Soziales

Darmkrebs im Endstadium: Pfälzer sammelt Spenden für Frau und Tochter

2020 erhält Nico Schneider aus Fußgönheim die Diagnose Darmkrebs im Endstadium. Er gilt als unheilbar und die Standardtherapie ist am Ende. Mit einer Spendenaktion will der 44-Jährige seine Familie absichern.

Von 
Julian Eistetter
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Krebspatient Nico Schneider mit seiner achtjährigen Tochter vor dem Weihnachtsbaum im heimischen Fußgönheim. © Privat

Fußgönheim. Für Nico Schneider wird es keine Heilung geben. Vor fast fünf Jahren diagnostizieren Ärzte bei ihm Darmkrebs im Endstadium. Von einem Tag auf den nächsten ist des Leben des heute 44-Jährigen aus dem pfälzischen Fußgönheim auf den Kopf gestellt. Es folgt ein Marathon aus Operationen und Chemotherapien, rund 60 Zyklen muss der gebürtige Karlsruher über sich ergehen lassen.

Dass er heute noch am Leben ist, war nach der ersten Prognose der Ärzte nicht unbedingt zu erwarten. Sie geben ihm 2020 eine Überlebenschance von acht Prozent für fünf Jahre. Doch Schneider kämpft weiter. Vor allem für seine Familie, seine Frau Nina und die achtjährige Tochter Mara, der er eine möglichst unbeschwerte Jugend ermöglichen will. Allerdings ist die Standardtherapie nun am Ende und nahezu alle medizinischen Optionen ausgeschöpft. Früher oder später, das ist Nico Schneider bewusst, wird er seine Frau und sein Kind zurücklassen müssen.

Diese emotionalen Worte schreibt der Krebspatient auf der Spendenplattform GoFundMe

„Oft vergessen wir leider im Alltag, wie dankbar wir für unsere Gesundheit und die unserer Liebsten sein sollten, denn von einem Tag auf den anderen kann alles anders sein.“ Mit diesen Worten beginnt ein Text, den Nico Schneider auf der Spendenplattform GoFundMe verfasst hat. Mit einer Kampagne will er dort Geld sammeln, um seine Familie nach seinem Tod abgesichert zu wissen.

Darmkrebs und Infos zur Spendenaktion

  • Nico Schneider leidet an Darmkrebs, laut Deutscher Krebshilfe eine der häufigsten bösartigen Erkrankungen.
  • In Deutschland erhalten laut Robert-Koch-Institut jährlich 54 770 Menschen die Diagnose, davon 30 530 Männer.
  • In den meisten Fällen erkranken ältere Menschen an Darmkrebs. Rauchen und Alkohol erhöhen das Risiko.
  • Zur Spendenaktion von Nico Schneider geht es hier.

 

„Ich kann mir nicht im Entferntesten vorstellen, was meine Familie durchmachen muss, wenn ich gegangen bin. Ich kann ihnen nicht die Trauer nehmen oder irgendwas tun, um es ihnen leichter zu machen. Aber mit eurer Hilfe kann ich versuchen, ihnen den finanziellen Druck von den Schultern zu nehmen. Deshalb bitte ich euch aus tiefstem Herzen, helft meiner Familie, so dass ich in Ruhe und Frieden gehen kann“, schreibt der 44-Jährige dort.

Die Familie aus Fußgönheim ist überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Spender

Die Idee einer Spendenaktion hätte ein Freund schon vor mehr als einem Jahr gehabt, berichten Nico Schneider und seine Frau Nina im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich habe erst gezögert. Anderen Leuten geht es noch schlechter als mir und ich hatte ein schlechtes Gewissen, um Geld zu bitten“, sagt der 44-Jährige. Als sich sein Zustand aber immer weiter verschlechtert habe, sei die Entscheidung gereift, es doch zu tun. „Ich will nicht irgendwann bereuen, es nicht getan zu haben.“

Am 9. Dezember ging die Kampagne online, rund 23 000 Euro sind bereits zusammengekommen. „Wir sind wirklich überwältigt von der Hilfsbereitschaft“, sagt die 42-jährige Ehefrau. „Wir haben das Ganze erstmal im direkten Umfeld und im Ort bekannt gemacht. Inzwischen sind aber viele Namen unter den Spendern, die uns gar nichts sagen.“

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Als Spendenziel sind 180 000 Euro angegeben - ungefähr die Summe, die noch für das gemeinsame Haus in der pfälzischen Gemeinde abzubezahlen ist. „Es würde mein Herz brechen, wenn ich wüsste, dass unser Haus, unser sicherer Hafen, in Gefahr wäre. Hier haben wir gemeinsam gelebt, geliebt, gelacht und geweint. Es steckt so voller Emotionen und Erinnerungen“, schreibt Schneider dazu im Spendenaufruf. Hinzu komme, dass seine Frau, die im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg als Biologielaborantin arbeitet, wegen der zusätzlichen Belastung auf 35 Prozent habe reduzieren müssen. Schneider, der zuletzt als Verifikationstest-Ingenieur für die Firma Ferchau tätig war, ist seit den ersten Operationen erwerbsunfähig.

