Prozess

Normannia-Affäre in Heidelberg: Berufungen verworfen

Sie standen vor Gericht, weil sie einen 25-Jährigen mit Gürteln geschlagen und antisemitisch beleidigt haben sollen. Jetzt ist ein Urteil im Berufungsverfahren gegen zwei Burschenschafter aus Heidelberg und Köln gefallen

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Agnes Polewka
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Blick auf das Haus der Burschenschaft Normannia in Heidelberg. Hier soll ein junger Mann jüdischer Abstammung gequält und beleidigt worden sein. © Uwe Anspach/dpa

Heidelberg. Vier Jahre und 29 Tage nach einem Vorfall im Verbindungshaus der Heidelberger Studentenverbindung Normannia sind zwei ehemalige Burschenschafter aus Heidelberg und Köln erneut wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Am Heidelberger Landgericht endete am Donnerstag nach vier Prozesstagen das Berufungsverfahren um die sogenannte Normannia-Affäre.

Was war passiert? Ende August 2020 sollten mehrere Burschenschafter aus Heidelberg und Köln einen damals 25-Jährigen auf einer Feier im Verbindungshaus antisemitisch beleidigt, ihn mit Gürteln geschlagen und mit Münzen beworfen haben - eine Anspielung auf das rassistische Stereotyp vom „Wucherjuden“. Vier von ihnen - zwei Heidelberger und zwei Kölner - mussten sich im Winter 2022 vor dem Amtsgericht in Heidelberg verantworten, angeklagt waren sie wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung.

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Im Dezember 2022 wurde einer der beiden Heidelberger freigesprochen, die drei anderen Burschenschafter wurden zu je acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt - und legten Berufung gegen das Urteil ein. Weil einer der beiden Kölner die Berufung kurz vor Prozessbeginn zurückzog, standen zu Beginn des Berufungsverfahrens Mitte September nur zwei der Angeklagten erneut vor Gericht: Luis S., ehemaliges Mitglied der Heidelberger Normannen, und Maximilian H. aus Köln, der nach Recherchen des „Kölner Stadtanzeigers“ zuletzt Mitarbeiter des Dürener AfD-Abgeordneten Klaus Esser war. Nach Bekanntwerden des erstinstanzlichen Urteils durfte er nur noch ausgewählte Teile des nordrhein-westfälischen Landtags betreten- obwohl das Urteil bislang nicht rechtskräftig ist.

Inzwischen ist auch AfD-Vize-Fraktionschef Esser nach Vorwürfen zurückgetreten, seinen eigenen Lebenslauf gefälscht und sich fälschlich als Volljurist bei der AfD beworben zu haben.

Ungläubiges Kopfschütteln und Grinsen

Während Maximilian H. am Donnerstag stoisch die Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin Sabrina Zülch-Heine anhört, reißt der ehemalige Normanne Luis S. ungläubig die Augen auf, dann grinst er, einmal schüttelt es ihn kurz vor Lachen, nachdem er flüsternd mit seinem Verteidiger einige Worte gewechselt hat.

Zülch-Heine trägt unbeeindruckt Argument um Argument dafür vor, warum sie keine Zweifel an einer Beteiligung der beiden Männer an dem Vorfall im Verbindungshaus hat. Luis S. macht die Vorsitzende Richterin als „Initiator“ des Geschehens aus, der von Anfang an aktiv beteiligt gewesen sei. Sie führt einzelne Formulierungen in Whats-App-Chats aus, und stützt sich auf die Aussagen von Zeugen, gegenüber denen Luis S. die Tat zunächst eingeräumt haben soll, später soll er sie bestritten haben.

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Vor Gericht äußerte sich S. zu Beginn des Berufungsverfahrens erstmals. Er gab an, den damals 25-Jährigen freundschaftlich - wie unter Normannen üblich - bei dessen Ankunft mit seinem Gürtel geschlagen und ihn dann im weiteren Verlauf des Abends aus den Augen verloren zu haben - für Richterin Zülch-Heine eine Schutzbehauptung. Darunter subsumiert sie auch die Angaben von Maximilian H., der zwar angab, tumultartige Szenen und Schläge beobachtet zu haben, aber nicht beteiligt gewesen zu sein. Maximilian H. sei von dem damals 25-Jährigen eindeutig gesehen worden, „er hatte ihn bildlich vor Augen“, sagt die Vorsitzende Richterin Zülch-Heine am Donnerstag.

Am zweiten Prozesstag befragte Zülch-Heine den heute 29-Jährigen, der inzwischen in Erlangen lebt. Nach dem Vorfall im Normannenhaus erstattete er Anzeige bei der Polizei.

Weil nur die Angeklagten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt haben, nicht aber die Staatsanwaltschaft, galt das „Verbot der Verschlechterung“ in dem Verfahren: Eine höhere Strafe für die beiden Männer durfte nicht verhängt werden. Weil der Geschädigte in „menschenverachtender Weise“ und „zur Belustigung“ erniedrigt worden sei, sei eine Strafe unter acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung nicht tat- und schuldangemessen, so die Vorsitzende Richterin.

Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussagen?

Ob die beiden Angeklagten Revision gegen das Urteil einlegen, ist am Donnerstag nicht bekannt geworden. Selbst wenn nicht, könnte die juristische Aufarbeitung der sogenannten Normannia-Affäre in den kommenden Monaten weitergehen.

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor zwei Jahren ließ die Staatsanwaltschaft verlauten, Ermittlungen gegen mehrere Zeugen wegen uneidlicher Falschaussagen einleiten zu wollen. Der Erste Staatsanwalt bei der Heidelberger Behörde, Thomas Bischoff, kündigte am Donnerstag an, dies nach der neuen Beweisaufnahme erneut akribisch prüfen zu wollen.

Redaktion

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