Urteil

Prostituierte nach Betrug zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt

Im Prozess gegen eine Prostituierte wegen Betrugs in mehr als 50 Fällen hat das Heidelberger Landgericht eine 30-Jährige zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Frau soll einem Freier eine Notsituation vorgegaukelt haben

Von 
Michaela Roßner
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Im Frankfurter Rotlichtmilieu hatte ein 60-jähriger Heidelberger die 30 Jahre jüngere Prostituierte kennengelernt, die ihn um 1,6 Millionen Euro betrog. © Andreas Arnold

Heidelberg. Viereinhalb Jahre muss eine Prostituierte ins Gefängnis, weil sie einen Freier aus Heidelberg um fast 1,6 Millionen Euro „erleichtert“ hat, indem sie ihm ständig Notlagen vorspielte: Das Heidelberger Landgericht hat die 30-Jährige am Mittwochmittag wegen teils schweren und gewerbsmäßigen Betrugs in mehr als 50 Fällen verurteilt. Ursprünglich war sogar von einem Schaden in Höhe von 1,8 Millionen Euro die Rede, doch nicht alle Geldflüsse konnten exakt belegt werden. „Es muss davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Schaden noch höher ist“, hieß es in der Urteilsbegründung. Der betrogene Mann hatte offenbar geglaubt, sich nicht nur Sex, sondern auch Liebe gekauft zu haben - und der Frau angeblich helfen wollen.

Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Geld ist wohl verloren, wohin es floss, ist nicht bekannt. Allein 62 000 Euro konnten zuletzt auf deutschen Konten blockiert werden.

Regelmäßig fünfstellige Beträge an die Frau überwiesen

Der als „gutmütig und leichtgläubig“ beschriebene 60-Jährige lebte zwar in eher bescheidenen Verhältnissen, bekam aber aus Familienbesitz regelmäßig größere Geldzahlungen. Als Überweisungen oder in bar soll er die Angeklagte, die er im Frankfurter Rotlichtmilieu kennenlernte und in die er sich verliebte, regelmäßig mit größeren Summen bedacht haben - auch in der Hoffnung, dass sie mit ihm eine richtige Beziehung eingeht und ihre Arbeit im Rotlichtmilieu in Frankfurt aufgibt.

Zwischen Frühjahr 2021 und Herbst 2023 hatte die Frau per Überweisung oder bar nicht selten fünfstellige Beträge von dem Heidelberger erhalten haben - einmal 145 000 Euro. Dafür hatte sie nach Überzeugung der Richter unter dem Vorsitz von Jochen Herkle ordentlich Druck ausgeübt - und Notsituationen erfunden. „Anfangs ging es um angebliche Forderungen von einem Gläubiger. Kaum waren diese Forderungen befriedigt, tauchten angeblich die nächsten Gläubiger auf“, fasst Herkle zusammen. Die Frau sah sich angeblich Gewaltdrohungen ausgesetzt und berichtete gegen Ende der Betrugsserie sogar, sie sei entführt worden und müsse freigekauft werden.

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In dem Angeklagten habe die Frau, so die Urteilsbegründung weiter, ein leichtes Opfer gefunden. Sie war in der Hoffnung, einen Job in der Gastronomie zu bekommen, nach Deutschland gekommen und arbeitete bereits elf Jahre als Prostituierte, als sie den Heidelberger kennenlernte. Obwohl er mehrere Warnungen erhielt - zuletzt von einem Geldwäsche-Experten bei seiner Bank - hielt der 60-Jährige an der Illusion fest, dass sich die Frau doch noch zu einem normalen Leben an seiner Seite entscheiden würde.

Die zierliche Frau, die in der Hauptverhandlung einen sehr zurückhaltenden und eher ängstlichen Eindruck machte, habe „gewiefte kriminelle Energie“ an den Tag gelegt und über die fast drei Jahre ständig Druck aufgebaut, fasst der Vorsitzende zusammen. Belegt hatte das unter anderem der Chatverlauf auf ihrem Handy, der ausgedruckt mehrere hundert Seiten beidseitig bedrucktes Papier ergab. Die Analyse ergab auch: Im Austausch mit anderen Personen, darunter einem weiteren Liebhaber, war im gleichen Zeitraum nie die Rede von Drohungen oder Notsituationen.

Geständnis und Verständigung zum Prozessauftakt

Die Frau hatte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zum Prozessauftakt gestanden und am letzten von vier Verhandlungstagen unter Tränen formuliert, dass sie die Taten sehr bereue. Erster Staatsanwalt Tobias Schmidt hatte auf vier Jahre und zehn Monate Haft plädiert. Für die Angeklagte sprach aus seiner Sicht ihr offenes, ehrliches Geständnis, das ihrem Freier weitere belastende Zeugenaussagen erspart habe. Die Frau ist in Deutschland nicht vorbestraft.

Der Verteidiger plädierte am vierten Verhandlungstag am Mittwoch auf eine mildere Haftstrafe. Er ging stichwortartig auf die Lebensgeschichte der Angeklagten ein, die als Mutter von zwei minderjährigen Kindern in Hotspots der Prostitution unter sehr schweren Arbeitsbedingungen eingesetzt worden sei: Hamburg, Nürnberg, Belgien. „Eine Arbeitszeit von 15 Stunden täglich“ sei hier keine Seltenheit.

„Sie lebte in einem Umfeld, in dem Täuschungen keine Seltenheit sind - und traf den Angeklagten, dem es finanziell sehr gut zu gehen schien“, berichtete der Verteidiger David Vollert de Hendrik.

Am dritten Verhandlungstag trat unter anderem ein Kripobeamter als Zeuge auf, der auf Fälle von „Love Scamming“ spezialisiert ist. Darunter werden Fälle vorgetäuschter Liebe verstanden, die meist übers Internet angebahnt werden. Das vermeintliche Liebesglück wird dabei an Geldforderungen geknüpft.

Geschickt gaukeln die Betrüger vor, plötzlich in Notlage geraten zu sein: eine Geldzahlung - und schon stehe der Romanze nichts mehr im Wege. „In diesem Fall war vieles anders“, beschreibt der Beamte, dass im aktuellen Falls nicht nur die Schadenshöhe ungewöhnlich ist: „Die Angeklagte hat ihre Taten und ihre Identität nicht verschleiert, das haben wir selten so“, sagte der Kripomitarbeiter. Festgenommen wurde die 31-Jährige, als sie aus dem Ausland zurückkam. Sie habe wohl darauf vertraut, dass der 60-Jährige sie nicht anzeige, sagte Herkle.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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