Mit einem vermeintlichen Magen-Darm-Infekt geht Schneider 2020 zum Arzt

Für den damals 39-Jährigen kommt die Diagnose völlig aus dem Nichts. Nach einem Grillabend muss er sich am nächsten Tag bei der Arbeit übergeben. Er kann plötzlich gar nichts mehr bei sich behalten, auch kein Wasser. In der Annahme, einen Magen-Darm-Infekt zu haben, geht er Ende April 2020 zum Arzt. Als dieser von den Symptomen erfährt, schickt er Schneider direkt ins Krankenhaus. Dort wird er künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Die Ärzte entfernen einen Tumor, der die gesamte Darmpassage blockiert hatte. Nach der Analyse die Diagnose: metastasierender Dickdarmkrebs im Endstadium, nicht heilbar. Bei einer OP werden alle sichtbaren Metastasen, Milz, Gallenblase, Teile des Bauchfells sowie des Dick- und Dünndarms entfernt. Die Chemo beginnt. Im Frühjahr 2021 gilt Schneider als tumorfrei, doch der Krebs kommt mit voller Wucht zurück, bildet Metastasen in zahlreichen Organen.

Der damals 39-Jährige im Jahr der schockierenden Diagnose. © Privat

Diagnose ist ein Schock: „Ich war sportlich, habe nicht geraucht, mich gesund ernährt“

„Für mich war die Diagnose ein Schock, denn ich war bislang komplett beschwerdefrei. Ich war sportlich, habe nicht geraucht, mich gesund ernährt, war erblich nicht vorbelastet“, berichtet der Fußgönheimer. Ein halbes Jahr zuvor sei er noch bei einem Zehn-Kilometer-Lauf mitgelaufen. Seine Frau Nina beschreibt das als besonders frustrierend. Zu wissen, ein möglichst gesundes Leben geführt zu haben, und dennoch so einen Schicksalsschlag zu erleiden.

Etwas Positives kann Schneider den Untersuchungen aber abgewinnen. „Ich bin froh, dass es nichts Genetisches ist und meine Tochter somit nicht gefährdet“, sagt er. Zur Vorsorge soll Mara nach Angaben ihrer Mutter aber dennoch früher gehen als andere.

Für die achtjährige Tochter ist die Situation schwer zu verstehen - Beratung bei Krebsgesellschaft in Ludwigshafen

Für das Mädchen ist die Situation aktuell besonders schwierig. Bei der Diagnose war sie erst drei Jahre alt und konnte die Tragweite noch nicht verstehen. Doch in letzter Zeit häufen sich die Fragen, berichtet Mutter Nina. „Sie will wissen, was im schlimmsten Fall passieren kann“, sagt sie. Nach Rücksprache mit einer Psychologin beantworten die Eltern die Fragen kindgerecht, aber ehrlich. Mara weiß also, dass ihr Papa bald sterben könnte. Seitdem sei sie oft traurig und weine viel. Bei der Krebsgesellschaft Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen lässt sich die kleine Familie beraten, um bestmöglich mit der belastenden Situation umzugehen.

Nico Schneider versucht das alles auszublenden. Seine Trauer und Frustration. Die quälenden Fragen. Wie lange darf ich noch leben? Wie viel Zeit kann ich noch mit meiner Familie verbringen? Ist dies unser letztes gemeinsames Weihanchtsfest? „Ich will daran nicht verzweifeln und meiner Tochter ein möglichst normales Leben ermöglichen. Sie soll mich nicht in Erinnerung behalten, wie ich ständig weine, sondern als einen lustigen und lebensfrohen Menschen“, sagt er.

Im Februar steht am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen im Heidelberg das nächste Staging an

Aktuell nimmt der 44-Jährige neu zugelassene Tabletten ein. Da dazu wenige Daten vorliegen, sei eine Prognose schwierig. Im Februar stehe am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg das nächste Staging an, bei dem das Stadium der Erkrankung untersucht wird. „Da wird sich zeigen, ob die Tabletten etwas bewirken“, sagt Schneider. Bis dahin versucht er, jeden Moment mit seiner Frau und seiner Tochter zu genießen. Dass es ihnen auch nach seinem Tod gut geht, ist sein größter Wunsch.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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