Vor 50 Jahren

Vor 50 Jahren - RAF lässt Autobomben in Heidelberg detonieren

Von 
Michaela Roßner
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Drei Todesopfer und fünf Verletzte fordert das RAF-Attentat am 24. Mai 1972. © Roland Witschel/dpa

Heidelberg. Es ist gegen 18 Uhr. Im Heidelberger Süden detonieren zwei Autobomben. Drei US-Soldaten werden in den Tod gerissen, fünf weitere Menschen verletzt. Am 24. Mai 1972 – vor genau 50 Jahren – greifen Terroristen auf dem Gelände der Army in der Heidelberger Südstadt nicht nur die Militäreinrichtung an, sondern erschüttern auch das Sicherheitsgefühl erheblich. Robert Garback wird diesen Tag niemals vergessen: Er kennt die drei Männer, die an diesem Tag sterben. Er selbst ist in diesem Moment nur hundert Meter entfernt. Die Fensterscheiben in seinem Büro bersten, Metallsplitter fliegen in den Raum. „Dieser Tag markiert eine veränderte amerikanische Präsenz in Deutschland“, unterstreicht Uwe Wenzel, Leiter des Mark Twain Centers für transatlantische Beziehungen, die historische Bedeutung.

Mark Twain Center

  • Das KulturzentrumMark Twain Center für transatlantische Beziehungen“ hat gerade in der ehemaligen Kommandantur (Römerstraße 162) geöffnet.
  • Es will nicht nur dokumentieren, sondern auch fortführen, was es an menschlichen Beziehungen und Erinnerungen zwischen Deutschen und Amerikanern gibt – mit dem besonders intensiven Blick auf Heidelberg.
  • Zum Tag der offenen Tür am Sonntag kamen rund 600 Besucher.
  • Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 18 Uhr.

Das Attentat der „Rote Armee Fraktion“ wird als Teil der sogenannten „Mai-Offensive“ geschichtlich eingeordnet. Die Terroristen haben vor Heidelberg bereits Anschläge auf das Hauptquartier des V. US-Corps in Frankfurt, auf Polizeibehörden in Augsburg und München, auf das Springer-Hochhaus in Hamburg sowie auf BGH-Richter Wolfgang Buddenberg in Karlsruhe verübt. Letzterer überlebt durch einen glücklichen Umstand; er läuft an diesem Tag ausnahmsweise zu Fuß zur Arbeit. Glückliche Umstände im schrecklichen Geschehen gibt es auch in Heidelberg: Eine der beiden Autobomben vom 24. Mai 1972 explodierte vor dem Eingang zum Kino für Militärangehörige, berichtet Zeitzeuge Garback. „Um 18.30 Uhr hätte hier ein Film beginnen sollen, es wären sicher 50 bis 60 Menschen in der Schlange davor gestanden. Doch weil der Projektor kaputt war, fiel die Vorstellung aus – zum Glück“, erinnert sich der heute 79-Jährige.

Nur ein Kennzeichen montiert

Der Platz, auf dem die Attentäter den VW-Käfer mit Gasbehälter abstellen, heißt heute Marlene-Dietrich-Platz und ist die neue Adresse des Karlstorbahnhofs. Den zweiten Bomben-Wagen parken die Täter etwas entfernt davon in der Nähe des Fernmeldeturms.

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Heute weiß man: Die Terroristen beobachten vorher, dass Autos mit einem amerikanischen Kennzeichen einfach auf das Gelände der Campbell Barracks/Mark Twain Village rollen dürfen. „Sie montierten solche Kennzeichen an die Bomben-Autos und stellten die Fahrzeuge dort ab“, berichtet Wenzel. Dabei sei noch nicht einmal aufgefallen, dass am VW Käfer nur ein einzelnes Kennzeichen hing – statt zwei.

Diese laxen Sitten waren mit dem Tag des Anschlags vorbei, betont der Leiter des Mark Twain Centers. Schrittweise schotten die amerikanischen Streitkräfte sich immer weiter ab „Normalbürger konnten ab dem Zeitpunkt des Attentats nicht mehr einfach so Kontakte pflegen mit den Amerikanern.“ Autoböden wurden mit Kameras überprüft, bevor sie die Eingangskontrolle passieren konnten. Und auch die amerikanischen Autokennzeichen – zuerst bunt und sofort als solche zu erkennen – passten sich immer weiter an, bis sie heute nicht mehr von denen mit deutscher Zulassung zu unterscheiden sind, erklärt Wenzel. Auch deshalb widmet das Mark Twain Center diesem Attentat in der Dauerausstellung ein eigenes Kapitel mit mehreren Fotos – und der Schilderung des Zeitzeugen Garback. Der überließ dem Center einen der Metallsplitter, die vor 50 Jahren in sein Büro geschleudert wurden. „Zum Glück war ich in diesem Moment gerade um die Ecke gegangen“, beschreibt er einen weiteren Zufall 1972.

Der Kommilitone, ein Terrorist

Die RAF bekennt sich einen Monat später zu dem Anschlag. Er sei aus Protest gegen den US-Bombenkrieg in Vietnam erfolgt, heißt es. Nach Heidelberg gekommen waren die späteren RAF-Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin im März 1971. Sie suchten die Nähe zum Sozialistischen Patientenkollektiv (SPK), aus dem mehrere Terroristen rekrutiert wurden.

Heidelberg bleibt Ziel der Terroristen: Am 15. September 1981 beschießen RAF-Terroristen im Neckartal den Wagen des US-Generals Frederick James Kroesen. Er überlebt. Kroesen, der bis dahin in Schlierbach gewohnt hat, zieht aus Sicherheitsgründen in die Campbell Barracks – wo Garback fast zehn Jahre zuvor Zeuge des Anschlags ist.

RAF-Terrorist Christian Klar gesteht später, dass er es war, der mit einer Panzerbüchse 1981 auf Kroesen geschossen hat. „Ich kannte Christian Klar“, erzählt Garback weiter: „Er war ein Kommilitone von mir.“ Beide Männer studierten in Heidelberg Politologie.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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