein „Fasten für die Augen“ an. Möglich macht dies ein neues „Fastentuch“, das am Mittwoch in dem Gotteshaus aufgezogen wurde. Das in Violettönen leuchtende Tuch mit den Maßen zehn mal 7,5 Meter hängt – getragen von Stangen und Drahtseilen – vor dem Hochaltar, der durch das transparente Gewebe wie durch einen Schleier zu erkennen ist. Geschaffen hat es die Künstlerin Beate Baberske. Sie hat sich damit in einem Wettbewerb der Erzdiözese Freiburg und der Katholischen Stadtkirche Heidelberg gegen 79 Mitbewerber durchgesetzt.
„Fasten für die Augen, ein neuer und unverschleierter Blick auf das Leben Christi“, hatte die Vorgabe des offenen Wettbewerbs gelautet. Das Thema hatten die Leiterin des Referats Kunst, Kultur, Kirche im Bischöflichen Ordinariat, Katharina Seifert, und der Heidelberger Dekan Alexander Czech ersonnen. Dabei sei klar gewesen, dass das Tuch nicht aus blickdichtem Material sein dürfe, denn dahinter, beim Hochaltar, befinde sich der Tabernakel, so Czech. „Dort ist für uns die Gegenwart Gottes präsent.“
Apart, zart und „eher tröstend“
Insgesamt 80 Bewerberinnen und Bewerber waren dem Aufruf gefolgt, zehn kamen in die engere Wahl, und am Schluss entschied sich die Jury, der laut Seifert sieben unabhängige Fachleute angehörten, für Baberskes Werk.
Seifert lobt die Konstruktion, die aus vier verschiedenfarbigen und unterschiedlich großen Tüchern besteht, die hintereinander hängen. Baberske habe es sehr gut verstanden, die Stringenz und Klarheit des Raumes und das Fastentuch zu verbinden. Dabei habe sie die Vorgaben, etwa das im Alten Testament genannte Purpur der Tücher im Tempel, berücksichtigt, aber auch eine „gewisse Einfachheit“ bewahrt. Das Tuch wirke apart, zart und „eher tröstend“, „es dominiert in keinster Weise den Raum, aber es verändert ihn“. Durch das transparente Material des Tuchs solle etwas erahnbar bleiben von dem Dahinter – „und Lust auf mehr machen“, betont Czech.
Mit Beate Baberske hat eine Fachfrau gewonnen. Die 49-Jährige, die im sächsischen Görlitz geboren wurde, ist Künstlerin bei Diakoneo Paramentik im bayerischen Neuendettelsau, einer Einrichtung von Diakoneo, einem großen Gesundheits- und Sozialunternehmen.
Probleme mit Lieferketten
Als Paramente werden die im Kirchenraum und in der Liturgie verwendeten Textilien bezeichnet, die kunstvoll in den Farben des Kirchenjahres genäht oder gestickt werden, etwa Tücher für Altar und Kanzel. Man sei „eine Art kirchlicher Innenausstatter“, hat Baberske in einem Video gesagt, und Paramente als „Predigt für die Augen“ bezeichnet.
Die 49-Jährige, die Facharbeiterin für Textiltechnik und Diplomdesignerin Textilkunst (FH) ist, ist seit dem Jahr 1996 bei der Paramentik in Neuendettelsau, die nach eigenen Angaben die älteste evangelische Paramentenwerkstatt weltweit ist. Im Internet hat sie die Entstehung des Fastentuchs anschaulich geschildert.
Das Tuch lade ein, zur Ruhe zu kommen, sagt Künstlerin Baberske bei der Enthüllung. Zugleich hebe es den Ort vor dem Tuch hervor. Die Künstlerin selbst interessiert „die Struktur, die entsteht, wenn zwei transparente Stoffe sich überlagern“. Das Schwierige an der Arbeit sei gewesen, diese termingerecht fertigzustellen, weil sich die Lieferketten im Zuge von Corona geändert hätten.
Der Preis ist mit 2500 Euro dotiert. Kirchenbesucherinnen und -besucher begrüßen das Tuch. Es sei sehr modern, sagt eine 72-Jährige. Eine 25-Jährige sagt, es passe in die Kirche. Am Abend würdigt Erzbischof Stephan Burger in seiner Predigt in der Kirche das Tuch. Es mache die „Botschaft des Kirchenraums und das Geheimnis unserer Liturgie“ auf neue Weise erfahrbar, so Burger laut seiner Pressestelle.