Gesellschaft - „Krippe am Fluss“ in der Heidelberger Jesuitenkirche widmet sich Pandemie und Flüchtlingsschicksalen

Bedrückende Szenerie zu guter Botschaft

Von 
Michaela Roßner
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Heidelberg. Selbst Eva und Adam tragen einen Mund-Nasen-Schutz. Die Erde befindet sich in Schieflage und die Stimmung ist mehr als düster: Die „Krippe am Fluss“ in der Heidelberger Jesuitenkirche wirkt in diesem Advent besonders beklemmend. Genauso betrüblich: Kaum waren die Figuren in diesem Jahr aufgestellt worden, wurde ein Teil von ihnen beschädigt.

Vor 21 Jahren hat der frühere Gefängnispfarrer Hermann Bunse die „Krippe am Fluss“ initiiert. „Die Idee entstand bei einer Taizé-Freizeit“, erzählte der Pastoralreferent einmal dieser Zeitung. „Dort haben wir die ersten Figuren gebastelt.“ Das Material ist Recyclingware: Pappmaché aus Zeitungspapier; Kleiderbügel bieten den Charakteren Rückgrat. Bald kamen neue Darsteller hinzu, gebastelt später von Insassen der früheren JVA „Fauler Pelz“ in wenigen Hundert Metern Luftlinie von der Kirche gelegen. Da gehörte das inzwischen leere Gefängnis zur katholischen Seelsorgeeinheit. Zuletzt hat ein Freundeskreis die Pflege der Krippe übernommen.

Die Darstellung von gestrandeten Flüchtlingen vor Lampedusa war schon 2013 zu sehen, hat aber nichts an bedrückender Aktualität verloren. So findet sich im unteren Bereich der aktuellen Krippe ein auf dem Bauch liegendes Kind. Das Foto ging 2015 um die Welt als Sinnbild der Tragödie: Der kleine syrische Junge Alan Kurdi, der tot an einem türkischen Strand angeschwemmt wurde.

Ob Missbrauch von Kindern, Umweltkatastrophe oder Krankheit: Die „Krippe am Fluss“ nimmt aktuelle Konflikte und Katastrophen auf. Schon im zweiten Pandemiejahr werden nun Masken getragen. Särge erinnern an die massenhaften Covid-19-Opfer etwa im italienischen Bergamo.

Der Name sei entstanden in Anlehnung an den nahen Neckar, der das Stadtbild prägt. Und an ein Wahlprogramm „Stadt an den Fluss“, das die Neckarstaden gerne untertunnelt hätte. Aber natürlich kann man der Titel auch im übertragenen Sinn zu verstehen – alles fließt. Biblische Schrift, Fiktion und Realität vermischen sich in der Krippe. „Echte“ Elemente bilden nicht nur Nelson Mandela und Martin Luther, der an den Aufenthalt des Reformators 1519 in der Unistadt erinnert. Auch der frühere Bundestrainer Jogi Löw ist wieder dabei – an seiner Seite ein Clown.

Ob HIV-Kranker, Prostituierte oder Drogenabhängiger: In dieser Krippenszene haben alle Platz. Ganz neu ist der russische Regimekritiker Alexej Nawalny, er streckt seine Arme hilfesuchend durch die Gitter des Gefängnisses.

Ist das nicht alles ein wenig zu dunkel in der eigentlichen Hoffnungszeit, dem Advent? Bunse hofft, dass es noch immer eher eine Heils-, denn eine Unheilsgeschichte ist. „Die Erde in Schieflage“ ist die Krippe nun überschrieben. Die Kulissenteile sind verkantet und verschoben, als wäre ein kleines Erdbeben durch sie gegangen. „Die Krippe in der Jesuitenkirche provoziert im liebevollen, geiststarken Sinn“, meint Erbauer Bunse im Vorwort zum neuen Bildband, der die aktuelle Krippe begleitet. „Während wenige Besucher die Botschaft durch Beschwerden glätten wollen, signalisiert die Mehrzahl der Betrachter mit entspannter Mimik das Geschehen mit großer Freude. Viele nehmen die Verheißung des Segens mit in den Alltag“, heißt es dort weiter.

Dass ausgerechnet in diesem schweren Jahr zum ersten Mal Figuren beschädigt wurden, macht alle traurig, denen die Krippe ans Herz gewachsen ist. Drei bekannte Frauenfiguren – Greta Thunberg, Carola Rakete und Mutter Theresa hat es getroffen. Sie lagen umgeworfen und zum Teil zerbrochen auf dem Boden. Die Hauptperson der biblischen Geschichte, das Jesuskind, kommt traditionell erst an Weihnachten dazu. Das ist die gute Nachricht – auch in derart bedrückenden Zeiten.

Krippe und Bildband

  • Die Krippe in der Jesuitenkirche ist bis 2. Februar täglich von 9.30 bis 17 Uhr zu sehen.
  • Es werden Spenden gesammelt, die der Seenotrettung und der Hungerhilfe Jemen zugute kommen.
  • Der Bildband ist mittlerweile in der dritten Auflage erschienen. In diesem Buch werden Szenen und Figuren der Krippe jeweils mit einem Wort aus der Bibel und kurzen meditativen Texten verbunden.
  • Der Bildband kostet fünf Euro und kann in der Kirche erworben werden.
  • Die „Krippe am Fluss“ wird von Menschen aus der ganzen Welt besucht.
  • Einige von ihnen hinterlassen im Gästebuch schriftlich ein paar Gedanken. miro

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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