Heidelberg. Schloss-Gastronom Martin Scharff (58) hängt noch mindestes fünf weitere Jahre im Heidelberger Wahrzeichen dran: Gerade habe er den Vertrag unterzeichnet, verrät er im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit zehn Jahren verwöhnt der gebürtige Mittelfranke, dessen Arbeit einst als jüngster deutscher Koch mit dem ersten Michelin-Stern geadelt wurde, schnelle Schlossbesucher mit „Bratwurst-Hunger“ genauso wie Gourmets, denen es nach fein komponierten Menüs „dürstet“. Im Jubiläumsjahr und mit der abschwellenden Pandemiekurve startet Scharff nun richtig durch. Dafür hat er sich unter anderem „Genussaktien“ einfallen lassen: Gäste bezahlen dafür 500 Euro, können aber den Gegenwert von 600 Euro bestellen. Und Musikgenuss steht nun immer häufiger mit bei Scharff auf der Speisekarte.
Riesenerfolg mit „Queen“
4500 Gäste besuchten etwa die zwanzig „Queen“-Dinnershows im Winter. „Ein Riesenerfolg“, freut sich der Gastwirt. Ein Koch als Impresario, der Shows auf die Bühne bringt? Für Martin Scharff, der 15 Jahre lang zum Beispiel die Gäste der Berlinale bekochte, gar kein allzu großer Schritt. Zumal er bei vielen großen Festivals Kontakt zu Größen des Musikgeschäfts hatte.
Einst jüngster Sternekoch Martin Scharff
- Martin Scharff (58) stammt aus Dinkelsbühl und arbeitete nach der Ausbildung zum Koch unter anderem in den Küchen von Harald Wohlfahrt und Jörg Müller.
- Gerade zehn Monate hatte das erste Restaurant geöffnet, als er seinen ersten Stern erhielt („Eisenkrug“ in Dinkelsbühl) - Scharff war damals mit 27 Jahren der jüngste Küchenchef eines Sternerestaurants in Deutschland.
- 30 Jahre lang verteidigte Scharff diese Auszeichnung.
- Seit 2012 leitet er die Gastronomiebetriebe des Heidelberger Schlosses.
- Im April 2020 kündigte er an, dass er künftig mit seiner „regionalen Geschmacksküche“ ein breiteres Publikum ansprechen wolle.
- Da man einen Michelin-Stern formal nicht zurückgeben kann - er wird einem zugesprochen oder nicht -, reduzierte der gebürtige Franke ab April die Öffnungszeiten seiner „Weinstube“ im Heidelberger Schloss auf Freitag und Samstag. Damit fiel er aus dem Bewertungsraster des Guide Michelin.
„Köche und Musiker verbindet vieles“, betont Scharff. Schon weil beide Genussmenschen seien. Schon als Kind habe er selbst Musik gemacht: Unter anderem als Trommler in der bekannten Dinkelsbühler Knabenkapelle. Unvergessen der Auftritt 1974 - Scharff war da gerade neun Jahre alt - im Olympiastadion, mit Sepp Maier im Rücken. Später hat Scharff eine eigene Band, tritt überall im Land als Percussionist auf.
Musik und gute Küche zeichnen sich für Scharff dadurch aus, dass sie Menschen glücklich machen können. Und so konnte man ihn etwa bei den „Queen“-Shows beobachten, wie er am Rand des Geschehens im Saal stand und nicht seine Mitarbeiter beim Servieren der Menüs beobachtete - sondern die Gäste: „Ich möchte sehen, ob es ihnen schmeckt und ob sie zufrieden und glücklich aussehen“, gibt er zu. Die Zeit nehme er sich, wenn die Arbeit in der Küche für ihn erledigt sei und sein Koch-Team Hand in Hand arbeite.
„Jedes neue Menü geht durch meinen Gaumen“, lässt der einstige Sternekoch indes keinen Zweifel daran, dass er sein Metier nach wie vor mit Perfektion ausübt. Daran habe sich nichts geändert, seit er im Winter 2019/2020 die Öffnungszeiten seiner „Schlossweinstube“ so veränderte, dass er aus dem Bewertungsmuster der „Michelin“-Sterne herausfiel - und in der Folge den Stern nicht mehr erhielt. „Ein Stern ist Fluch und Segen zugleich. Meine Gäste sollen regelmäßig kommen und sich nicht fragen müssen, ob sie sich das Essen bei mir überhaupt leisten können“, erklärt Scharff. Ein Genuss-Menü für 69 Euro etwa bietet er nun unter anderem an.
Dramatisch weniger Besucher – aber gute Bewertungen
- 331 341 Menschen haben im vergangenen Jahr das Heidelberger Schloss besucht. Das sind immer noch dramatisch wenige Besucher im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie: 1,16 Millionen Menschen hatten 2019 das Heidelberger Schloss besucht – eine Rekordanzahl. 2020 rutschte die Besucherzahl auf 339 294 Menschen – ein Rückgang um 70,7 Prozentpunkte.
- Dafür stellten die Gäste, die kamen und befragt wurden, der berühmten Sehenswürdigkeit Bestnoten aus: 93 Prozent finden die Romantik-Ruine „beeindruckend“, 75 Prozent „einzigartig“. Die Zahl der Gäste, die von weither kamen, ist stark zurückgegangen: von 70 auf 48 Prozent. Diese Ergebnisse haben Frank Krawczyk, Leiter des Bereichs Kommunikation und Marketing bei den Staatlichen Schlössern und Gärten in Baden-Württemberg, und die stellvertretende Leiterin der Schlossverwaltung Heidelberg, Andrea Zobel, am Dienstag im Schloss vorgestellt.
- Befragt wurden 3769 Gäste der Schlösser in Heidelberg, Schwetzingen, Ludwigsburg und Weikersheim sowie der Klöster in Maulbronn und Salem; pro Monument rund 600 Menschen.
- 89 Prozent der Befragten besuchten das Heidelberger Schloss mit Partner, Familie, Verwandten oder Freunden. Sie kamen aus Interesse an Geschichte (85 Prozent, aus Kunst- und Kulturinteresse (82) oder auch nur, um die Anlage zu genießen (85). 71 Prozent gaben an, das Schloss als touristisches Ziel angesteuert zu haben. Das ist der höchste Wert unter allen Monumenten.
„Mamma Mia“ kommt
„Dienstmüde“ ist Scharff im zehnten Jahr der Schloss-Gastro jedenfalls nicht. Denn er hat ein volles Programm geplant. An den Erfolg mit dem „Queen Dinner“ knüpft Scharff am 1. Juli mit einem Open-Air im Schlosshof an. Am 25. Mai gibt es zudem eine Küchenparty. „Im Zeichen der Liebe“ wird es am 27. Mai besonders romantisch mit Pop und Picknick im Schlosshof - für Letzteres richtet Scharff unter anderem einen Badischen Spargelsalat mit Butterbrösel und geräucherter Poulardenbrust an. Eine Udo Jürgens Nacht (12./13. August) steht ebenfalls auf dem Programm. Dass er besonders gerne die eigene Altersgruppe mit deren Musikgeschmack bedient, ist Scharff bewusst. Sehr gestaunt habe er, dass sich neulich beim Beatles-Special zu „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ spontan eine Polonaise durch den Königssaal schlängelte. Gespannt ist Scharff auf den kommenden Winter, wo er der Musik von Abba, also ebenfalls Musik aus den 1970er- und 1980er-Jahren, eine Dinner-Show widmen wird. Seit dem „Mamma Mia“-Film mit Meryl Streep und Pierce Brosnan habe die schwedische Band ja auch wieder ein junges Fanpublikum.
Stern vermisst er nicht
Die Pandemie war für die Gastronomie insgesamt eine sehr schwierige Zeit. Auch das Schloss, das sonst jährlich von rund 1,5 Millionen Touristen besucht wird, war wochenlang verwaist. Mit der Möglichkeit, nun im Schlosshof aufzutischen, hat Scharff danach eine Chance bekommen, ist er dankbar.
Ob er seinen Stern nicht doch schon vermisst hat? „Nein, auf gar keinen Fall“, betont der erfahrene Küchenchef - und diese Antwort kommt überzeugend tief aus seiner Brust. Zumal er jetzt mehr Zeit für die Familie und die beiden Töchter habe, freut er sich speziell für die Jüngste, die er mit ihren neun Jahren nun zum Ponyhof oder zu anderen Ausflügen begleiten kann.
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