Justiz

Normannia-Affäre:„Es war still, keiner hat etwas gesagt“

Kurz vor Ende des Berufungsverfahrens um die sogenannte Normannia-Affäre schildert ein inzwischen verurteilter Mitangeklagter die Geschehnisse im Verbindungshaus

Von 
Agnes Polewka
Lesedauer: 
Das Berufungsverfahren um die sogenannte Normannia-Affäre in Heidelberg neigt sich seinem Ende entgegen. © Philipp Rothe

Heidelberg. Kurz vor Ende des Prozesses um die Heidelberger Normannia-Affäre lassen sich am Dienstag zwei Dinge festhalten: Zwar ist im Berufungsverfahren tatsächlich manch neues Detail bekannt geworden, dennoch lässt sich der Abend des 28. August 2020 weiterhin nur schemenhaft rekonstruieren. Ende August 2020 sollen mehrere Burschenschafter aus Heidelberg und Köln einen damals 25-Jährigen antisemitisch beleidigt, ihn mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen haben - als Anspielung auf Stereotype vom „Wucherjuden“. Vier von ihnen - zwei Heidelberger und zwei Kölner - mussten sich im Winter 2022 vor dem Amtsgericht in Heidelberg verantworten, angeklagt waren sie wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung.

Im Dezember 2022 wurde einer der beiden Heidelberger freigesprochen, die drei anderen Burschenschafter wurden zu je acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt - und legten Berufung gegen das Urteil ein. Weil einer der beiden Kölner die Berufung kurz vor Prozessbeginn zurückgezogen hat, stehen seit Beginn des Berufungsverfahrens Mitte September nur zwei der Angeklagten erneut vor Gericht: Luis S., ehemaliges Mitglied der Heidelberger Normannen, und Maximilian H. aus Köln, der zuletzt in seiner Heimatstadt in die Schlagzeilen geriet.

Zwei Angeklagte im Berufungsverfahren vor Gericht

Nach Recherchen des „Kölner Stadtanzeigers“ soll H. nicht nur Mitglied der Kölner Burschenschaft Germania, sondern auch Mitarbeiter des Dürener AfD-Abgeordneten Klaus Esser gewesen sein. Nach Bekanntwerden des erstinstanzlichen Urteils durfte er nur noch ausgewählte Teile des nordrhein-westfälischen Landtags betreten - obwohl das Urteil bislang nicht rechtskräftig ist. Der Landtag sei „wehrhaft - auch gegen drohende Gefahren von innen“, sagte ein Sprecher des Landtags gegenüber dem Medium.

Mehr zum Thema

Justiz

"Normannia-Affäre": Verfahren erweist sich als mühevolles Puzzle

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren
Justiz

Heidelberger Normannia-Affäre: Angeklagte Burschenschafter äußern sich

Veröffentlicht
Von
Agnes Polewka
Mehr erfahren

Zu seiner Tätigkeit für den Landtagsabgeordneten wollte sich H. vor Gericht nicht äußern - und auch andere schweigen dazu. Am Dienstag spricht der ehemalige Mitangeklagte aus Köln - er gilt inzwischen als rechtskräftig verurteilt, nachdem er seine Berufung zurückgezogen hat - über den Vorfall im Normannenhaus und seine Freundschaft zu Maximilian H., der zum 30. September seine Arbeit für den Landtagsabgeordneten beendet habe. Warum, wisse er nicht.

Und auch die Gründe für den Austritt aus der Burschenschaft streift er nur, erzählt von „Unstimmigkeiten“ und „Unzufriedenheit“. Dann spricht er über den 28. August 2020 und berichtet, wie der damals 25-Jährige umringt von einer Menschentraube in die Mitte des Saals gedrängt worden sei, die ihre Gürtel kreisen ließen. Er selbst habe seinen Gürtel ebenfalls gezogen und mit den anderen auf den jungen Mann eingeschlagen.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Zuerst habe er aus Neugier mitgemacht, später seien seine Emotionen hochgekocht, weil der 25-Jährige Mitglied einer Verbindung gewesen sei, die mit einer Vereinigung verbandelt war, gegen die er einen Groll gehegt habe. Antisemitische Beleidigungen habe er nicht gehört, sagt der 30-Jährige. „Es war still, keiner hat etwas gesagt“, so der Kölner. Dass Münzen geworfen wurden, habe er nicht mitbekommen, erst am Folgetag sei er auf die am Boden herumliegenden Münzen gestoßen.

Verteidiger fordern Freispruch, die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Berufungen

Von einer Beteiligung seines ehemaligen Bundesbruders H. wisse er nichts, sagt der Kölner. Die Verteidiger von Maximilian H. fordern am Dienstagnachmittag seinen Freispruch. Schläge, Beschimpfungen, antisemitische Beleidigungen durch Maximilian H. haben sich ihrer Ansicht nach während des Verfahrens nicht nachweisen lassen, Täter könnten Saarbrücker Burschenschafter gewesen sein. Auch S.s Verteidiger spricht sich für einen Freispruch seines Mandanten aus, während Staatsanwalt Thomas Bischoff sich für die Abweisung der Berufungen starkmacht.

Die Einlassungen der Angeklagten zu Beginn des Berufungsverfahrens hätten ihn überrascht, sagt Bischoff, der sie als eindeutig "taktisch motiviert" einstuft. Bischoff beruft sich in seinem Schlussvortrag auf WhatsApp-Chats und die mutmaßlichen Aussagen des Angeklagten Luis S. und des rechtskräftig verurteilten Kölners gegenüber Zeugen, in denen es um die Tatbeteiligung der Angeklagten gegangen sein soll.

Redaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke