Heidelberg. Als wäre die Diskussion im Rhein-Neckar-Raum in diesen Tagen nicht ohnehin schon politisch aufgeladen genug, spitzte sich in den vergangenen Tagen rund um die Universität Heidelberg ein weiteres Thema zu. Die mutmaßlich religiös motivierte Bluttat mit Todesfolge am Mannheimer Marktplatz, der offensichtlich im letzten Moment verhinderte Anschlag auf Menschen in der Heidelberger Synagoge - und nun eine Vortragsveranstaltung an einer der renommiertesten Bildungseinrichtungen Deutschlands mit zwei Teilnehmern, die den Terrorangriff der terroristischen Hamas vom 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel mindestens rechtfertigen.
Am Dienstag, 4. Juni, sollen die beiden palästinensischen Aktivisten Hebh Jamal und Mahmoud O. am Zentrum für transkulturelle Studien zum Thema „Palestinian activism and (German) Media“ zu Wort kommen.
Seit der öffentlichen Ankündigung des Abends, der anfangs noch mit Snacks und Drinks beworben wurde, regt sich heftiger Widerstand. Es sind erwartungsgemäß zunächst Vertreter jüdischer Interessen, die die Ansetzung des Vortrags scharf verurteilen. Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft Rhein-Neckar mit dem Mannheimer Politiker Chris Rihm an der Spitze machte sich noch am Montag für eine Absage stark und appellierte an die Leitung der Universität. „Das sind keine Leute, die man als Universität einlädt“, sagte er. Aber wer sind Hebh Jamal und Mahmoud O. ?
Palästinenserin beklagt bösartige Hetzkampagne gegen sie
Beide sind nach Einschätzung von Chris Rihm geschulte Rhetoriker, die in der Lage seien, große Menschenmengen hinter sich zu versammeln. Ihre Auftritte, regional wie bundesweit, sind mehrfach dokumentiert. Auf einem Tik-Tok-Video, das öffentlich nicht mehr einsehbar ist, sagte Jamal nach dem Überfall der Hamas: „Dekolonialisierung ist schmutzig, Dekolonialisierung ist hässlich, Dekolonialisierung ist nicht hübsch anzusehen. Sie ist furchterregend, aber sie ist absolut notwendig.“ Jamal bezeichnet sich auf ihrem Instagram-Account als muslimische Autorin und Journalistin aus New York, die nun in Deutschland lebt.
Mehr als 30 Mitglieder ihrer Familie seien im Gaza-Streifen von Israelis ermordet worden, schreibt sie auf Anfrage dieser Redaktion. Zionisten und Medien hätten gegen sie in den vergangenen Wochen eine bösartige Hetzkampagne geführt. Den Versuch, mit ihr telefonisch in Kontakt zu treten, beantwortete sie lediglich mit einem von ihr verbreiteten Instagram-Post.
Mahmoud O. taucht bei einer Recherche auf X (früher Twitter) in einem Video auf, das einen Beitrag des ZDF-Magazins Frontal zeigt. Er brüllt dort in ein Megafon: „Die Hamas wird verboten, und keiner weiß wieso.“ O. sollte Anfang April in Berlin einen Workshop über politischen Aktivismus geben. Doch der „Palästina-Kongress“, auf dem das geplant war, wurde kurz nach Beginn von der Polizei beendet. Grund war nach Berichten eine Videobotschaft von Abu Sitta, die dort abgespielt werden sollte. Gegen den 86-jährigen Palästinenser gibt es ein Betätigungsverbot, weil er gesagt hat, dass er bei den Massakern mitgemacht hätte, wäre er jünger gewesen.
Jüdischer Kantor aus Mannheim fordert Absage der Veranstaltung
Hinter den beiden Gästen des Zentrums für transkulturelle Studien an der Uni Heidelberg steht das Netzwerk Zaytouna Rhein-Neckar, eine Bewegung, die sich ihrem Instagram-Auftritt zufolge für die Freiheit des palästinensischen Volkes in ihrem Heimatland engagiert. Amnon Seelig, Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim, wird mit Blick auf die geplante Veranstaltung deutlich: „Deren Organisation unterstützt Terror, indem sie ihn verharmlost“. Die Veranstaltung müsse abgesagt werden, denn die Universität werde vom Land und vom Staat finanziert. Anfangs habe sie in physischer Präsenz stattfinden sollen, nun sei sie auf 20 Teilnehmer des Seminars in einer Online-Veranstaltung eingeschränkt worden. Das zeige, dass die Uni Angst habe, den Abend ganz abzusagen.
Eine offizielle Verlautbarung von Seiten der Uni gab es am Montagmittag auf Anfrage dieser Redaktion. „Die Universität Heidelberg verurteilt die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel auf das Schärfste“, heißt es dort. Gleichzeitig stelle die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit ein hohes und schützenswertes Gut in unserer demokratischen Gesellschaft dar. Uni-Rektorin Frauke Melchior hat aus aktuellem Anlass noch am Montagabend Vertreter des Seminars, den Rektor und weitere Vertreter der Hochschule für Jüdische Studien sowie zwei Vertreter jüdischer Studierendenverbände zum Gespräch eingeladen. Danach soll erst am Dienstag entschieden werden, ob und in welchem Format die Abendveranstaltung stattfinden kann.
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