Medizin

So half ein Heidelberger Arzt seinem Sohn im Kampf gegen Krebs

Max Rewerk bekam vor zwei Jahren eine Tumordiagnose. Dass er heute problemlos wieder Fußball spielt, hat auch mit einer guten Idee seines Vaters zu tun. Die Erfindung könnte auch anderen Patienten helfen

Von 
Stephan Alfter
Lesedauer: 
Vater und Sohn in der MM-Redaktion: Max Rewerk (20) und sein Vater Stephan Rewerk (67) sprechen über die vergangenen zwei Jahre, die durch die Krebserkrankung des jungen Mannes nicht einfach waren. © Stephan Alfter

Heidelberg. Es ist auf den Tag genau zwei Jahre her: Der 18-jährige Max Rewerk muss sich einer kleinen Nasenoperation unterziehen, weil er schlecht Luft bekommt. Eigentlich keine große Sache. Der 10. Januar 2023 wird im Anschluss an den Eingriff aber zum bisher schwärzesten Tag im Leben des damaligen U19-Bundesliga-Fußballers. In seinen Nebenhöhlen und an den Lymphknoten ist ein Tumor gewachsen - ein alveoläres Rhabdomyosarkom, wie sich in einer Gewebeprobe erweist.

Max Rewerk während der Chemotherapie auf dem Laufband. © Stephan Rewerk

Dieser Tumor gehört weltweit nicht gerade zu den bekanntesten Krebsarten. Kaum jemand hat Erfahrung damit. Mit diesen schlechten Nachrichten betritt die Ärztin das Zimmer des jungen Patienten. Max’ erster Gedanke: „Warum ich?“

Die Zeit bis zur ersten Chemotherapie vergeht schnell. Unter der Leitung von Professor Gerlinde Egerer gelingen in der sechsmonatigen Behandlung an der Uniklinik in Heidelberg gute Fortschritte.

Die typischen äußeren Merkmale eines Krebspatienten muss Max dennoch ertragen. Sein Körper ist nach der jeweiligen Dosis völlig platt und zu nichts zu gebrauchen. Augenbrauen und Haare fehlen bald. Sein damals blasses Gesicht versucht sich dennoch in Optimismus. „Nach einer Woche ging es mir einigermaßen“, erinnert sich der Abiturient an diese Phase.

Was ihm während der neun Zyklen Chemotherapie hilft, ist der Glaube daran, dass er auf den Fußballplatz bei Astoria Walldorf zurückkehren will. Sein Vater, selbst Mediziner von Beruf, ist bis heute überzeugt, dass die Sporteinheiten, die sein Sohn wenige Tage nach den jeweiligen Behandlungen im heimischen Keller absolviert, ihren Anteil an der Genesung haben. Er motiviert ihn. „Sport wirkt so viel wie die Chemotherapie selbst“, sagt der Gefäßchirurg - nicht ohne zuzugeben, dass er dazu jetzt keinen wissenschaftlichen Beweis habe.

Eine Carbon-Schlinge schützt den Port in der linken Brust. © Stephan Rewerk

Stephan Rewerk begleitet den Prozess, den sein Sohn durchlebt, intensiv. Und er setzt sich auch rein praktisch mit der Frage auseinander, wie es weitergehen kann, wenn die Chemotherapie vorüber ist.

Die meisten Krebspatienten tragen einen Venenzugang unter der Haut

Als Arzt weiß er, dass sein Sohn über einen längeren Zeitraum einen Port tragen muss, den er vor der ersten Chemotherapie unter die Haut im Bereich der linken Brust verpflanzt bekommt. Dieser dient dazu, Infusionen in die Venen laufen lassen zu können, ohne jedes Mal einen Stich in den Arm zu setzen.

