Heidelberg. Am liebsten möchte der Angeklagte wieder „schnell zurück nach Hause“ – doch zunächst muss er sich hier in Deutschland wegen zwei Fällen des besonders schweren räuberischen Diebstahls verantworten: Weil er am 14. November 2022 in einem Kaufhaus am Heidelberger Bismarckplatz elf Parfümflaschen im Wert von 1300 Euro eingesteckt hat und später in einem Supermarkt ein Sandwich zum Preis von 1,30 Euro aß, ohne zu bezahlen, steht ein Mann seit Dienstagmorgen vor dem Heidelberger Landgericht. Eine wichtige Rolle spielt dabei dabei ein kleines Taschenmesser. War es ausgeklappt, und wurde damit gedroht?
Sandwich gegessen, leeren Geldbeutel gezeigt
Der Kaufhausdetektiv sagt ja. „Ich hatte eigentlich gerade Pause und habe eher zufällig auf den Überwachungsmonitor geschaut“, berichtet der 40-Jährige den Richtern unter dem Vorsitz von Andre Merz. „Da habe ich gesehen, dass er ein Parfüm eingesteckt hat und bin ihm sofort hinterher.“ An der Ampel holte er den Verdächtigen ein, legte seine Hand auf dessen Schulter, sagte „Hallo Kollege“ und fasste ihn an einem Arm.
Da habe der sofort das Klappmesser mit einem rund zwei Zentimeter langen Metallstück gezückt und Stoßbewegungen in Richtung seines Bauchs gemacht. „Ich bin zurückgewichen, habe ihn losgelassen“, erinnert sich der Detektiv. Die Tasche mit der Beute hielt er fest, der Täter floh. „Wir haben uns noch umgeschaut, ihn aber nicht mehr entdeckt“, ergänzt der 40-Jährige.
Eine halbe Stunde später indes erkannte er den unbekannten Mann sofort wieder, als beide in der Polizeiwache angehört wurden. Inzwischen hatte der 31-jährige mutmaßliche Täter, als die Luft scheinbar rein war, in einem Supermarkt im Carré ein Sandwich aus dem Kühlregal genommen, es ausgepackt, gegessen und die Verpackung in einem Regal entsorgt. Das sah ein Mitarbeiter. „Ich habe ihn angesprochen, dass er das Sandwich bezahlen muss“, berichtet der Zeuge. Der „Kunde“ habe ihm kommentarlos seinen leeren Geldbeutel gezeigt.
Angeklagter entschuldigt sich
Der mutmaßliche Dieb sei zunächst zum Büro mitgegangen. „Dann hat er sich quergestellt und wollte weglaufen.“ Um wegen des 1,30 Euro- Sandwiches niemanden zu gefährden, habe man ihn fliehen lassen. Er habe sich im Außenlager versteckt, was eine Mitarbeiterin beobachtete, und wo ihn die Polizei schnell festnahm.
Bei jedem Zeugen entschuldigt sich der Angeklagte persönlich, indem er höflich aufsteht und eine leichte Verbeugung andeutet. Er gesteht – an der Seite des Dolmetschers und des Verteidigers Jens Klein – die Diebstähle. Die mutmaßliche Tatwaffe nutze er regelmäßig, „um sich die Nägel zu machen“. Er habe es zusammengeklappt in der Hand gehalten und damit gestikuliert, damit ihn der Ladendetektiv loslasse.
Das Geschehen tue ihm sehr leid: „Ich schäme mich sehr.“ Ein Mann, von dem er Cannabis kaufen wollte, habe ihm das Kaufhaus gezeigt und ihm in Aussicht gestellt, reichlich Drogen zu bekommen, wenn er ihm Parfüms bringe, erklärt der Angeklagte. Drogen – auch Alkohol und starke Schmerzmittel – begleiten den aus einer vermögenden georgischen Familie stammenden Mann seit der Kindheit. Seinem ukrainischen Vater, einem Geistlichen, habe er hier in Deutschland eine sichere Perspektive eröffnen wollen. Deshalb sei er erst im Oktober 2022 eingereist. Der Prozess wird am 5. Juni fortgesetzt.
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