Heidelberg. Wenn Einsatzkräfte üben, dürfen Reporter oft ganz nah dran sein. An diesem Donnerstag ist es aber etwas anders. Denn die Polizei will sich nicht dabei in die Karten schauen lassen, wie sie in der Gregor-Mendel-Realschule in Heidelberg übt, einen Amokläufer unschädlich zu machen und Schüler und Lehrer in Sicherheit zu bringen. Sorgfältig wägen die Polizeisprecher vor dem Schulgebäude ihre Worte und kommentieren nur knapp das Vorgehen ihrer Kollegen, die hinter ihnen vorbeihasten.
Gewalttaten in Bildungseinrichtungen
- Schwere Gewalttaten an Bildungseinrichtungen gab es zuletzt immer wieder, zwei Fälle davon in der Region:
- Januar 2024: Eine 18-jährige Abiturientin wird an einem Gymnasium in St. Leon-Rot bei einem Messerangriff getötet; tatverdächtig ist ein Mitschüler
- Januar 2022: Ein Student erschießt bei einem Amoklauf an der Universität Heidelberg eine Studentin und verletzt drei weitere Studierende
Zwei Knallgeräusche geben um halb elf das Signal für den Beginn der Übung. Die ersten Polizisten rennen mit Helmen, Schutzwesten und gezogenen Übungswaffen zum Schulgebäude; einige haben sich rote Gurte um den Hals gelegt. Mehrere Notrufe seien eingegangen, erläutert Polizeisprecherin Celina-Marie Petersen, „dass es hier zu Schüssen in der Schule kam und sich mindestens ein bewaffneter Täter in der Schule befindet“. „Mehr“, so Petersen, „wissen die Einsatzkräfte auch nicht“.
Übungen in diesem Maßstab sind selten
Rund 120 Polizisten, außerdem 30 Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und der Heidelberger Feuerwehr wurden für die Übung zusammengezogen - der Verkehrsübungsplatz neben der Schule in Heidelberg-Kirchheim ist voll mit ihren Einsatzfahrzeugen. „In diesem Maßstab machen wir das wirklich selten“, sagt Polizeisprecher Philipp Kiefner. Bereits am Mittwoch hatte die Polizei allerdings eine ähnliche Übung an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Weinheim abgehalten, wenn auch ohne Presse.
Die Polizisten, die an der Übung teilnehmen, sind keine Spezialkräfte, sondern Beamte vor allem aus den umliegenden Revieren, aber auch aus einem Einsatzzug, der sonst zum Beispiel Demonstrationen begleitet. „In so einer Lage werden alle möglichen Streifenwagen aus der Umgebung alarmiert“, sagt Petersen. „Die ersten Streifen, die da sind, gehen auch gleich in den Einsatz“, ergänzt Kiefner.
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„Lebensbedrohliche Einsatzlage“ (LebEL) nennt sich offiziell, was in der Schule in Heidelberg-Kirchheim geübt wurde - das kann ein Amoklauf sein, aber zum Beispiel auch ein Bombenanschlag. Wesentlich für eine solche Einsatzlage sei, dass eine größere Zahl von Menschen bedroht sei, erklärt Kiefner. Sie werde regelmäßig geübt. „Heute geht es auch ganz stark um die Verzahnung mit den Rettungskräften“, so Kiefner. Zu diesen gehört auch die Feuerwehr - denn vielleicht müsse bei einem solchen Einsatz eine Tür geöffnet oder ein Brand gelöscht werden, erläutert Holger Schlechter, stellvertretender Leiter der Heidelberger Berufsfeuerwehr.
Drone hilft, den Überblick bei der Übung an der Heidelberger Schule zu behalten
Keine halbe Stunde nach dem Beginn der Übung sind bereits mehr als 30 Polizisten in das Gebäude gerannt - sie hatten bei der Übung allerdings bereits nahe der Schule gewartet. Die ganze Übung verläuft überraschend geräuscharm, nur eine Drohne brummt am bedeckten Himmel. Sie helfe dabei, „sich einen Überblick zu verschaffen über die Lage“, sagt Petersen.
Auf dem Parkplatz vor der Schule hat das Rote Kreuz mittlerweile eine Sammelstelle für Verletzte eingerichtet. Polizisten sichern sie in alle Richtungen, während ihre Kollegen die ersten „Opfer“ heranschleppen. Die roten Gurte, die die Beamten mit in die Schule nahmen, dienen als Tragehilfen für die Verletzten. „Wir können erst mit dem Rettungsdienst rein, wenn die Polizei das Gebäude freigegeben hat“, erklärt DRK-Bereitschaftsleiterin Andrea Seib-Schöne. Zuerst müssen sich meist die Polizisten um die Erstversorgung von Verletzten kümmern und sie, soweit möglich, aus dem Gefahrenbereich schleppen. Im Ernstfall wäre das noch wahrscheinlich noch ein wesentlich weiterer Weg.
Nach einer guten Stunde ist der erste Durchgang vorbei. Die Polizisten gehen zur Nachbesprechung. Eine Beamtin humpelt leicht. Trainer haben jedem Team über die Schulter geschaut und geben ein Feedback. „Wir ziehen erst mal ein positives Fazit“, sagt Kiefner. Natürlich gebe es aber auch immer noch Kleinigkeiten, die sich verbessern ließen.
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Im Anschluss folgt noch ein zweiter Durchgang mit einer kleinen Abwandlung, dem „geschützten Korridor“: Dabei sichert die Polizei einen Weg in die Schule, damit sich der Rettungsdienst dort um Verletzte kümmern kann, statt sie erst außerhalb des Gebäudes zu übernehmen. An diesem zweiten Durchgang seien andere Polizisten beteiligt, sagt Kiefner: „Wir möchten einen möglichst großen Durchfluss an Kollegen haben.“ Wegen der schweren Ausrüstung sei außerdem schon ein Durchgang ziemlich anstrengend.
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