Portschutzsystem

  • Das von der Firma Ortema nach einer Idee von Stephan Rewerk entwickelte System schützt implantierte medizinische Ports während sportlicher Aktivität vor Druck und Stößen.
  • Der Zweck ist eine sichere und komfortable Teilnahme an sportlicher Aktivität, was zur Verbesserung der Lebensqualität und einer erhöhten Chance auf Heilung bei bösartigen Tumoren beitragen soll.
  • Unter der Sportkleidung ist das Protektionssystem von außen kaum zu erkennen.
  • Stephan Rewerk und die Firma Ortema haben sich die Entwicklung als Gebrauchsmuster eintragen lassen. Der nächste Schritt wäre die Beantragung eines Patents. Darüber denken die Entwickler nach. Der Heidelberger Sportwissenschaftler Jan Haselhorst empfiehlt das Produkt derweil erkrankten Sportlern weiter.

Aber: Wer ihn am Körper trägt, der weiß auch, dass Kontaktsportarten nicht die beste Option sind. Nun wird beim Fußball eben auch mal gerempelt - auch im Strafraum, wo Innenverteidiger Max sein Hauptaufgabengebiet hat.

Rückkehr auf den Fußballplatz als Teil einer Heilungsgeschichte

Der 67-jährige Rewerk ist sich sicher, dass eine schnelle Rückkehr seines Sohnes auf den Fußballplatz Teil der Heilungsgeschichte sein kann. Aber: Wie schützt man diesen Port? So einfach diese Frage scheint, so diffizil ist die Lösung. Stephan Rewerk telefoniert herum.

Wie klappt das bei Profifußballern, die nach einer Tumortherapie zu ihren Vereinen zurückkehren? Wie ist das bei Borussia Dortmund gewesen? Wie handhabt man das beim VfB Stuttgart? Es gibt wenig konkrete Antworten. „Ich fiel aus allen Wolken“, erinnert sich Rewerk an seine Reaktion, dass niemand bisher an die Entwicklung eines Portprotektionssystems gedacht hatte. Aber bei den Stuttgartern gab es wenigstens ein Bemühen und freundliche Menschen.

Über diverse Umwege gelangt Rewerk also zu Ortema in Markgröningen, einem baden-württembergischen Unternehmen, das sich auf dem Feld der Orthopädie-Technik einen Namen gemacht hat. Die Erkenntnis zunächst: Es gibt bisher kein einziges Produkt, das einen Port, der üblicherweise an der selben Stelle am Oberkörper sitzt, schützt.

Mehr zum Thema

DKMS

Knochenmarkspender für krebskranken Ben aus Heidelberg gefunden

Veröffentlicht
Von
Rahel Adel
Mehr erfahren
Soziales

Darmkrebs im Endstadium: Pfälzer sammelt Spenden für Frau und Tochter

Veröffentlicht
Von
Julian Eistetter
Mehr erfahren

Die zweite Erkenntnis: Ortema ist ein Glücksfall. Noch am Telefon verspricht ihm ein Techniker, das sein Sohn kommen solle und den Laden nicht ohne Portschutz wieder verlassen werde. Und so kam es dann auch. Aus Carbon gefertigt, gleicht die Neuentwicklung einer Schlinge um den Oberkörper. Unter dem Fußballtrikot habe sie bisher kein Schiedsrichter wahrgenommen, sagt Max, der seine Fußballlaufbahn inzwischen in der Herren-Verbandsliga bei Heidelberg-Kirchheim fortsetzt und derzeit vor der Wahl steht, ob er sich in seinem anstehenden Studium eher Richtung Ingenieurwesen oder Richtung Medizin entwickeln will. Vom Krebs ist nichts übrig geblieben. Max ist gesund.

Sein Vater hat sich entschieden, neben seiner Tätigkeit als Gefäßchirurg in Zukunft ein größeres Auge auf die Krebsmedizin zu haben. Ans Aufhören denkt er nicht - auch wenn die Zeit, die heute vor zwei Jahren begann, auch ihn Kraft gekostet hat.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke